Gegen diese rein funktionale Poesie der Börsen-Ökonomie nehmen sich die Fiktionen der eigentlichen Internet-Künstler geradezu jämmerlich aus. Wenn Stephan Porombka und Burkhard Spinnen in der "Neuen Rundschau" die Geschichte der Internet-Literatur der neunziger Jahre bilanzieren, erzählen sie auch eine Geschichte der medialen Selbstüberschätzung. Beim Surfen durch einschlägige Sites, so der niederschmetternde Befund von Burkhard Spinnen, sei er nirgendwo Texten von literarischem Rang begegnet. All den großspurigen Visionen von Intertextualität durch Vernetzung, von Aufhebung der Autorschaft und digitaler Radikaldemokratie entspricht in der literarischen Internet-Praxis oft nur ein expandierender Dilettantismus.
Eine intelligente Ehrenrettung des Mediums Internet unternimmt in der "Neuen Rundschau" einzig der Schriftsteller Thomas Hettche, der mit seinem Projekt "NULL" die ehrgeizigsten literarischen Expeditionen ins "world wide web" angestiftet hat. Glaubt man jedoch Burkhard Spinnen, dann ist bereits der Ernstfall eingetreten: Mit Literatur im Internet erntet man keinen Avantgardisten-Ruhm mehr, sondern allenfalls üblen Leumund.