Dienstag, 21. Mai 2024

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Neue Runde der Friedensgespräche zwischen Israel und Syrien

Heute: der Beginn einer neuen Runde der Friedensgespräche zwischen Israel und Syrien in den USA. Nach jahrzehntelangem Kriegszustand hoffen die Verhandlungspartner auf höchster Regierungsebene nun - endlich in diesem Jahr - eine Friedenslösung zu finden. Hauptstreitpunkt ist dabei die von Syrien geforderte Rückgabe der von Israel seit 1967 besetzten Golan-Höhen. Israel will eine Einigung nur akzeptieren, wenn Syrien im Gegenzug einer Reihe von Sicherheitsmaßnahmen zustimmt. Aus Anlass der neuen Gesprächsrunde wollen wir heute über die Situation auf den Golan-Höhen und über die jeweiligen Verhandlungspositionen der Israeli und Syrer berichten. Zunächst Hans-Joachim Wiese über die israelische Position:

Birgit Kaspar und Hans-Joachim Wiese | 03.01.2000
    "Ha am im ha golan." "Das Volk ist mit dem Golan." Ganz Israel ist derzeit mit diesem Slogan überzogen. Keine Straßenkreuzung, kein größerer Platz in den Städten, an denen keine Transparente hingen, an denen keine Golan-Aktivisten ihre Aufkleber und Flugblätter verteilten. Als die Knesset Mitte vergangenen Monats über die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Syrien beriet, fand vor dem Jerusalemer Parlament eine erste große Protestdemonstration statt. Der 26-jährige Oded Porat brachte die Stimmung dabei auf den Punkt:

    Oded Porat: "Für kein Abkommen der Welt werden wir den Golan verlassen. Auch wir wollen Frieden mit Syrien, aber einen wirklichen Frieden. Einen, der es allen ermöglicht, unter israelischer Herrschaft zu bleiben, ohne den Golan zu verkaufen."

    Oded Porat ist einer der rund 18 000 jüdischen Siedler, die nach israelischen Angaben auf dem Golan leben. Seit klar geworden ist, dass Ministerpräsident Barak es offenbar ernst meint mit seiner Verhandlungsbereitschaft über den Golan, formiert sich der Widerstand, und zwar nicht nur dort. Auch die nicht selten extrem nationalistischen Siedler aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen werden aktiv. Und die Golan-Siedler scheuen sich nicht, sich mit ihnen einzulassen, obwohl sie bei der Wahl im Mai letzten Jahres mehrheitlich für Ehud Barak stimmten. Der machte in der Knesset-Debatte denn auch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Siedler.

    Barak: "Ich weiß, dies ist eine schwere Stunde für Euch. Ihr habt auf dem Golan Eure Häuser gebaut. Ihr habt Bäume gepflanzt, gesät und Felder bestellt. Eine neue Generation ist herangewachsen. Der Golan ist Eure Heimat."

    Auch ihm sei der Golan lieb und teuer, so Barak, schließlich sei er sein Leben lang Soldat gewesen und nicht wenige seiner Kameraden hätten dort ihr Leben gelassen. Aber der Frieden mit Syrien habe eben seinen Preis, und der sei schmerzhaft.

    Barak: "Ich werde nur einen Vertrag unterschreiben, der die Sicherheit Israels stärkt. Ich werde keinen Frieden um jeden Preis schließen."

    Sicherheit für Israel, das ist Baraks zentraler Begriff. Niemals werde er einem Abkommen mit Syrien zustimmen, das die Zukunft Israels gefährde. Seit seiner Eroberung im Sechs-Tage-Krieg 1967 betrachten die Israelis den Golan als entscheidendes strategisches Vorfeld gegenüber Syrien. Damaskus, die syrische Hauptstadt, liegt nur rund 60 Kilometer von der heutigen Demarkationslinie entfernt.

    Die Bewohner Nordisraels, das wie auf dem Präsentierteller zu Füßen des Golan liegt, leiden noch heute unter den traumatischen Erfahrungen aus der Zeit vor dem Sechs-Tage-Krieg. Bis 1967 beschoss die syrische Artillerie von dort oben immer wieder Städte und Kibbutzim in der Ebene. Nicht selten allerdings nach Provokationen der israelischen Armee, die Vorwände für eigene Kommandoaktionen auf dem Golan benötigte, wie der langjährige Außen- und Verteidigungsminister Moshe Dajan in seinen Memoiren zugab.

