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Neue Rolle für den SSW

In Kiel sitzt künftig die dänische Minderheit, der Südschleswigsche Wählerverband, mit am Kabinettstisch. Für den SSW leitet Ministerin Anke Spoorendonk das Ressort Justiz, Kultur und Europa. Eine Personalie, die nicht nur auf Zustimmung stößt.

Von Marc-Christoph Wagner |
    "Hallo, ich bin Anke Spoorendonk vom SSW. Ach, die mit den Dänen, denken Sie jetzt. Richtig und falsch. Wir machen nämlich Politik für alle Menschen in Schleswig-Holstein."
    Es ist die Aussage, an der Anke Spoorendonk sich messen lassen wird. Ab heute ist die 64-jährige nicht mehr allein Sprachrohr der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, sondern erste Ministerin des SSW jemals – verantwortlich für Justiz, Kultur und Europa. Ein gewagter Schritt, finden viele. Und ein Schritt, für den Spoorendonk gerade aus dem bürgerlichen Lager kritisiert wird. CDU-Oppositionsführer Jost de Jager:

    "Ich nehme nur zur Kenntnis, dass der SSW sein Rollenverständnis verändert hat und früher eine Partei der Interessenvertretung der dänischen Minderheit war und sich jetzt parteipolitisch einpreisen lässt in ein Regierungsbündnis. Und wenn sie sich das Parteiprogramm des SSW ansehen, sehen Sie, dass es eine im Kern linke Partei ist – und als die werden wir sie künftig bezeichnen."

    Sporendoonk und ihre Parteifreunde lehnen diese Sicht der Dinge ab. Der SSW sei eine normale Partei, keineswegs nur Lobbyist der dänischen Minderheit.

    "Also, wir haben gesagt, sollte der SSW eine Schlüsselrolle einnehmen, dann sind wir auch bereit, in eine Regierung einzutreten. Der SSW ist ja keine neue Erfindung in Schleswig-Holstein, kein Experiment. Wir gehören dazu, seit über 60 Jahren, und die Wählerinnen und Wähler kennen uns. Und ich stelle auch fest, dass die Koalition von SPD, Grünen und SSW die beliebteste Kombination mittlerweile ist."

    Mit viel Selbstbewusstsein also tritt der SSW in die Kieler Landesregierung ein. Und obwohl die Partei auch unpopuläre Maßnahmen mittragen und einen Haushalt ohne Neuverschuldung bis 2020 erreichen will, so haben Spoorendonk und Co. doch ein Anliegen, das sie bei den Koalitionsverhandlungen als ultimativ bezeichneten – nämlich die erneute Gleichstellung deutscher und dänischer Schulen auch bei der finanziellen Ausstattung.

    "Die Kürzung bei den dänischen Schulen hat nicht nur mit Geld zu tun. Für mich ist wichtig, deutlich zu machen, dass dadurch ein grundliegendes Prinzip in der Minderheitenregelung in unserem Grenzland verletzt worden ist. Verletzt wird das Prinzip der Gleichwertigkeit und der Gleichstellung, die Gleichstellung von unseren Schülerinnen und Schülern mit Schulkindern an den öffentlichen Schulen."

    Kritiker und Mahner bezüglich der Regierungsbeteiligung des SSW aber gibt es nicht allein in Schleswig-Holstein. Auch nördlich der deutsch-dänischen Grenze beobachtet mancher den Griff der Dänenpartei nach der Macht mit Skepsis. Siegfried Matlock, Chefredakteur des Nordschleswiger und langjähriger Leiter des Sekretariats der deutschen Volksgruppe in Kopenhagen:

    "Man wird sehr viel Fingerspitzengefühl benötigen. Auch diese Landesregierung unter Führung der SPD wird harte Einschnitte vertreten müssen und der SSW sitzt nun mit im Boot. Auf Dauer kann das Ressentiments gegenüber Dänen wecken."

    Hinzu komme, so Matlock, dass der SSW sich ab sofort nicht mehr nur in landespolitische Fragen einmische.

    "Gewiss, Schleswig-Holstein ist ein Bundesland, aber nicht nur. Jede Landesregierung hat bundes-, ja europapolitische Bedeutung – ihre Stimmen im Bundesrat können es der Regierung in Berlin in vielen Fragen sehr schwer machen. Die dänische Minderheit hat sich hier auf ein sehr glattes Parkett gewagt."

    Noch weiter entfernt, in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen, werden die Dinge nicht ganz so ernst gesehen. Die meisten Passanten in der Innenstadt zucken mit den Schultern.

    "Schwer zu sagen, was das bedeuten wird. Ja, eine unpopuläre dänische Ministerin kann nationale Ressentiments auslösen, aber wir wollen hoffen, dass es soweit nicht kommt. Und ehrlich gesagt liegt Kiel sehr weit von meinem Alltag hier entfernt."