Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Neue Staffel "Weissensee"
Böse Wessis und fiese Ossis

Zwei Familien, zwei Leben, zwei Schicksale im geteilten Deutschland. Die ARD-Serie „Weissensee“ erzählt in der vierten Staffel die große Geschichte fast ausschließlich am Beispiel der Stasi-Familie Kupfer. Währungsunion, Treuhand, Aktenöffnung, Spanien-Sehnsucht – zu viele Themen für sechs Folgen.

Von Susanne Luerweg | 08.05.2018
    Szene aus der 4. Staffel der Serie "Weissensee": Petra Zeiler (Jördis Triebel) ist beeindruckt vom Kampfgeist ihres Patienten Falk (Jörg Hartmann). Beide stehen an einem Barren.
    Szene aus der 4. Staffel der Serie "Weissensee": Petra Zeiler (Jördis Triebel) ist beeindruckt vom Kampfgeist ihres Patienten Falk (Jörg Hartmann) (ARD/Frederic Batier)
    "Der Mann ist gefährlich."
    "Das bist du auch!"
    Sagt Vera Kupfer zu ihrem Ex-Mann Falk in der vierten Staffel von "Weissensee". Stimmt nicht, möchte man da als Zuschauer rufen. Der ist doch gar nicht mehr fies, der will noch nicht einmal mehr spielen.
    Drehbuchautorin Annette Hess fehlt
    Bei erfolgreichen US-Serien wechseln in der Regel häufig die Regisseure, die Autoren im Hintergrund - die mächtigen Showrunner - bleiben. Es wird zwar im Kollektiv gearbeitet, aber die Ideengeber sind ausschlaggebend und einflussreich. So hat Vince Gilligan "Breaking Bad" seinen Stempel aufgedrückt, David Simon "The Wire", Peter Morgan "The Crown" und Matthew Weiner zeichnet sich für "Mad Man" verantwortlich, um nur einige zu nennen. In der vierten Staffel von "Weissensee" ist nun Friedemann Fromm Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion. Drehbuchautorin Annette Hess, die maßgeblich zum Erfolg beigetragen hat, ist nicht mehr mit an Bord. Der Serie tut das nicht gut.
    "Manchmal weiß ich auch nicht was Schlimmer ist: Korruption, alte Seilschaften oder Inkompetenz."
    Angelegt war die Geschichte als ein Konflikt zweier Familien, Kupfer und Hausmann, welche die gegensätzlichen Pole der DDR bilden - hier Stasibonzen, dort Dissidenten Künstlermilieu. Die Stasi-Familie Kupfer steht fast allein da, die Bohéme- Familie Hausmann ist kaum präsent. Somit fehlt dieser Pfeiler in den neuen Folgen, und damit ein kompletter Handlungsstrang. Denn die Dissidentin Dunja Hausmann - gespielt von der großartigen Katrin Sass - taucht kaum auf. Nur in Rückblenden, nur als Foto in ihrer eigenen Wohnung und als latente Bedrohung im Hintergrund.
    "Hier ist Dunja Hausmann: Sie können mich beschimpfen oder mir eine Nachricht hinterlassen."
    "Frau Hausmann: Ich will mich nicht an Ihnen rächen. Wenn ich das wollte, dann hätte ich das schon längst getan."
    Statt der liebevoll gezeichneten Figuren der ersten Staffel, steht nun eher die ganze Wucht der Historie im Mittelpunkt. Wir schreiben das Jahr 1990, die fiesen Wessis überrennen die ehemalige DDR und wollen einfach nur Kasse machen.
    "Sind sie interessiert an einer Geschichte, wie sich westdeutsche Konzerne mit Hilfe von Ex-MfS-Mitarbeitern ostdeutsches Kapitel unter den Nagel reißen?"
    "Weissensee" will in der neuen Staffel zu viel und verliert dabei seine Protagonisten streckenweise aus den Augen. Da muss die Tochter von Martin Kupfer für eine Modelkarriere nach Italien reisen - und die Serie folgt ihr auch mit der Kamera, bewegt sich weg vom vertrauten Berlin, rein in eine unbekannte, unübersichtliche Szenerie. Die Folge: uninspirierte Bilder, langweiliges Setting. Auch der Ausflug nach Mallorca, den angeblich alle Ostdeutschen so herbeigesehnt haben, darf nicht fehlen.
    Gute Schauspielleistung
    Bei all den Klischees, den überflüssigen Spielorten, ist eines auch in dieser vierten Staffel von "Weissensee" gelungen: Die Schauspieler machen die oft holprige Handlung vergessen. Uwe Kokisch als Hans Kupfer ist nach wie vor beeindruckend, Ruth Reinecke als seine Frau Marlene darf endlich mehr zeigen als in den ersten Folgen. der bisher so beeindruckende Jörg Hartmann, der mit Falk Kupfer die herausragendste Rolle hatte, bleibt leider in jeder Hinsicht auf der Strecke: Er ist nicht mehr fies, er ist nur noch leidend und einfach nicht mehr authentisch.
    "Wenn du nicht gewinnst, bist du ein Verlierer. Wer will das schon sein."
    Es wird viel angesprochen, aber wenig zu Ende geführt. Die Währungsunion. Die unschöne Rolle der Treuhand. Die Stasiakten. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und Repressalien. Die Einführung der D-Mark. Der aufkeimende Rechtsruck. Viel Stoff, viele wichtige Themen, in der Fülle aber leider etwas untergehen.
    Es klingt immer so einfach, wenn es heißt, man solle große Geschichte im kleinen familiären Rahmen erzählen. Aber "Weissensee" zeigt - Friedemann Fromm, Drehbuchschreiber und Regisseur in Personalunion, ist es nicht gelungen. Die Erinnerung an die Wendezeit wird dennoch für Diskussionsstoff sorgen, und das ist vermutlich mehr als viele andere durchschnittliche Serien vermögen.
    "Weissensee" wird - wie auch schon bei Staffel 3 - als Superevent gezeigt, jeweils an drei aufeinanderfolgenden Tagen in Doppelfolgen um 20:15 und 21 Uhr. Wer will, kann sich alte Folgen der Serie in der ARD-Mediathek anschauen.