    Rosenblatt: "Jetzt schauen Sie mal da unten. En Gev war damals der letzte Ort. Die Grenze verlief einen Kilometer nördlich von En Gev."

    Damals, das war bis 1967, bis die israelische Armee die Hänge hinaufstürmte und den Golan eroberte. Zvi Rosenblatt, der 1985 aus Deutschland einwanderte, deutet nach unten. Dort schimmert tiefblau der See Genezareth, und die Berge Galiläas dehnen sich bis zum Horizont. Unter uns liegt der Kibbutz Tel Katzir. Dort liefen die Kinder auch bei Gewitter in die Bunker, erzählt Zvi Rosenblatt, weil sie dachten, die Syrer würden wieder vom Golan herunterschießen. Er hat sich dem Kibbutz Mevo Hama angeschlossen, der der Arbeitspartei Ehud Baraks nahe steht. 90 Prozent hat er hier bekommen. Und nun will derselbe Ehud Barak sie vertreiben?

    Rosenblatt: "Die Stimmung ist Kampfstimmung. Niedergeschlagenheit - man weiß nicht, wie man reagieren soll. Erst mal demonstrieren. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wenn der Staat sagt, dass wir weg müssen, dass hier Leute Widerstand leisten. Hier sicher nicht. Denn wir sind, auch wenn das für Deutsche komisch klingt, eine Volksarmee."

    So denken viele der rund 18 000 Siedler, die teils seit mehr als drei Jahrzehnten hier leben. Über dreißig neue Siedlungen sind entstanden, darunter die Stadt Katzrin. Die meisten der ehemals syrischen Dörfer sind zerstört, ihre vor dem Sechs-Tage-Krieg israelischen Angaben zufolge 70 bis 100 000 Bewohner vertrieben worden. Nach diesen Angaben sind rund 17 000 Drusen in vier Ortschaften geblieben. Trotz der Annexion des Golan 1981 verweigert ihre Mehrheit die Annahme der israelischen Staatsbürgerschaft bis heute.

    Die Israelis haben die wunderschöne Landschaft tief in ihre Herzen geschlossen. Die fruchtbare, auch im Sommer grüne Hochebene ist ein beliebtes Urlaubs- und Ausflugsziel, und auf dem Berg Hermon ist sogar ein Skigebiet entstanden. Es gibt eine Weinkellerei, deren Produkte bis weit über die Grenzen Israels hinaus bekannt sind, und auch die größte Mineralwasserfabrik des Landes hat ihren Sitz auf dem Golan. - All das erklärt, warum sich die Israelis so schwer mit dem Gedanken tun, dieses Gebiet zu räumen.

    Marla van Meter: "Ich glaube, dass die israelische Bevölkerung aufwachen und sehen wird, was hier passiert. Das ist doch ein Ausverkauf der israelischen Interessen. Alle in diesem Land wollen Frieden. Aber nicht um diesen Preis."

    Marla van Meter hat sich vor 20 Jahren mit ihrem Mann auf dem Golan niedergelassen. Sie ist Sprecherin des Siedlerkomitees, das den Widerstand organisiert. Ihr Sohn heißt "Golan", und ihre Tochter hat sie "Kinneret" genannt, nach dem hebräischen Namen des Sees Genezareth. Der See, das größte und wichtigste Wasserreservoir Israels, spielt eine entscheidende Rolle in den israelisch-syrischen Verhandlungen. Bis zum 4. Juni 1967, dem Vorabend des Sechs-Tage-Kriegs, stand sein nordöstliches Ufer unter syrischer Kontrolle, weshalb Syriens Staatspräsident Assad den Rückzug der Israelis bis zu dieser Linie verlangt. Israel dagegen bezieht sich bei den Verhandlungen auf die alte Grenze von 1923 zwischen den beiden damaligen Mandatsmächten Großbritannien und Frankreich. Diese Grenze verläuft zehn Meter vom Seeufer entfernt und würde dem heutigen Israel darüber hinaus die Kontrolle über einen wesentlichen Teil der Jordanquellen im Golan einräumen. Rund 30 Prozent der Wasserversorgung Israels hängen von diesen Quellen ab.

