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Neue satirische Frauenzeitschrift in der Türkei

Das erste Exemplar erschien am 8. März zum Weltfrauentag. Eine Satirezeitschrift, die nur von Frauen gestaltet wird. In wenigen Tagen hatte der Verlag in der Türkei 50.000 Exemplare verkauft. Ein Bombenerfolg in einem Land mit einer Analphabetinnenquote von acht Prozent.

Von Sabine Küper-Büsch |
    Nach vier Ausgaben hat sich das Heft nun bereits in der Presslandschaft etabliert. Der merkwürdige Titel, "Der Platz neben der Dame" kolportiert eine gängige Erfahrung von Frauen in der Türkei, erklärt die Autorin Raziye Içoğlu.

    "Wenn ich als Frau allein mit dem Bus in eine andere Stadt reise, nötigen mich die Busgesellschaften auf speziellen Frauenplätzen zu sitzen. Das ist "der Platz neben der Dame”. Der garantiert mir dann eine Frau als Sitznachbarin, egal ob ich das möchte oder nicht. Das ist eine Form von Apartheid, die wir als emanzipierte Frauen ablehnen."

    Die Karikaturenszene genießt in den türkischen Medien hohes Ansehen. Jede Tageszeitung hat zumindest eine tagespolitische Karikatur, oft sogar auf der ersten Seite. Es gibt etliche Satirezeitschriften, doch Frauen sind dort deutlich in der Minderheit. Gerade einmal zehn Prozent machen sie aus. Umso erstaunlicher, dass eine Karikaturenzeitschrift von Frauen jetzt sogar die männliche Konkurrenz schlägt. Die Monatszeitschrift "Der Platz neben der Dame” erscheint im Verlag der Erfolgszeitschrift "LeMan”, die wöchentlich 25.000 Hefte verkauft. Die Frauenzeitschrift erscheint zwar nur monatlich, aber sie verkauft fast das Doppelte. Raziye Içoğlu weiß warum.

    "Eine Tante von mir hat das Heft gekauft und meine Kolumne gelesen. Sie hat sich so aufgeregt, dass sie die Zeitschrift zerrissen hat. Ich schreibe dort satirisch über meine Scheidung und was man da als Frau so erlebt. Sie kommt natürlich im Text auch vor, das hat sie so wütend gemacht. Aber ich bin sicher, meine Tante studiert jede Ausgabe, um zu sehen, ob es noch weitere Ungeheuerlichkeiten dort zu lesen gibt."

    Neben Raziye Içoğlus satirischen Texten erscheint in jedem Heft eine absurde Fotoserie. In der Juli Ausgabe liegt der konservative Teeküchenbesitzer des Verlages in weißen Liebestöter-Unterhosen auf dem Sofa. Er trägt eine Badekappe, Schwimmflossen und aufblasbare Schwimmärmel. Das Foto trägt den Titel, "unser Nachwuchs-Animateur”. Es persifliert die Migranten aus Ostanatolien, die sich an der Südküste als Animateure am Strand verdingen, ohne richtig schwimmen zu können. Ein solches Foto kann nur eine Frau aufnehmen, meint die Fotografin der Reihe, Raziye Içoglu.

    ""Wir Frauen haben mehr Erfahrung mit Demütigungen. Wir gehen spielerischer damit um und ermutigen auch die Männer, komische Posen zuzulassen."
    Der Herausgeber der Zeitschrift ist ein Mann. Tuncay Akgün ist einer der wenigen Zeichner des Heftes. Er gestaltet die letzte Seite. Sie trägt den Titel, der Harem.

    "Der Harem ist in unserer Kultur ein patriarchalisches Symbol. Ein Mann besitzt ganz viele Frauen. Wir machen uns in der Serie darüber lustig. De Frauen sind darin die eigentlichen Heldinnen. Sie lachen über den Sultan, seinen kleinen Schwanz und seine schmutzigen Stinkefüße."

    Tuncay Akgüns Ehefrau Ramize Erer zeichnet die Serie "das böse Mädchen”. Eine Istanbulerin, die männermordend alle Tabus bricht. Die Figur entspringt einem eigenen Lernprozess unterstreicht Ramize Erer.

    "Ich liebte als junges Mädchen Kitsch, wünschte mir aber eigentlich anders zu sein. Radikaler und kritischer. Ich habe alle meine Energie in die Entwicklung meiner Karikaturen gesteckt und mich selbst dabei verändert. Ich zeichnete als Erste ein masturbierendes Mädchen, da war die Hölle los, ich bekam grobe Schmähbriefe. Es begann mir Spaß zu machen, die Leute mit dem Brechen von Tabus zu provozieren."

    Die wachsende Gewalt an Frauen in der Türkei ist ein großes Thema der Zeitschrift. In jeder Ausgabe wird der gemeinste Macho verhöhnt. Die Zeichnerinnen glauben fest daran, dass ein Sinn für Humor dabei helfen kann, schwere Zeiten zu überwinden.