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Neue Vorsitzende des Wissenschaftsrates
"Das Thema Digitalisierung wird eine Herausforderung"

Das komplexe Thema Digitalisierung und Wissenschaft werde ihre Arbeit als Vorsitzende des Wissenschaftsrates prägen, sagte Dorothea Wagner im Dlf. Sie wolle sich einzelne Ausschnitte vornehmen - dann sei es auch bewältigbar, Empfehlungen zu den unterschiedlichen Bereichen zu erarbeiten.

Dorothea Wagner im Gespräch mit Sandra Pfister | 31.01.2020
Dorothea Wagner, Vorsitzende des Wissenschaftsrates
Dorothea Wagner freue sich auf die Aufgabe als neue Vorsitzende des Wissenschaftsrates, die Argumente für Empfehlungen zu schärfen, sagte sie im Dlf (KIT)
Der Wissenschaftsrat ist das wichtigste wissenschaftliche Beratungsgremium der Bundesrepublik. 54 Menschen – Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die der Bundespräsident beruft, und hochkarätige Wissenschaftler – beraten deutsche Politiker, wo es für die deutschen Forschungsinstitute und Unis in Zukunft langgehen soll. Der Wissenschaftsrat arbeitet also eher bedächtig und achtet darauf, sich aus den politischen Interessenkollisionen herauszuhalten. Zugleich hat er zusammen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Exzellenzinitiative durchgeführt. Heute hat die bisherige Vorsitzende des Wissenschaftsrates Martina Brockmeier ihren letzten Tag und ab morgen übernimmt Dorothea Wagner die Führung. Sie ist Professorin für Informatik am Karlsruher Institut für Technologie.
Sandra Pfister: Frau Wagner, über Ihre Vorgängerin, über Martina Brockmeier, haben viele gesagt, dass sie das Tempo liebt und dass sie immer auf die Tube drückt. Was sagt man denn über Sie?
Dorothea Wagner: Wenn Sie damit darauf anspielen, dass Frau Brockmeier gerne schnelle Autos fährt, dann muss ich passen, das trifft für mich nicht zu, ich bin eine passionierte Bahnfahrerin. Aber ich glaube, wir haben sogar einiges gemeinsam, Frau Brockmeier und ich, nämlich eine zielorientierte, geradlinige Arbeitsweise.
Pfister: Also egal mit welchem Verkehrsmittel Sie da hinkommen – die eine mit dem Auto, die andere mit der Bahn –, Sie wollen was erreichen.
Wagner: Ja, so könnte man es sagen.
Digitalisierung und Wissenschaft wird Hauptthema
Pfister: Was glauben Sie denn, was Ihre größte Herausforderung wird, Ihr schwierigstes Thema?
Wagner: Meine Vorgängerin hat ja vor allem zwei sehr, sehr schwierige Herausforderungen gemeistert. Das eine war das Papier zum Hochschulpakt 2018, das Zweite war sicher die Entscheidung der zweiten Förderlinie der Exzellenzstrategie im letzten Sommer, die ja zu einem Ergebnis geführt hat, das auf ganz breite Zustimmung gestoßen ist. Bei mir ist es vielleicht eher das übergeordnete Thema Digitalisierung und Wissenschaft, das die Arbeit in den nächsten ein, zwei Jahren prägen wird. Und dort fundierte Empfehlungen zu geben, das ist schon eine Herausforderung.
Pfister: Eine Herausforderung, weil es nicht genug Fachexpertise dazu gibt, weil das alles Neuland ist?
Wagner: Eine Herausforderung, weil das Thema als Ganzes sehr komplex ist. Meine Herangehensweise ist eher, einzelne Ausschnitte sich vorzunehmen. Und dann ist es, denke ich, auch bewältigbar, zu einzelnen Ausschnitten, zu denen der Wissenschaftsrat Empfehlungen abgeben kann, auch solche Empfehlungen zu erarbeiten. Ich sag mal ein, zwei Beispiele: Ein Beispiel ist tatsächlich ein Empfehlungspapier, das wir bald vorlegen werden zum Wandel der Wissenschaften durch datenintensive Forschung. Andere Themen, zu denen wir uns äußern können und auch werden, sind Open Access und hoffentlich auch Digitalisierung in der Lehre. Jedes einzelne dieser Themen ist auch nicht so einfach in den Griff zu bekommen.