    Wasser, Tourismus, wirtschaftliche Interessen, militärische Notwendigkeiten, und nicht zuletzt die emotionalen Nöte der Siedler. Die israelisch-syrischen Unterhändler werden sich mit einem ganzen Bündel von Problemen befassen müssen. Ohne jeden Zweifel werden aber für Israel die Sicherheitsaspekte im Vordergrund stehen. Eine Entmilitarisierung des Golan, die Beibehaltung der militärischen Frühwarnstationen dort, gegebenenfalls mit amerikanischem Personal, kein direkter Zugang Syriens zum See Genezareth und zu den Jordanquellen. Syrien müsste außerdem die Hisbollah im Südlibanon zügeln. Dann würde Israel wohl die syrische Defakto-Herrschaft über den Libanon hinnehmen.

    Das werden voraussichtlich die Bedingungen für einen israelischen Rückzug vom Golan sein. Man erwartet dafür keinen sogenannten "warmen" Frieden mit Damaskus, aber offene Grenzen und ein Mindestmaß an Handel und Tourismus. Entscheidend wäre für Israel, dass ein Friedensvertrag sein Existenzrecht mehr als 50 Jahre nach Staatsgründung endlich verbriefen würde. Noch ist unsicher, wie das Referendum ausgehen wird, das Ehud Barak über eine Friedensregelung mit Syrien versprochen hat. Nur eines ist gewiss: falls Oppositionsführer Ariel Sharon, der unbeirrt gegen einen Rückzug vom Golan agitiert, mit seiner Vorhersage recht behält, stehen dem Nahen Osten schwere Zeiten bevor.

    Ariel Sharon: "Ich rufe Ihnen zu, Herr Ministerpräsident: halten Sie ein! Es ist wichtig, einen wirklichen Frieden zu wollen. Noch ist der Golan nicht verloren. Ihr Weg führt zu nichts. Unser Weg ist der richtige, und deshalb werden wir siegen."

    So weit der Beitrag von Hans-Joachim Wiese aus Tel Aviv. Nun zur syrischen Position. Auch die Syrer wollen Frieden, wenngleich sie es mit der Normalisierung der Beziehungen nicht ganz so eilig haben. Präsident Assad möchte das 1967 verlorene Land zurück. Und durch einen Friedensvertrag mit Israel hofft er die Stellung seines Sohnes Bashar zu stärken und ihn als seinen Nachfolger besser abzusichern. Und die Syrer selbst? Die wollen einfach nur ein besseres Leben. Birgit Kaspar berichtet:

    Rufender Hügel oder Tal der Tränen nennen die Syrer diesen Platz auf den Golanhöhen. Quer durch das relativ enge Tal verläuft die Demarkationslinie von 1974 – auf der einen Seite ist heute Syrien, auf der anderen von Israel seit 1967 besetztes Gebiet. Hier treffen sich regelmäßig Angehörige syrischer Familien, die vor Jahrzehnten auseinander gerissen wurden. Samar Mahmoud ist mit ihrem Mann und ihrem Neugeborenen gekommen, um ihre Eltern wenigstens mit dem Fernglas zu sehen und mit ihnen mit Hilfe eines Megaphons zu sprechen. Die 26jährige hat Mutter und Vater in Majdal Shams auf dem Hügel gegenüber unter israelischer Besatzung zurückgelassen, als sie nach Syrien kam, um ihren Cousin zu heiraten.

    Samar Mahmoud: "Ich lebe hier seit einem Jahr. Ich habe einen Sohn. Ich bin glücklich hier , aber es ist schwer, denn meine Eltern sind nicht bei mir. Das ist unser Leben, wir stehen hier und sprechen mit ihnen. Ich hoffe, es wird Frieden geben, das alles endet und wir bekommen hoffentlich den Golan zurück."

