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Neue Studie
Was Führungskräfte für die Wissenschaft auszeichnet

Führende Wissenschaftler sind überwiegend männlich, offensiv und analytisch begabt, sie hauen, wenn es sein muss, auch mal auf den Tisch und greifen hart durch. Ob sich dieser Wissenschaftler-Typus wirklich als Professor und Manager für Forschungseinrichtungen eignet? Eine neue Studie stellt das in Zweifel.

Von Susanne Lettenbauer | 02.04.2014
    Eine lange Publikationsliste, viele Tagungsvorträge, eine schnelle Forschungskarriere - Professuren werden heute noch immer vor allem aufgrund fachlicher Leistungen besetzt, sagt Studienleiterin Claudia Peus kritisch. Die Anforderungen hätten sich in den vergangenen zehn Jahren aber grundsätzlich verändert, belegen die Ergebnisse ihrer jetzt abgeschlossen Studie “Auswahl und Beurteilung von Führungskräften in Wirtschaft und Wissenschaft”:
    "Eine Führungskraft in der Wissenschaft hat sehr stark eine Rolle wie ein Dirigent, sozusagen die besten Potentiale in den einzelnen Teammitgliedern zum Entfalten zu bringen. Um das zu schaffen, braucht sie zum einen ein Team, was diese Talente vereint und muss dann schaffen, dem Team eine gemeinsame Vision aufzuzeigen, wo wollen wir eigentlich hin."
    Die Generation Y, also die in den 1980er Jahren Geborenen, wollen sich heute immer häufiger auch in der Wissenschaft selbst verwirklichen, flexibler arbeiten, das zeigt die Münchner Tagung. Ein Team wollen längst nicht mehr alle post-docs oder Habilitanden - neben der eigenen Forschungsarbeit - führen. Außerdem fehlen an den Hochschulen in Deutschland die Weiterbildungsangebote hin zur Führungsposition. Erst langsam begreifen die Hochschulen, dass Führen gelernt sein will, meint die Professorin vom Fachgebiet für Forschungs- und Wissenschaftsmanagment der TU München. Sie rät:
    "Gerade wenn die Position eine Leitungsrolle mit sich bringt, größeres Institut, größerer Lehrstuhl, großes Labor oder was auch immer, diese Kompetenzen auch mit in Betracht zu ziehen, weil der reine Fachexperte war möglicherweise in der Vergangenheit als individueller Experte hoch erfolgreich, das heißt aber nicht, dass er oder sie ein Team führen kann."
    Doch wie findet man die geeigneten potentiellen Dekane, Institutsleiter und Leiter von Forschungsgruppen? Headhunter setzt die TU München zwar mittlerweile ein, aber nicht als Königsweg. Schritt eins nach Ann-Christin Achleitner, Lehrstuhlinhaberin Entrepreneurial Finance und als Wissenschaftlerin auch Mitglied mehrer DAX-Aufsichtsräte: Bereits Doktoranden sollten die Grundlagen der Gremienkompetenz an Hochschulen lernen. Dafür bietet München ab Mai im Rahmen einer Tenure-Track-Akademie neuberufenen Assistant Professsoren spezielle Seminare an.
    Personalauswahl beginnt schon bei Formulierung der Stellenausschreibung
    Schritt zwei: Die Stellenausschreibungen müssen verändert werden. Bereits bei der Suche nach potentiellen Leitungsbesetzungen sollten ganz genau die Führungsaufgaben beschrieben sein, so die Psychologin Tanja Hentschel. Vor allem die Wortwahl müsse überdacht werden. Frauen fühlten sich von männlichen Stellenausschreibungen nicht angesprochen:
    "Also wir haben rausgefunden in unserer Forschung, dass sich Männer und Frauen nicht gleich von Ausschreibungen angesprochen fühlen. Also es ist so, dass einige Worte eher männlich konnotiert sind und andere eher weiblich. Zum Beispiel 'Durchsetzungsstärke' ist ein sehr männliches Wort oder auch 'managen' oder 'Führungskraft' sind sehr männliche Wörter und da gibt es eben auch weiblich konnotierte femininere Wörter wie 'engagiert sein', 'Verantwortung übernehmen', was so in die Richtung gehen."
    Die Empfehlung der Expertin für Mitarbeiterführung an der TU Susanne Braun: Die Suche nach Führungskräften nicht mit den Kandidaten anzufangen, sondern universitätsintern abzuklären, welche Qualifikationen erforderlich sind. Dann erst folge die Ausschreibung und:
    "Daran anknüpfend eben strukturierte Auswahlgespräche zu führen und tatsächlich dann auch Proben des Arbeitsverhaltens zu nehmen, also Arbeitsproben um die Entscheidung strukturiert durchzuführen."
    Dass das während der Studie entwickelte sechsstufige Auswahlverfahren tatsächlich die benötigten Führungskräfte an die Hochschulen bringt, sei schwierig zu beurteilen. Allein die Abgabe von Arbeitsproben, möglicherweise sogar schriftlich und mündlich, neben der eigentlichen Forschungstätigkeit, schreckte die Probanden während des Projektes ab, gibt die Projektleiterin zu. Wer sich dennoch dem Verfahren stelle, dem könne ein Institut, eine Forschungsgruppe oder ein ganzes Dekanat hinterher problemlos anvertraut werden.