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Neue Serien im Januar
Auf der Suche nach Erlösung

Ein Prediger mit Kapuzenpulli und ein Kapitän in Rente: Die Serien „Messiah“ und „Star Trek: Picard“ spielen mit Glaubensfragen. „The Outsider“ besticht mit Psychohorror. Und in "Spinning Out" versucht eine junge Sportlerin ihr Glück auf dem Eis. Die Serien des Monats Januar.

Von Julian Ignatowitsch | 30.01.2020
Aufs Eis gelegt: Kaya Scodelario als Kat Baker in der Serie "Spinning Out"
Auf Eis gelegt: Kaya Scodelario als Kat Baker in der Serie "Spinning Out" (Netflix/Christos Kalohoridis)
Der Erlöser trägt Kapuzenpulli und Jeans. Sie nennen ihn den Messias, er selbst nennt sich "Das Wort". Er predigt und vollbringt Wunder.
"Ich bin mit Gott."
Die sozialen Medien verbreiten seine Botschaft, der Geheimdienst nimmt ihn fest.
Die Netflix-Serie "Messiah" stellt die spannende Glaubensfrage: Was wäre, wenn ein moderner Christus in den Nahen Osten, später in die USA, kommen würde? Noch dazu einer, der Arabisch spricht, mit langen schwarzen Haaren und dunklem Bart?
Tiefgründigeres Potenzial verschenkt
Dass ausgerechnet zwei jüdische Agenten den Prediger verfolgen, ist dabei eine politisch wie religiös problematische Analogie. Doch sie bleibt unverfänglich, weil die Serie - zumindest in Staffel eins - aus verschiedenen Perspektiven erzählt, und nicht urteilt, sondern Hinweise sammelt - zahlreiche biblische Anspielungen inklusive.
"Willkommen im Heiligen Land!"
Mit dem Fokus auf die CIA-Ermittlungen und einen möglichen Terrorverdacht erinnert die Serie stark an den Thriller-Erfolgshit "Homeland", verschenkt zugunsten der Crime-Elemente aber auch ein wenig tiefgründigeres Potenzial. Trotzdem:
"Messiah" auf Netflix: empfehlenswert
Für manche ist auch er ein Erlöser: Patrick Stewart alias Enterprise-Kapitän Jean-Luc …
"Picard. P-i-c-a-r-d."
"Wie schön, dass sie wieder zurück sind!"
14 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Sternenflotte ist der pensionierte Captain Winzer in Frankreich und sucht Antworten auf Fragen aus der Vergangenheit.
"Möchten Sie es fertig stellen, Captain?"
"Ich weiß nicht wie."
Für Trekkies ein Grund zur Schnappatmung
Das Setting also ganz irdisch, die Themen und Figuren aber altbekannt:
"Er sieht Data so ähnlich."
Was viele treue Fans in Schnappatmung versetzt, dürfte sich für Amazon und den produzierenden Sender CBS wohl auch als Quotenerfolg bezahlt machen. Und so löst die Serie auch alles ein, was sich die Anhänger von ihr erwarten: eine kinotaugliche Produktion, aufwendige Spezialeffekte und Action, dramatische Dialoge, viele technische Spielereien und noch mehr Nostalgie-Gefühl.
Das ändert aber nichts daran, dass die Fortführung von 178 Folgen "Raumschiff Enterprise" und vier "Star Trek"-Filmen mit Patrick Stewart die üblichen Kritikpunkte mitbringt: plakative Charaktere, einfache Erzählweise, zu viel Pathos, an der Grenze zum moralisierenden Kitsch und einen anstrengend-aufdringlichen Soundtrack.
"Star Trek: Picard" auf Amazon: akzeptabel
Stephen Kings Horror-Romane sind bei Serienmachern ja fast genauso beliebt wie die Science-Fiction-Klassiker - allein in diesem Jahr sind drei neue King-Serien geplant. Doch nur wenige Formate konnten bislang überzeugen.
"He murdered a child."
Die Sky/HBO-Produktion "The Outsider" ist endlich mal eine Serie, die dem Meister des Horrors gerecht wird. Was als typischer Kriminalfall mit einer brutal geschändeten Kinderleiche und einer vorschnellen Festnahme beginnt, entwickelt sich sukzessive zu klugem, subtilem und nervenaufreibendem Psychohorror.
Geheimnisvoller Kapuzenmann
"A human being can not exist in two realities at the same time."
War der Täter an zwei Orten zugleich? Oder sind Kamera-Aufnahmen und DNA-Spuren nur scheinbare Gewissheit in einer irrationalen Welt? Und wer ist der diabolische Mann mit der Kapuze? Die Serie lebt einerseits von der exzellenten Besetzung und den charakterstarken Figuren, wie dem gebrochenen Ermittler Ralph Anderson, andererseits von der durchweg bedrohlichen Stimmung, die vor allem durch radikale Kamera und eindringlichen Sound erzeugt wird.
"The Outsider" auf Sky: herausragend
Die junge Eiskunstläuferin Kat träumt von den Olympischen Spielen. Doch seit einem Sturz will ihr kein Sprung mehr gelingen, sie schafft nicht einmal die Lehrgangsprüfung und überlegt, die Schlittschuhe an den Nagel zu hängen.
"Das war’s. Das war mein letzter Lauf."
Doch genau da bietet sich ihr die Chance, als Paarläuferin von vorne anzufangen. Der ambitionierte Justin will Kat an seiner Seite haben.
"Ich habe mir alte Wettkampfvideos von dir angesehen, du warst echt mutig?"
"Du siehst dir Videos von mir an?"
"Das sind meine Pornos."
Daily Soap auf dünnem Eis
Und so kämpft sie nicht nur mit sexistischen Sprüchen, sondern auch mit einer überehrgeizigen Mutter, eifersüchtigen Konkurrentinnen und ihren eigenen Dämonen.
"Ich habe das Gefühl, alles zerbricht."
Die Coming-of-Age-Serie "Spinning Out" auf Netflix hätte ein neues "Black Swan" werden können, ist aber letztlich eine Daily Soap auf dünnem Eis. Die Handlung schlingert überstürzt von einem Problem zum nächsten - immer wieder die gleichen ungelenken Pirouetten. Dazu ein bedenkliches weibliches Rollenbild, denn das Glück der Protagonistin hängt stets am männlichen Partner. Das reicht letztlich aber nicht einmal für die Pflicht, von der Kür ganz zu schweigen.
"Spinning Out" auf Netflix: zwiespältig