    Rund 60 Prozent des etwa 1.800 Quadratkilometer großen Hochplateaus hält Israel besetzt. Etwa 23.000 Syrer leben nach syrischen Angaben unter israelischer Herrschaft, auf syrischer Seite haben sich inzwischen rund 60.000 Menschen in wiederaufgebauten Dörfern angesiedelt. Angaben aus Damaskus zufolge lebten hier vor dem Krieg von 1967 rund 160.000 Menschen überwiegend von der Landwirtschaft. Die meisten wurden von israelischen Soldaten vertrieben. Die hatten bevor sie sich hinter die Waffenstillstandslinie zurückzogen, zahlreiche Dörfer und die regionale Hauptstadt Kuneitra vollkommen zerstört. Damaskus fordert nun den Rückzug der Israelis bis zur Grenze vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 – das würde bedeuten, dass Syrien wieder Anrainer des Sees Genezareth wäre, inklusive der entsprechenden Wasserrechte. Dies will die Regierung in Jerusalem offenbar vermeiden. Für Syrien ist es allerdings eine Frage des internationalen Rechtes, der Umsetzung der UN-Resolution 242, des Prinzips Land gegen Frieden: Sie besagt nach syrischer Lesart, dass das gesamte Land zurückgegeben werden muss – im Gegenzug will Damaskus die Regierung in Jerusalem anerkennen und einen Friedensvertrag unterschreiben. Für diese Position hat Präsident Hafiz el Assad die breite Unterstützung der rund 15 Millionen Syrer.

    Nationalstolz hat eine besondere Bedeutung in diesem Land – trotz oder vielleicht sogar wegen der Niederlagen in den Kriegen gegen Israel. Er wird von staatlicher Seite gepflegt, der seit fast dreißig Jahren regierende Präsident Hafiz el-Assad glaubt an die Wirkung nationaler Inszenierungen und des Personenkults. Jedes Jahr wird im November der Jahrestag der sogenannten Korrekturbewegung, des unblutigen Putsches, mit dem sich Assad 1970 an die Macht brachte, begangen. Der Präsident, ein Angehöriger der religiösen Minderheit der Alawiten, gab dem durch zahlreiche gewaltsame Umstürze geschüttelten Land Stabilität und auch zunächst ökonomischen Aufschwung. 29 Jahre später wünschen sich viele Syrer in mancherlei Hinsicht eine neue Korrektur. Sie wollen vor allem ein besseres Leben. Ein Frieden mit Israel könnte dazu beitragen. Nicht, weil man sich in Damaskus eine außerordentliche Friedensdividende erhoffte. Darüber macht man sich wenig Illusionen. Auch bringt man den Israelis nicht sonderlich viele Sympathien entgegen. Aber eine solche Vereinbarung über das Ende der Feindseligkeiten könnte das syrische System durchrütteln und Energien freisetzen für die Zukunft, meint Nabil Sukkar, ein bekannter Damaszener Wirtschaftsexperte, der lange Jahre für die Weltbank tätig war:

    Nabil Sukkar: "Der Friedensprozess könnte Druck ausüben, damit es vorwärts geht und wir für eine Zeit nach dem Frieden bereit sind. Aber der wirtschaftliche Reformprozess ist nicht un-bedingt daran gekoppelt. Wir brauchen diese Reform so oder so, weil wir die Wirtschaft wiederbeleben müssen und das Wachstum beschleunigen müssen."

    In einer programmatischen Rede im März vergangenen Jahres hatte Assad selbst einen Reformkurs gefordert. Riad Seif, Unternehmer und Parlamentarier, kritisiert allerdings, es gebe noch nicht genug Bewegung. Die Wirtschaftsprobleme mit einer hohen Arbeitslosigkeit und geringem Wachstum seien mehr als deutlich, doch niemand verbreite das Gefühl von Dringlichkeit, so Seif.

    Mit alten Hebekränen wird Zucker in Plastiksäcken von dem im Hafen von Latakia vor Anker liegenden Schiff Basil entladen. Nur wenig nördlich des kommerziellen Ports, in einem kleinen Privathafen zeichnete sich vor kurzem eine Entwicklung ab, die einen Schatten über eine besserer Zukunft zu werfen drohte. Der kleine Privathafen von Assads Bruder Rifaat, nebst einem größeren Anwesen, wurde im Oktober von syrischen Sicherheitskräften gestürmt. Die offizielle Begründung: Die Anlage sei nach syrischem Gesetz illegal. Außerdem werde über den Hafen Schmuggel abgewickelt, so der Vorwurf. Bei der Aktion gab es nach offiziellen syrischen Angaben ein paar Tote, diplomatische Quellen in der Region sprechen von rund 20 Opfern, die syrische Auslandsopposition gar von Hunderten. Rifaat liegt seit einer Machtprobe 1983 mit seinem Bruder Hafiz im Clinch, deshalb lebt er auch schon seit einiger Zeit im Ausland. Der syrische Informationsminister Salman machte kürzlich den totalen Bruch zwischen den Brüdern deutlich:

    Salman: "Rifaat el Assad hat keine offizielle Position mehr in Syrien, er verlor sie wegen des Verstoßes gegen syrisches Gesetz. Wenn er zurückkommt, wird er vor Gericht gestellt wie jeder andere Verbrecher."

