Archiv


Neue Waffe gegen Hepatitis C

Medizin. – Die Leber ist die größte Drüse des menschlichen Körpers – ohne sie können viele giftige Stoffwechselprodukte nicht entsorgt und wesentliche Proteine nicht hergestellt werden. Daher gilt das Augenmerk der Pharmaforscher auch der Entwicklung neuer Abwehrstrategien gegen Erreger, um das wichtige Organ vor Infektionen zu schützen. So bestehen bereits seit langem Impfungen gegen die durch Viren hervorgerufenen Hepatitiden des Typs A und B. Jetzt stellten US-Wissenschaftler erstmals auch eine Impfung gegen das gefährliche Hepatitis C-Virus vor, die in einer klinischen Studie erprobt wird.

    Bereits seit 1989 ist das so genannte Hepatitis C-Virus bekannt. Für 60 bis 80 Prozent der Infizierten löst der tückische Erreger eine Reaktion des Immunsystems aus, in deren Folge eine schleichende Entzündung der Leber beginnt. Dem fortschreitenden Untergang des Organs ist dann in vielen Fällen kaum mehr etwas entgegenzusetzen. Jetzt, erst 14 Jahre später, startet die erste Impfstoffstudie in den USA, berichtet Adrian Di Bisceglie, Leiter des Leberzentrums an der Universität von Saint Louis. Doch der Mediziner weiß auch, warum der Weg zu einem ersten Impfansatz so weit war, denn das Virus ist ein schwerer Gegner: Schnell wandelt es sein Aussehen und entzieht sich so der Wiedererkennung durch das Immunsystem. Außerdem existieren zahlreiche unterschiedliche Stämme des Erregers, die die Suche nach einem einheitlichen Ansatzpunkt für eine Impfstrategie erschweren. Selbst der Körper reagiert meist nur schwach auf den Eindringling, so Di Bisceglie: "Wir sehen keine wirklich starken Immunreaktionen auf eine Infektion."

    Den körpereigenen Abwehrwall glauben Pharmakologen des US-Unternehmens Chiron jetzt aber deutlich verstärken und besser auf das Hepatitis C-Virus vorbereiten zu können. Mittels bestimmter Bruchstücke aus der Hülle des Virus soll das Abwehrsystem auf den Erreger trainiert werden und passende Antikörper produzieren, die eindringende Hepatitis C-Viren schnell abfangen und unschädlich machen sollen. "Der Impfstoff enthält die Hüll-Proteine E1 und E2 aus der Virus-Hülle. In der ersten Phase unserer Studie wollen wir wissen, ob der Impfstoff eine entsprechende Immunantwort beim Menschen auslöst, ob Antikörper gebildet werden." Daraus wollen die Wissenschaftler lernen, ob und wie das Immunsystem auf die Bausteine des viralen Körpers reagiert. Dazu werden zunächst 45 Freiwillige den experimentellen Impfstoff erhalten. Doch übertriebene Erwartungen dämpft Di Bisceglie sofort, denn die beiden Hüllproteine stammten von nur einer, allerdings weit verbreiteten Virusvariante. "Insgesamt kennen wir heute sechs Genotypen des Hepatitis C-Virus. Der Impfstoff enthält die Hülleiweiße von häufigsten Genotyp 1a. Das ist der Genotyp. Ob unser Impfstoff auch gegen die anderen Genotypen schützen wird, das können wir jetzt noch nicht sagen."

    Dass aber der Impfstoff in jedem Fall eine Ansteckung mit dem Hepatitis C-Virus 1a verhindern kann, glaubt Di Bisceglie nicht: "Meine Hoffnung ist, dass die Impfung vor einer chronischen Leberentzündung schützen kann. Tierversuche an Schimpansen deuten darauf hin, dass der Impfstoff tatsächlich verhindern kann, dass die Infektion chronisch wird." Immerhin, so belegen die Experimente, konnte die Zahl an chronischen Leberentzündungen bei den Affen auf zehn bis 20 Prozent gesenkt werden. Bestätigte sich dieses Ergebnisse in der Kleinstudie am Menschen, wäre damit ein wichtiger Schritt getan, denn chronische Hepatitiden gehen langfristig mit einem hohen Risiko für schwere Leberschäden einher und gelten auch als Wegbereiter für Leberkrebs. In jedem Fall werde noch viel Forschungsarbeit zu bewältigen sein, um den Impfstoff so weiter zu entwickeln, dass er auch vor anderen Virusvarianten schützt, meint der Mediziner. Doch dieser Aufwand sei mehr als gerechtfertigt, denn die Gefahr werde noch immer unterschätzt: "Hepatitis C ist weltweit ein riesiges Problem. Wir schätzen, dass rund 170 Millionen Menschen auf der Welt mit dem Virus infiziert sind. Die Hepatitis sollte also höchste Priorität für die Gesundheitsbehörden in jedem Land haben."

    [Quelle: Martin Winkelheide]