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Neue und alte Arbeiten von Franz Ackermann in Hannover

In seinen Arbeiten reflektiert der Maler Franz Ackermann, wie Tourismus in Kultur-Terrorismus umschlägt. Seine kleinformatigen "Mental Maps" entstehen während seiner Reisen. Sie sind subjektive, Bild gewordene Protokolle, in denen er vor Ort gewonnene Eindrücke mit fiktiven Elementen vermischt. Die Kestnergesellschaft in Hannover widmet sich derzeit dem Werk von Franz Ackermann in einer Ausstellung.

Von Carsten Probst |
    Pink Floyd "Breathe Reprise":
    "Home, home again.
    I like to be here when I can.
    When I come home cold and tired.
    It's good to warm my bones beside the fire..."

    "Zuhaus, wieder daheim./Ich liebe es, so oft ich kann, hier zu sein./ Wenn ich nach Hause komme, müde und kalt,/Tut es gut, meine Knochen am Feuer zu wärmen...." - singen Pink Floyd auf ihrem berühmten Album "Dark Side of the Moon". Franz Ackermann hat diesen Ohrwurm der siebziger Jahre zum Titel einer seiner großen Installationen gemacht.

    "Home, home again" - dazu erwartet einen, wie sollte es anders sein, die blanke Katastrophe. Sieben ziemlich großformatige Gemälde, auf denen sich in wohlkomponierter Weise, das blanke Chaos ausbreitet: Schrille Rot-, Rosa-, Gelb-, Grün- und Blautöne wirbeln in Fetzen über die Leinwände. Dazu erkennt man nach und nach einzelne Gegenstände oder Gebilde: Ein Düsentriebwerk, eine Flugzeugkanzel, Trümmerstücke und architektonische Andeutungen.

    Eines der Gemälde im Zentrum des Saals fällt mit einem weißen Hintergrund auf, über den sich zahllose filigrane, wie mit Graphitstift gezogene Linien ziehen, die sich als Netzwerk verbinden wie die Schiffsrouten auf historischen Weltkarten. Hier aber ist es ein abstrakter Grundriss der Stadt London. Darin jedoch öffnen sich gallertartige Gebilde wie Blasen oder Wunden, die einen schwarzroten, höllischen Hintergrund freigeben.

    Davor haben Ackermann und sein zehnköpfiges Team auf einem spinnennetzartigen Farbgeflecht Kanister, Behälter aller Art abgestellt, wie man sie eben im Katastrophenfall zur Selbstversorgung braucht, aus denen hier jedoch zum Teil bunte Lifestyle-Magazine hervorquellen. Und als wäre das noch nicht genug, ist der ganze Saal umrahmt von einem Band aus Urlaubsfotografien mit Hotels auf der deutschen liebsten Ferieninsel Mallorca, die ins Fadenkreuz imaginärer terroristischer Waffensuchersysteme geraten zu sein scheinen.

    Die beeindruckende Dynamik, die Franz Ackermanns Gemälde und Installationen erzeugen, täuscht leicht über den höchst disziplinierten, enorm verdichteten Charakter seiner Malerei hinweg. Der 1963 im bayerischen Neumarkt St. Veit geborene Ackermann ist kein junger Wilder, sondern ein intellektueller und seine Mittel genau kalkulierender Maler, der sein Publikum dazu zwingt, sich Zeit zu nehmen, um erst nach und nach in die verschiedenen Schichten seiner Bilder einzudringen.

    "Home, home again" ist, wie so viele von Ackermanns Werken, eine Installation über das Reisen, über Tourismus und Terrorismus, über die westlichen Utopien der idealen Fremde, der Freiheit als Freizeit und der Träume vom mühelos erfüllten Leben, während zugleich die tödlichen Utopien des Terrorismus und mediengerecht inszenierte Katastrophen die Realität bestimmen. So gesehen sind Ackermanns Installationen nichts anderes als ein Stück gegenwärtiger Weltmechanik, ein aktuelles Panorama, das sich passenderweise in buntesten und zugleich giftigsten Pop-Farben präsentiert.

    Doch diese Pop-Welt kommt ganz anders daher als die abgründig schrillen Freizeitwelten eines John M. Armleder, der zufällig zur gleichen Zeit im Kunstverein Hannover nur ein paar Schritte von der Kestnergesellschaft entfernt eine Ausstellung hat. Ackermann geht es letztlich immer darum, seine Malerei zu verräumlichen. Das, so sagt er von sich selbst, sei sein Versuch, die Malerei auf Schritt mit der Realität zu halten, sie dagegen zu behaupten.

    Auch bei einer riesigen Installation wie "23 Gespenster" im Nebensaal dominieren letztlich die intensiven Farbkompositionen Ackermanns, obwohl einem hier vor allem erst einmal riesige Kunstpalmen, ein großer Tierkäfig, mehrere Boote und ein schummriger Rotlichtbezirk entgegenkommen und wiederum die typische Urlaubslandschaft assoziieren lassen. Auf Monitoren blinken Leuchtreklamen, und dazu drehen sich beständig zwei buntabstrakte, kreisrunde Gemälde im Raum, als hätte sich die Malerei selbst längst der Werbung angeschlossen.

    Riesige Leinwände leuchten durch diese stillgestellte Urlaubs- und Bootshafenszenerie wie Billboards mit schwülen Sonnenuntergangsfarben oder maritimen Blautönen. Und ganz langsam kippt auch dieses Raum-Bild wieder, von der Urlaubslandschaft zur Anlandestelle für Bootsflüchtlinge aus Afrika, daher die Schaluppen, daher der Käfig. Das Urlaubsparadies als Außenposten der Festung Europa. Der Konflikt entsteht im Auge des Betrachters.