    Politische Beobachter sind der Ansicht, dass die Operation in Latakia Rifaat, seine Söhne und alle möglichen anderen Aspiranten in die Schranken weisen sollte. Der Kampf um die Nachfolge Assads hat offenbar begonnen. Der 69jährige Präsident ist seit langem krank. Das offizielle Syrien bezeichnet ihn allerdings nach wie vor als fit. Assad hatte eigentlich seinen ältesten Sohn Basil für die Nachfolge vorgesehen – 1994 kam sein überraschender Tod bei einem mysteriösen Unfall auf der Flughafenautobahn bei Damaskus dazwischen. Seither bereitet der in Syrien all-gegenwärtige Vater den jüngeren Sohn Bashar erst zögerlich, zuletzt aber immer zielstrebiger auf eine mögliche Machtübernahme vor. Dass dies ein bemerkenswerter Vorgang sei, weil Syrien eigentlich eine Republik und keine Erbmonarchie ist, weist Informationsminister Salman kategorisch zurück:

    Salman: "Es gibt einen Gesetzestext, der festlegt, dass die Führung der sozialistischen Baath-Partei gemeinsam mit der regierenden Nationalen Progressiven Front den Präsidenten nominiert. Wenn wir soweit sind, dass Dr. Bashar für eine verantwortliche Position nominiert ist, dann werden diese Führungskreise zusammenkommen und eine Entscheidung treffen."

    Der 34jährige Bashar ist ausgebildeter Augenarzt und gilt als Modernisierer mit relativ liberalen Ansätzen. Er brachte Syrien ins Computerzeitalter und wurde an die Spitze einer Anti-Korruptionskampagne gesetzt, die aber nach Ansicht von Beobachtern bisher nur ansatzweise umgesetzt wurde. Bashars Position gilt – unter anderem wegen seiner politischen Unerfahrenheit – bei weitem noch nicht als gesichert. Auch die religiöse Minderheit der Alawiten, die das System Assad maßgeblich mitträgt, ist angesichts dieser Frage uneins. Sollte Präsident Assad es schaffen, einen ehrenvollen Frieden für Syrien mit Israel zu erreichen, dann könnte das durchaus die Stellung Bashars stärken. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass es gelingt, das gesamte Land heimzuholen, das Assad selbst 1967 als Verteidigungsminister verloren hat: den wasserreichen Golan.

    In der Altstadt von Damaskus geht das quirlige Geschäftsleben relativ unbeeindruckt von den Friedensverhandlungen weiter. Die Rückgabe des Golans ist zwar das übergeordnete Thema. Aber für die Menschen hier, nur rund 50 Kilometer vom Golan entfernt, spielt auch die Sicherheit eine große Rolle. Denn in Syrien ist man sich der militärischen Übermacht des israelischen Nachbarn bewusst und die Menschen empfinden sie nach den Erfahrungen der Vergangenheit als Bedrohung, so der Wirtschaftsexperte Sukkar.

    Nabil Sukkar: "Ich denke, wenn die militärische Unausgeglichenheit, die wir heute haben, bleibt oder noch ausgeprägter wird, dann wird das auf Kosten des Friedens in der Region gehen und wir werden vielleicht nicht den Frieden haben, auf den wir hoffen."

    Die Syrer hoffen auf einen baldigen Frieden, einen, der auf gegenseitigem Respekt beruht, bei dem sich keiner als Verlierer fühlt. Bis dahin müssen die auseinandergerissenen Familien auf dem Golan noch warten, bevor sie ihre Angehörigen wieder in die Arme schließen können. Solange werden sie Lebenszeichen, Neuigkeiten und ihre enge Verbundenheit über Ferngläser und Megaphone austauschen.