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Neue Unbekümmertheit

Medizin. - Heute wurde in Berlin der Deutsche Aids-Kongress eröffnet. Den Aids-Experten bereitet die wieder um sich greifende Unbekümmertheit im Umgang mit dem Virus Sorgen.

    Die Zahl der an sexuell übertragbaren Krankheiten erkrankten Personen steigt in Deutschland wieder an. Interviewserien belegen, dass auch beim Thema Aids offenbar eine lässigere Einstellung um sich greift. Besonders gefährdet ist die jüngere Generation, die zwar über das Risiko der Immunschwächekrankheit informiert ist, allerdings immer seltener geeignete Schutzmaßnahmen ergreift. Ein Kondom wird vielleicht noch beim ersten Geschlechtsverkehr verwendet, doch oft schon beim zweiten Mal verzichtet man darauf. In der Berliner Aids-Schwerpunktpraxis von Dr. Elke Lauenroth-Mai sind die Folgen der neuen Lässigkeit zu spüren. "Die Sorglosigkeit hat zugenommen, ein positive Ergebnis des HIV-Tests dem Partner mitzuteilen. Außerdem gehen die jungen Leute unbeschwert mit einer eventuellen Therapie um", erklärt die Medizinerin.

    Dabei wird die Therapie das restliche Leben des Patienten begleiten, denn eine Heilung gibt es noch nicht. Und die Nebenwirkungen sind nicht ohne. Werden die Patienten anfangs von Übelkeit oder Durchfall geplagt, macht sich nach einiger Zeit die Veränderung des Stoffwechsels durch die Aids-Medikamente bemerkbar. Die Arme und Beine werden dünner, ebenso das Gesicht. Stattdessen lagert sich das Körperfett im Nacken oder in der Bauchregion an. "Das kann durchaus ein gesundheitliches Problem werden, zum Beispiel Darmbeschwerden oder Schwierigkeiten beim Atemholen bei den Fettansammlungen im Bauchbereich", erklärt Lauenroth-Mai. Der verdickte Nacken kann manchmal zu Schlafproblemen führen. Weil überdies der Blutfettgehalt steigt, nimmt auch das Herzinfarkt-Risiko zu. An einer Lösung für diese Probleme wird derzeit noch gearbeitet, etwa indem eine Komponente der Therapie, die Proteasehemmer, zeitweise ausgesetzt werden und ihre Wirkung durch andere Medikamente übernommen wird. Möglicherweise mindern auch bestimmte Diabetesmedikamente die Nebenwirkungen der Aidstherapie, aber das muss erst noch gründlicher erforscht werden.

    [Quelle: Volkart Wildermuth]