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Neue Theorie
Wie kam die Erde zu ihrem Mond?

Über die Entstehung des Mondes gibt es viele Theorien. Als wahrscheinlich galt jedoch bisher, dass einst ein anderer Planet mit der Erde kollidierte und der Mond beim Zusammenprall herausgeschlagen wurde. Wissenschaftler haben nun in der Zeitschrift Science ein neues Modell vorgestellt.

Von Guido Meyer | 10.01.2017
    Mond und Erde fotografiert vom DSCOVR-Satelliten
    Mond und Erde fotografiert vom DSCOVR-Satelliten (dpa / picture alliance / NASA)
    Das Sonnensystem sah nicht immer so aus wie heute. Kurz nach seiner Entstehung, vor 4,5 Milliarden Jahren, gab es mehr als acht Planeten. Einer dieser frühen Planeten soll Theia geheißen und die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne quasi verfolgt haben – solange, bis es zur Kollision kam, erklärt der Physiker Otto Eugster von der Abteilung für Weltraumforschung und Planetenwissenschaften der Universität Bern.
    "Bei diesem Zusammenstoß wurde sehr viel Material freigesetzt, das sich dann um die Erde herum zum Mond zusammenballte. Der Mond ist eigentlich eine Mischung aus irdischem Material, das weggeschleudert wurde, und aus diesem einschlagenden Körper."
    Der Protoplanet Theia soll den Mond aus der Erde geradezu herausgeschlagen haben. Dabei muss es sich um eine Art Streifschuss gehandelt haben. Nur bei einem seitlichen Treffer werden beide Planeten bei einer Kollision nicht komplett zerstört, ergänzt der Geophysiker John Rudge von der Abteilung für Erdwissenschaften der Universität von Cambridge.
    Kritik an Impakt-Theorie
    "Simulationen zeigen uns, dass sich die Überreste Theias auf Erde und Mond aufgeteilt haben. Beispielsweise finden sich in beiden Himmelskörpern gleich viele Isotope des chemischen Elements Wolfram. Sie müssen also einen gemeinsamen Ursprung haben."
    Wolfram lässt sich sowohl im Erdmantel nachweisen als auch in Mondgestein. Dies muss aber keinesfalls ein Hinweis auf einen hypothetischen Planeten Theia sein. Denn diese Elementverteilung zeige nur, dass der Mond fast nur aus Material der Erde bestehe, argumentiert die Planetenwissenschaftlerin Raluca Rufu vom Weizman Institut für Wissenschaft im israelischen Rehovot. Ihr Team hält die Impakt-Theorie nicht für überzeugend.
    "Wir finden auf dem Mond kein Material, das von dem Impaktor stammt. Das eingeschlagene Objekt könnte auch zufällig aus dem gleichen Material bestanden haben wie die Erde. Solche Himmelskörper gibt es im Sonnensystem aber nicht. Unser Nachbarplanet Mars beispielsweise hat einen völlig anderen Aufbau."
    Daraus folgert das israelische Forscherteam, dass der Planet Theia – sollte es ihn überhaupt gegeben haben - nie mit der Erde kollidiert sei.
    Mehrere Einschläge kleinerer Objekte?
    "Wir schlagen ein Modell vor, wonach es mehrere Einschläge kleinerer Objekte auf der Erde gegeben hat. Das wären immer noch gigantische Einschläge, aber nicht mehr so groß wie bislang angenommen. Diese Himmelskörper hätten etwa die Größe des späteren Mondes gehabt, nicht die des Planeten Mars. Durch ihren Aufprall wurde irdisches Material in eine Erdumlaufbahn geschleudert. Dort ordnete es sich zunächst scheibenförmig an. Später klumpten sich diese Gesteinsbrocken zu einem Minimond zusammen."
    Dieser Ablauf soll sich etwa zwanzigmal wiederholt haben - zwanzig Einschläge, zwanzig Minimonde. Danach habe es genügend Material in der Umlaufbahn gegeben, um daraus den Mond heutiger Größe und Masse zu bilden. Mit dieser Theorie wollen die Forscher gleich mit zwei Problemen aufräumen: mit dem zufälligen Winkel, den ein Planet Theia bei seinem Streifschuss hätte einschlagen müssen, und mit der größtenteils identischen Zusammensetzung von Erde und Mond. Denn gemäß dieser Theorie wäre es zum Großteil irdisches Gestein gewesen, das kleinere einschlagende Objekte ins All geschleudert hätten. Zu diesem Ergebnis ist auch ein amerikanisch-schweizer Forscherteam um die Geochemikerin Junjun Zhang von der University of Chicago gekommen.
    "Wir haben Gestein vom Mond und von der Erde untersucht. Dabei zeigte sich, dass das Verhältnis von Titan-Isotopen in beiden Proben genau gleich ist. Es ist unwahrscheinlich, dass ein einschlagendes Objekt zufällig über genau die gleiche Isotopen-Verteilung wie die Erde verfügt hätte."
    Dies ist zwar noch kein Beweis, macht die Existenz von Theia aber zumindest etwas unwahrscheinlicher ...