Verbraucherschutz
Neue Regeln: Was die EU zur Gentechnik in Lebensmitteln entschieden hat

Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedsstaaten haben sich in der Nacht in Brüssel auf neue Regeln für Gentechnik geeinigt: Bestimmte Lebensmittel sollen künftig nicht mehr gekennzeichnet werden müssen. Was sich für Obst, Gemüse und die Wahlfreiheit der Verbraucher ändert:

    Zwei Wissenschaftler in weißen Schutzanzügen untersuchen in München in einem Gewächshaus Petersilie.
    Beim Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft könnte man Pflanzen züchten, die besser mit Hitze oder Trockenheit zurechtkämen. (picture alliance / Westend61 / Rik Rey)
    Bestimmte gentechnisch veränderte Lebensmittel sollen laut der Übereinkunft auch ohne spezielle Prüfung und ohne Kennzeichnung ihren Weg auf den Markt finden, während für andere Fälle weiter strenge Regeln gelten. Dafür wird eine neue Trennlinie für verschiedene Gentechnik-Verfahren eingeführt.

    Worum geht es in der neuen Kategorie?

    Die Neuregelung trägt dem Durchbruch einer neuen Technologie Rechnung: Die Genschere Crispr/Cas ermöglicht es Fachleuten, zielsicher einzelne Informationen aus dem Erbgut der Pflanzen zu verändern. Einfache Eingriffe mit der Genschere sollen künftig so behandelt werden wie herkömmliche, per Zuchtauswahl erreichte Modifizierungen. Diese müssen im Handel nicht gekennzeichnet werden.

    Was bedeuten die Änderungen für Verbraucher?

    Sobald die neuen Regeln gelten, können Verbraucher nicht mehr auf den ersten Blick erkennen, ob sie durch moderne Gentechnik-Verfahren veränderte Lebensmittel essen würden. Deswegen hatten Verbraucherschützer das Vorhaben in der Vergangenheit auch deutlich kritisiert. Produkte, in denen gekennzeichnete gentechnisch veränderte Pflanzen verarbeitet sind, haben in Deutschland im Verkauf bislang keine Bedeutung. 
    Gentechnikfrei soll in Zukunft auch weiterhin die Biolandwirtschaft bleiben. Jedoch soll es laut Parlament kein Verstoß darstellen, wenn es um ein "technisch unvermeidbares Vorhandensein" von Gentechnik geht. Eine Kennzeichnungspflicht für Saatgut soll es ermöglichen, weiterhin gentechnikfrei zu arbeiten. 

    Sind die Auswirkungen der Methoden für Verbraucher sicher?

    Neue Sorten unterliegen weiter der gesetzlich geregelten Sortenprüfung und -zulassung. Sprich: Komplett ungeprüft kommen auch künftig gentechnisch veränderte Pflanzen nicht auf den Markt. Denn auch bei herkömmlichen Züchtungsmethoden gibt es Risiken. 

    Wie sind Gentechnikverfahren bisher geregelt und was ist neu?

    Bereits heute werden nur pflanzliche Lebensmittel gekennzeichnet - tierische Produkte, für die gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt wurden, sind ausgenommen.
    Unter das EU-Gentechnikrecht fallen unter anderem Methoden, bei denen artfremde Gene in eine Pflanze eingebracht werden - etwa Gene aus einem Bakterium in Mais. Diese sogenannte Transgenese fällt unter die strengen Zulassungsregeln und muss auch künftig deklariert werden. 
    Zudem gehört dazu ein gesondertes Zulassungsverfahren mit Risikoprüfung, das in der Praxis mehrere Jahre dauert. Das soll auch weiterhin der Fall sein. Die neuen Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht beziehen sich also nur auf deutlich kleinere Eingriffe.

    Welche Vorteile kann diese neue Gentechnik bieten?

    Viele Forscher sehen enormes Potenzial. So besteht die Hoffnung, etwa eine Weizensorte zu entwickeln, die gegen die Pilzkrankheit Mehltau resistent ist. Aber auch stressresistente Maispflanzen oder allergenfreie Erdnüsse sind denkbar. Befürworter erhoffen sich auch positive Effekte durch besonders widerstandsfähige Pflanzen mit Blick auf Hunger und Klimakrise. Auch könnte sich der Pestizideinsatz rund um einzelne Sorten verringern.n Zudem erhoffen sich Befürworter, dass europäische Landwirte wettbewerbsfähiger werden. In anderen Ländern gelten bereits schwächere Regeln für moderne Gentechnik-Verfahren. 

    Welche Risiken bemängeln Kritiker? 

    Unter anderem steht die Befürchtung im Raum, dass neue Gentechnik-Methoden weitreichend genutzt werden - also für deutlich mehr als Veränderungen, die auch herkömmlich entstehen könnten. Die Ökologin Katja Tielbörger warnte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen in der Wildnis ausbreiten könnten. Dies berge Risiken für das Gleichgewicht eines Ökosystems. 

    Was wurde zum Thema Patente beschlossen? 

    Der Kompromiss erlaubt Patente für gentechnisch veränderte Pflanzen. Ausnahmen soll es laut Parlament für Merkmale geben, "die in der Natur vorkommen oder auf biologischem Wege hergestellt werden". Der Deutsche Bauernverband sieht Patente auf neue Züchtungen kritisch. "Wenn zentrale Pflanzeneigenschaften von einzelnen Unternehmen monopolisiert werden, verlieren unsere Landwirte und kleine und mittelständische Züchter den Zugang zu wichtigem genetischem Material", sagte die Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbandes, Stefanie Sabet. 

    Was sind die nächsten Schritte? 

    Damit die neuen Vorgaben in Kraft treten, ist noch deren offizielle Bestätigung durch das EU-Parlament und die EU-Staaten nötig. Normalerweise ist das Formsache, wenn sich die Unterhändler der Institutionen zuvor auf einen Kompromiss geeinigt haben. Der Grünen-Abgeordnete Martin Häusling geht allerdings davon aus, dass der Deal im Europaparlament nur mit Unterstützung von Rechtsaußen-Fraktionen eine Mehrheit bekommt. Das war in jüngster Zeit bei anderen Vorhaben auch der Fall.
    Diese Nachricht wurde am 04.12.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.