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Neue Staffel "True Detective"
Trügerische Vergangenheit

Die dritte Staffel der einstigen Erfolgsserie "True Detective" behandelt das Vergessen und ein rätselhaftes Verbrechen. Während Schauspieler und Machart überzeugen, enttäuscht die Serie einmal mehr erzählerisch. Die neue Staffel von "True Detective" wirkt wie eine Anti-Detektivgeschichte.

Von Julian Ignatowitsch | 24.01.2019
    Schauspieler Mahershala Ali bei der Premiere von True Detective III
    Herausragend gespielt - Mahershala Ali ist der Chefermittler Wayne Hays (imago stock&people (Hutchins))
    Die Vergangenheit ist trügerisch, die Erinnerung ein gefährlicher Freund:
    "Sie haben Gedächtnislücken, richtig?"
    Was, wenn sich ein Ermittler 35 Jahre später nur noch bruchstückhaft an seinen wichtigsten Fall erinnert?
    "Du hast Gedächtnislücken, jammere nicht rum."
    Dieser ihn aber nicht loslässt.
    "Was?"
    Und plötzlich wieder aktuell wird.
    "Ich dachte damals, es gebe Vor-Vietnam und Nach-Vietnam. Aber im Grunde ist es vor dem Parcell-Fall und danach."
    Ein Verbrechen auf drei Zeitebenen
    Die dritte Staffel der US-Krimiserie "True Detective" erzählt ein Verbrechen gleich über drei Zeitebenen hinweg: Da ist der eigentliche Fall, 1980, ein Geschwisterpaar verschwindet aus einer Kleinstadt im amerikanischen Hinterland von Arkansas.
    "An dem Tag ist Steve McQueen gestorben."
    Der Junge wird kurz später tot aufgefunden, von dem Mädchen fehlt jede Spur.
    "Du passt auf deine Schwester auf!"
    Dann, 1990: Chefermittler Wayne Hays - herausragend gespielt von Mahershala Ali - wird erneut zu dem Fall verhört, denn neue Spuren und Beweise sind aufgetaucht, die Ermittlungen beginnen erneut.
    "Zehn Jahre sind nichts. Ich erinnere mich an alles."
    Und schließlich, 2015: Eine Journalistin dreht eine Dokumentation über den immer noch rätselhaften Fall und interviewt dazu den gealterten Detective, dessen Erinnerung mit jedem Tag schwächer wird.
    "Mein aufrichtiges Beileid."
    Die Serie erzählt diesen Kriminalfall in Rück- und Vorblenden aus unterschiedlichen Perspektiven über mehr als drei Jahrzehnte hinweg. Das funktioniert anfangs, wenn Details und Protagonisten wiederkehren und sich aus Einzel- nach und nach Teilstücke bilden. Doch schnell brechen auch diese wieder auseinander. So wie die Erinnerung von Detective Hays schwindet, so zerfällt auch der Fall zwischen zweifelhaften Zeugenaussagen und unschuldig Verdächtigten.
    "Und was haben Sie an dem Abend gemacht?"
    Frustration beim Zuschauer
    Wie bei den Ermittlern, stellt sich auch beim Zuschauer eine Frustration ein, die die Serie durch ihre betont langsame Erzählweise noch verstärkt. Mal sitzt man zehn Minuten mit der Hays-Familie beim Abendessen, dann folgt man den Ermittlern für noch längere Zeit auf die nächste falsche Fährte. Die dritte Staffel von "True Detective" ist so gesehen eher eine Anti-Detektivgeschichte, die den Gedanken von Kohärenz mit einer postmodernen Erzählweise unterminiert.
    Unterhaltsam ist das nicht - und auch nicht neu, denkt man an die literarischen Vorbilder aus den 70er-/80er-Jahren. Dazu legt "True Detective" formal eine Ernsthaftigkeit und Bedeutungsschwere an den Tag, die so gar nicht zur inkohärenten Narration passen will. Die Geschichte erscheint so ohne Rhythmus, langatmig, langweilig.
    "Routinearbeit!"
    Und auch die sporadischen Fingerzeige auf gesellschaftliche Themen wie Alltagsrassismus oder Feminismus erscheinen mehr oberflächlich und opportunistisch als erkenntnisreich.
    "Ich bin Feminist."
    Schwächen im Skript, gute Darsteller
    Acht Stunden Laufzeit sind insgesamt deutlich zu viel, einzelne Episoden könnte man ganz weglassen. Die ersten begeisterten Kritiker-Stimmen, Staffel drei würde wieder zu den Ursprüngen der gefeierten ersten Staffel zurückkehren, sind spätestens ab der dritten Episode widerlegt. Die Handlung irrt, wie in Staffel zwei, von einer Richtung in die andere.
    "Wissen Sie etwa mehr als ich?"
    "Nein, wir wissen ja nicht, was sie wissen."
    Dabei ist optisch einmal mehr alles blitzsauber, der Cast überzeugt. Serienschöpfer und Autor Nic Pizzolatto - diesmal auch in zwei Folgen Regisseur - zeigt, dass er Kamera, Schnitt und Mise-en-scène perfekt beherrscht, im Drehbuch offenbart er aber erneut eklatante Schwächen.
    "Anders ausgedrückt: Du bist lahmarschig."
    Denn auch daran sollten wir uns erinnern: Schon Staffel eins war erzählerisch nicht das große Meisterwerk, das manche darin sehen wollen. Der Mörder tauchte am Schluss plötzlich aus dem Nichts auf. Besser für alle, die das schon vergessen haben … Die Erinnerung, ja sie ist ein gefährlicher Freund.
    Staffel 3 von "True Detective" ist in Deutschland seit dem 14. Januar 2019 bei Sky Atlantic zu sehen