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Neue Sicht auf Deutschland

Heute hat Bundespräsident Christian Wulff die neue Dauerausstellung eröffnet. Motto: "Unsere Geschichte. – Deutschland seit 1945". Die Neuinszenierung soll mehr Alltagsgeschichte aus BRD und DDR und zugleich mehr Globalisierungs-Konsequenzen fürs vereinte Deutschland liefern.

Von Peter Meisenberg | 23.05.2011
    "Ich schwöre meinem Vaterlande, der Deutschen Demokratischen Republik, unter Einsatz meines Lebens, gegen jeden Feind zu schützen."

    Neueste Errungenschaft und wenn man so will "Glanzstück" der Dauerausstellung im Haus der Geschichte in Bonn ist ein originaler sowjetischer Panzer, Modell T 34. Eben jener Typ, den der damalige Schüler Rainer Eppelmann am 17. Juni 1953 in Ost-Berlin gesehen hat ...

    "Und ich sehe nun, sehe ich heute noch, dieses Bild, diesen Panzer durch die Maximilanstraße fahren..."

    Schon die 1994 erstmals eröffnete Ausstellung zur Geschichte Deutschlands nach 1945 setzte auf einprägsame Bilder und starke Symbole - vom Dienstmercedes des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer über die Klappstühle aus dem Parlamentarischen Rat bis hin zu den Wasserwerfern, die gegen die studentischen Protestmärsche der 60er-Jahre zum Einsatz kamen. Man wollte Geschichte "lebendig" machen.

    Die nun erneuerte Dauerausstellung ist dieser museumsdidaktischen Konzeption treu geblieben, sie hat sie sogar noch verstärkt. Da ist der putzige VW-Bus, 1966 in Deutschland gebaut, in die USA importiert und dort – in Kalifornien – pinkfarben angestrichen und mit den Symbolen der Hippies bemalt. Er findet sich nun in der Abteilung über die 68er Bewegung und wird einem neuen Anspruch der Ausstellung gerecht: Deutsche Geschichte soll weniger als bisher isoliert, sondern im internationalen Kontext dargestellt werden. Dafür steht etwa auch ein Bruchstück des amerikanischen Spionageflugzeugs U2, das im Kalten Krieg über der Sowjetunion abgeschossen wurde. Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche:

    "Das zeigt den Wettlauf im Bereich der Technik, aber auch im Bereich der Rüstung, zwischen den beiden Blöcken, und die Nahtstelle zwischen den beiden Blöcken, die hat nun mal Deutschland gebildet."

    Neben den "zentralen Großeindrücken" setzen die Ausstellungsmacher mehr noch als bisher auf die Individualisierung von Geschichte. In 15 neuen, "interaktiven Medienstationen" können die Besucher historische Ereignisse wie den 17. Juni an Touchscreens und mittels neuer Interviews aus der Perspektive von Augenzeugen nacherleben.

    "Am nächsten Tag früh um sieben war es wohl, dann klingelt es, und meine Wirtin wollte aufmachen, sag ich: Nein, das ist für mich. Und dann standen schon zwei Herren mit der Pistole in der Hand dort und fragten, ob ich derjenige wäre."

    Manchmal hat man den Eindruck, von den aufs große Publikum zielenden Schauelementen überwältigt zu werden. Doch dann bilden die immer wieder und vor allem in den Medienstationen aufgegriffenen Einzelschicksale und individuellen Perspektiven einen erklärenden und vertiefenden Kontrast. Ein durchaus geplanter Effekt:

    "Ich denke, dass das auch die Zukunft sein wird, dass man viel stärker auch den individuellen und biografischen Zugang wählt, wobei wir hier so arbeiten, dass wir hier einen Weg der Bilder gebildet haben, frei nach dem Diktum Walter Benjamins, dass Geschichte nicht in Geschichten, sondern in Bilder zerfällt, und diese großen Bilder und szenischen Darstellungen, die werden kontextualisiert und in den Kontext wird sehr vieles eingearbeitet an Multiperspektivität und individuellen Geschichten."

    Dafür ist die letzte Abteilung der Ausstellung ein gutes Beispiel. Sie thematisiert die Entwicklung Deutschlands nach 1989 im globalen Kontext, konfrontiert den Einsatz deutscher Soldaten zur "Verteidigung unserer Freiheit" mit dem "Finanzplatz Deutschland", zeigt neben einem Bruchstück der Berliner ein Modell der im Bau befindlichen Kölner Moschee und einen Fragebogen zum Einbürgerungstest. - Unter der gepanzerten Tür eines in Afghanistan unter Beschuss geratenen deutschen Militärfahrzeugs ist eine Seite des Tagebuchs des Soldaten Boris Barschow ausgestellt. Darin heißt es im Eintrag vom 16. Juni 2009: "Gestern Abend mit komischem Gefühl meine Ausrüstung fertig gemacht. Es geht nach Kundus. In den Krieg? Wer weiß. Jedenfalls sterben dort Menschen."