"Empfehlungen, an die Politiker sich auch halten sollten"
Pfister: Sie haben gerade schon von dem ersten Empfehlungspapier gesprochen, das Sie rausgeben werden. Nun ist es ja so, dass der Wissenschaftsrat tatsächlich vor allem durch viele solche Gutachten und Empfehlungspapiere berät. Kritiker sagen nun, wir haben eine Inflation von Gutachten, wir haben ein total aufgeblähtes Begutachtungswesen, eigentlich herrscht ja kein Mangel an Gutachten und Expertise, sondern an deren Umsetzung und an der Entschlussfreudigkeit der Politik. Was sagen Sie dazu?
Wagner: Im Zusammenhang mit dem Wissenschaftsrat spricht man besser von Empfehlungen als von Gutachten, und ich sag mal, die geniale Konstruktion des Wissenschaftsrates ist ja, dass er die Politik miteinbezieht. Die Hälfte des Wissenschaftsrates sind ja die Vertreter von Bund und Ländern, das heißt, so eine Empfehlung, die vom Wissenschaftsrat abgegeben wird, wird am Schluss eben von dem ganzen Gremium – einerseits den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sozusagen Fachexpertise einbringen, aber andererseits eben auch von denjenigen, die die Empfehlungen umsetzen müssen – gemeinsam sozusagen erarbeitet und verabschiedet. Bund und Länder schreiben sich ja nicht irgendwelche Aufgaben sozusagen in die Empfehlungen, von denen sie vorher schon wissen, dass sie sie nicht umsetzen können. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass die Empfehlungen schon so sind, dass Politik und die Vertreter von Bund und Ländern, die Politik sich darüber im Klaren ist, wir haben hier Empfehlungen abgegeben, an die sie sich auch halten sollten.
"Der größte Einfluss besteht im Argumente schärfen"
Pfister: Sie haben das gerade ganz gut beschrieben, dieses Zwitterhafte des Wissenschaftsrates, die Politik einerseits und dann die davon völlig unabhängige wissenschaftliche Kommission, die sich irgendwie zusammenraufen müssen. Sie werden als die wichtigste Wissenschaftsberaterin der deutschen Politik beschrieben – wie viel Einfluss haben Sie tatsächlich?
Wagner: Ich habe natürlich als Vorsitzende des Wissenschaftsrates auch Einfluss auf die Themen, die gewählt werden. Ansonsten ist wahrscheinlich sogar der größere Einfluss der, den man hat, als die Person, die diese Empfehlungen des Wissenschaftsrates nach außen vertritt und auch in andere Bereiche trägt, also dann auch noch mal die Argumente schärft, warum bestimmte Empfehlungen abgegeben werden. Auf die Aufgabe freue ich mich auch schon.
"Ich habe mich sehr stark eingesetzt für Frauen in der Wissenschaft"
Pfister: Es gibt noch mehr Personalwechsel gerade in den großen Tankern der deutschen Wissenschaft, des deutschen Wissenschaftsbetriebes: Peter Strohschneider ist gerade gegangen, der Vorsitzende der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ihm folgt auch eine Frau nach, eine Biochemikerin und Medizinerin. Es ist also viel Umbruch an den Spitzen, und da kommt auch auf einmal Frauenpower hoch. Sie kommen ja nun als Informatikerin aus einer kompletten Männerdomäne – wie viel Feministin steckt in Ihnen?
Wagner: Zunächst mal finde ich es grandios, dass die DFG jetzt zum ersten Mal eine Präsidentin hat, und es ist auch bemerkenswert, dass jetzt im Vorsitz des Wissenschaftsrates in unmittelbarer Folge zwei Frauen gewählt wurden, nachdem eben zwischen der ersten Vorsitzenden und der zweiten Vorsitzenden des Wissenschaftsrates 20 Jahre vergehen mussten. Das ist schon bemerkenswert. Aber es stimmt, was mich persönlich betrifft, und ich sag mal der Umgebung, in der ich mich so normalerweise in der Informatik bewege, da ist es schon oft so, dass ich die einzige Frau bin in einem Gremium oder die erste Frau in einer bestimmten Position. Ich hab mich in der ganzen Zeit sehr stark auch eingesetzt für Frauen in der Wissenschaft, bin auch Mentorin von Nachwuchswissenschaftlerinnen, ich hab mir in der Zeit aber auch ein bisschen was von den Männern abgeguckt, nämlich dass man Niederlagen auch sportlich nehmen kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.