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Neue Sachlichkeit

Eberhard Havekost gehört heute zu den berühmtesten deutschen Malern. Seine Werke befinden sich in den Beständen der größten Museen der Welt . Bloß in seiner Vaterstadt Dresden wurde er noch nicht ausgestellt. Schon deshalb ist die Schau im Lipsiusbau etwas Besonderes.

Von Carsten Probst | 15.11.2010
    "Ausstellung" steht schlicht und groß auf dem weißen Banner draußen an der Fassade, so wie bei vielen anderen touristischen Events in Dresden. Man muss schon nah herangehen, um auch noch den Namen des Künstlers zu erkennen, klein am unteren Rand steht "Eberhard Havekost", so als sei er einer von vielen, austauschbar. Das Understatement ist typisch für den 1964 in dieser Stadt geborenen Maler, und es setzt sich in seinen Bildern und in seiner Haltung zur Öffentlichkeit fort.

    "Mir ist es an und für sich auch ziemlich peinlich, jetzt hier zu sitzen und so eine wunderbare Ausstellung noch mal zusätzlich verbal zu legitimieren."

    Sagt Eberhard Havekost drinnen in dem hohen, von einem stattlichen Oberlicht gekrönten Saal, in dem man ihn vor lauter Hall kaum versteht. Fast scheint es, als wolle sich der Maler am liebsten verstecken und als müsse Martin Roth, der Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem inzwischen berühmten Sohn der Stadt etwas Aufmunterung verschaffen, als er sich direkt an ihn wendet:

    "Ich weiß, dass viele Kollegen, andere Weltstars, die deutlich älter sind als du, riesengroße Schwierigkeiten haben, in diese Urmutter Dresden zurückzukommen und hier zu stehen. Dass Du das schaffst, ich weiß: mit 'ner gewissen Anstrengung, dich der Situation zu stellen, das bewunder’ ich."
    Mit den älteren Weltstar-Kollegen dürfte unter anderem Gerhard Richter gemeint sein, der sich als gebürtiger Dresdner bislang keiner vergleichbaren Werkschau auf den Brühlschen Terrassen gestellt hat. Und an all dem erkennt man, dass diese Ausstellung von Havekost in diesem Dresden, in dem er sich Anfang bis Mitte der neunziger Jahre ja noch zum Maler hat ausbilden lassen, doch nicht so ganz selbstverständlich ist. Von dem traditionalistisch gestimmten Umfeld in der Stadt wird er vermutlich nicht gerade goutiert werden. Seine von Manchem als beliebig und oberflächlich kritisierte, dabei eigentlich höchst reflektierte Malerei ist vielen aus der einheimischen Dresdner Künstlerschaft zu abstrakt, zu gedacht, zu flächig und zu experimentell.

    Havekost setzt sich mit Medienbildern und dem Internet auseinander, was in Dresden gern als Bankrotterklärung für wahres Künstlertum verstanden wird.
    Zunächst malte er unbelebte Hausfassaden, steinerne Reihenbalkons, vernebelte Frontscheiben von Autos. Damit hat Havekost seit Ende der neunziger Jahre den internationalen Markt erobert. Malerische Klarheit mit einem leicht verzerrenden Sfumato-Effekt verleiht seinen Bildern etwas Flirrendes – als sei gerade nur ein laufender Film angehalten worden, keine statische Bildfläche mehr, sondern ein Punkt, der sich gleich wieder im Bildnirvana der "magischen Kanäle" verflüchtigen könnte.

    Es ist eine Malerei als Ausdruck eines bestimmten Zeitempfindens, das alles verschwindet. Eine Malerei der kulturellen Vergewisserung, die dem neuen das alte, tradierte Medium entgegensetzt und dadurch beiden eine neue Präsenz gibt. Havekost will seine Bilder auch gar nicht vorrangig als Malerei verstanden wissen, sondern neutral, Bilder wie alle anderen Bilder, gewonnen und wie zufällig festgehalten aus der unerschöpflichen Bilderflut der Medien.

    Der Saal ist etwas zu hoch, zu mächtig für die neuen Bilder Havekosts: Wandstücke, Papierfetzen, verschwommenen Farbsubstrate, die als Großformate wie Landschaften oder psychedelische Illusionen wirken. In Dresden, der Stadt, wo man das Bleibende so gern betont, versteht mancher noch nicht ganz, dass es Havekost ja eigentlich auch um das Bleibende geht und um den Gegensatz, das Verschwinden und um die Konstruktion von beidem in den Köpfen. Insofern ist es schon eine besondere Ausstellung.