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Neue Tierseuchen
Gefahr im Stall

Tierseuchen wie das Schmallenberg-Virus oder die Blauzungenkrankheit werden oft aus anderen Ländern eingeschleppt. Nicht nur die Tiere leiden darunter, auch die Halter haben einen wirtschaftlichen Schaden. Das Friedrich-Loeffler-Institut beobachtet Tierseuchen, die sich Mitteleuropa nähern.

Von Joachim Budde | 30.01.2017
    Gesunde Kälber stehen in einem Stall in Wunstorf (Region Hannover).
    Das Schmallenberg-Virus verursacht u.a. Fehlgeburten bei Tieren. (dpa)
    Im Sommer 2011 fielen Bauern in Schmallenberg im Sauerland Rinder mit Fieber auf. Nach wochenlangen Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Tiere mit einem neuen Virus infiziert waren. Bei ausgewachsenen Tieren blieben die Symptome mild, im Frühling 2012 zeigte sich aber, dass der Erreger schwere Schäden verursachte – Fehlgeburten waren die Folge.
    Noch bis 2014 hielt das Virus Viehzüchter in Atem. Je mehr Tiere jedoch einen Immunschutz gegen den Erreger entwickelten, umso ruhiger wurde es, sagt Thomas Mettenleiter. Aber auch fünf Jahre später steht für den Präsidenten des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit auf der Insel Riems fest:
    "Schmallenberg ist nicht verschwunden, es sind zwar jetzt in der Zwischenzeit nur sehr, sehr wenige Fälle, aber es kommen bei uns immer wieder Proben rein, die auf Schmallenberg dann positiv getestet werden, das heißt also, der Erreger ist weiter bei uns in der Nutztierpopulation vorhanden."
    Häufig milder Krankheitsverlauf
    Mit Spannung beobachten die Forscher am Friedrich-Loeffler-Institut, wie sich die Situation weiter entwickelt. Die Krankheit verläuft meist so mild, dass sie nicht entdeckt wird. Daher könne es sein, dass das Virus immer noch in erheblichem Umfang zirkuliere. Oder es stehen jetzt wieder viele Tiere ohne Immunschutz da, weil sie erst nach der Epidemie geboren wurden und noch nicht mit dem Virus in Berührung gekommen sind.
    "Wir haben ja auch ganz am Anfang gesehen, wie schnell sich Schmallenberg-Virus nach der Erstbeschreibung 2011 dann über fast den gesamten europäischen Kontinent ausgebreitet hat, weil eben eine voll empfängliche Wiederkäuerpopulation vorhanden war. Die Population wird wieder empfänglicher, das heißt, so was lässt sich in Zukunft sicherlich nicht völlig ausschließen."
    Krankheiten auf dem Weg nach Europa
    Das Schmallenberg-Virus gehört zu den Orthobunyaviren. Diese Erreger kamen bis vor fünf Jahren lediglich in Afrika, Asien und Australien vor. Mit großer Sorge sieht man beim Friedrich-Loeffler-Institut aktuell eine Reihe anderer Krankheiten, die bislang auf die Tropen und Subtropen beschränkt waren, inzwischen aber Richtung Zentraleuropa unterwegs sind, sagt Thomas Mettenleiter.
    "Wir sehen ja doch einiges, was im Moment so um uns herum passiert, das ist die Afrikanische Schweinepest im Osten, das ist die Blauzungenkrankheit Typ 8 im Westen, Typ 4 im Südwesten, also da ist schon Einiges, was sich tut und zu diesem Komplex gehört sicherlich auch die Lumpy Skin Disease."
    Die Blauzungenkrankheit ist auch in Deutschland schon seit Jahren heimisch – wenngleich ein anderer Strang. Gegen diese Viren gibt es immerhin Impfstoffe. Das Virus der Lumpy Skin Disease oder Knötchenkrankheit verursacht bei Rindern Fieber und Knötchen in der Haut. Auch dieser Erreger kann Fehlgeburten verursachen. Ursprünglich kommt er aus Afrika, hat sich aber inzwischen in die Türkei und auf den Balkan ausgebreitet, sagt Franz Conraths. Er leitet das Institut für Epidemiologie am Friedrich-Loeffler-Institut.
    "Die Grenzlinie ist im Moment etwa so in der Mitte Serbiens bis nach Bulgarien rüber, Rumänien ist bisher nicht betroffen. Das ist im Moment ungefähr so die Linie, an der die Fälle, die bekannten Fälle diagnostiziert worden sind."
    Insekten schleppen Krankheiten ein
    Wie alle vier Krankheiten wird auch die Knötchenkrankheit durch Insekten oder Zecken übertragen. Weil schon seit fünf Jahren keine Rinder mehr aus betroffenen Gebieten nach Deutschland gekommen sind, sieht Franz Conraths in erster Linie über die Insekten ein Einschleppungsrisiko.
    "Dass sie eben so als blinde Passagiere sage ich mal, so auf Transporten mitgeführt werden könnten, das können wir nicht ausschließen."
    All diese Seuchen sind für den Menschen harmlos, sie verursachen aber Leid bei den Tieren und wirtschaftliche Schäden bei den Bauern – vor allem weil die Landwirte keine Tiere mehr verkaufen könnten. Das ist die große Gefahr auch bei der Afrikanischen Schweinepest. Dieses Virus verbreitet sich seit 2007 vom Kaukasus aus und ist Anfang 2014 in die baltischen Staaten und nach Polen vorgedrungen.
    "Innerhalb dieser Länder ist es zu einer starken Ausbreitung gekommen, insbesondere in der Wildschweinepopulation, wo das Virus, also wie diese Virusinfektion sehr, sehr schwer unter Kontrolle zu bringen ist. Während man bei den Hausschweinen die Ausbrüche dann relativ schnell und konsequent bekämpfen konnte, muss man leider feststellen, dass die Infektion bei den Wildschweinen, die endemisch geworden ist, das heißt eigentlich jetzt permanent dort vorhanden ist."
    Speiseabfälle als Risiko
    Das Ansteckungspotenzial der Afrikanischen Schweinepest ist größer als bei den drei anderen Krankheiten, weil sich der Erreger auch über Fleisch- und Wurstwaren verbreitet, die aus infizierten Tieren hergestellt wurden. Es würde ausreichen, wenn ein Wildschwein ein weggeworfenes Wurstbrötchen frisst, sagt Franz Conraths.
    "Deshalb versuchen wir jetzt, seit also diese ersten Fälle dort aufgetreten sind, auf den verschiedensten Ebenen dafür zu sorgen, dass die Menschen, die in diese Regionen reisen oder von dort aus zu uns kommen, über diese Risiken informiert sind, und dann eben Speiseabfälle ordnungsgemäß entsorgen, zum Beispiel wenn sie mit dem Auto unterwegs sind an den Raststätten in entsprechende Mülleimer und sie auf gar keinen Fall einfach Speisereste so während der Fahrt aus dem Fenster befördern."
    Ob es einfacher ist, Insekten oder den Überträger Mensch unter Kontrolle zu halten, wird sich noch herausstellen.