Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Region Sverdlovsk:
"Es ist sehr gut, dass unsere Industrie jetzt wieder staatliche Rüstungsaufträge bekommt. Nach dem Krieg im Kaukasus müssen wir unsere Lage überdenken, Armee und Waffen modernisieren. Wir Russen haben das Vertrauen verloren. Warum rückt die NATO immer näher an unsere Grenzen heran?"
Und ein ehemaliger Ingenieur der kerntechnischen Anlage "Majak", der heute keine Bomben mehr bauen will:
"Truppenbewegungen! Seit dem Georgien-Krieg sind sie hier überall unterwegs, zu irgendwelchen Manövern. Mit wem wollen die denn bloß kämpfen, in Gottes Namen! Mit den Amerikanern etwa?"
Gesichter Europas: "Neue Waffen für den Kreml? Russland zwischen Angst und Großmachtstreben". Mit Reportagen und Porträts von Andrea Rehmsmeier. Am Mikrofon begrüßt Sie Susanne El Khafif.
Die Beziehungen zwischen der NATO und Russland sind belastet. In diesen Tagen mehr denn je:
Washington will seine Raketenabwehr in Polen und Tschechien errichten, Moskau droht mit der Stationierung von Iskander-Raketen in Kaliningrad. Jahre, nein Jahrzehnte politischen Ringens um eine Abrüstung scheinen damit umsonst. Was erklären könnte, warum die Verträge, eben jene Abrüstungverträge, heute zur Disposition stehen: Sie wurden einseitig gekündigt, sie liegen "auf Eis", sie laufen aus, ohne dass eine Fortführung in naher Zukunft anstünde. Gleichzeitig sind weltweit die Rüstungsausgaben gestiegen, um fast ein Drittel, vor allem in den USA.
Und dann war da noch der Kaukasus-Krieg, im Sommer dieses Jahres, ein Krieg, der erneut in zwei Lager teilte; und der Feindbilder wieder auferstehen ließ, die eigentlich der Vergangenheit anzugehören schienen. Ein Wort macht seitdem die Runde: Es kündet vom "Neuen Kalten Krieg". Und, in diesem "Neuen Kalten Krieg" stehen sich zwei Konfliktparteien gegenüber: Die NATO und Russland.
Schukowski - eine Stadt etwa 35 Kilometer südöstlich von Moskau - will heute "Stadt der Wissenschaft" sein, das Zentrum der russischen Luft- und Weltraumfahrt, eine Stadt, in der vor allem an zivilen Projekten gearbeitet wird. Und dann gibt es die Vergangenheit. Eine Vergangenheit, in der die Stadt mitsamt ihrer Institute für die Erforschung und Entwicklung von Kampfflugzeugen stand.
Der Mythos, der Schukowski anhängt, ist geblieben; geblieben ist auch die Bewunderung der Menschen für das, was dort entwickelt wurde.
"Es ist sehr gut, dass unsere Industrie jetzt wieder staatliche Rüstungsaufträge bekommt. Nach dem Krieg im Kaukasus müssen wir unsere Lage überdenken, Armee und Waffen modernisieren. Wir Russen haben das Vertrauen verloren. Warum rückt die NATO immer näher an unsere Grenzen heran?"
Und ein ehemaliger Ingenieur der kerntechnischen Anlage "Majak", der heute keine Bomben mehr bauen will:
"Truppenbewegungen! Seit dem Georgien-Krieg sind sie hier überall unterwegs, zu irgendwelchen Manövern. Mit wem wollen die denn bloß kämpfen, in Gottes Namen! Mit den Amerikanern etwa?"
Gesichter Europas: "Neue Waffen für den Kreml? Russland zwischen Angst und Großmachtstreben". Mit Reportagen und Porträts von Andrea Rehmsmeier. Am Mikrofon begrüßt Sie Susanne El Khafif.
Die Beziehungen zwischen der NATO und Russland sind belastet. In diesen Tagen mehr denn je:
Washington will seine Raketenabwehr in Polen und Tschechien errichten, Moskau droht mit der Stationierung von Iskander-Raketen in Kaliningrad. Jahre, nein Jahrzehnte politischen Ringens um eine Abrüstung scheinen damit umsonst. Was erklären könnte, warum die Verträge, eben jene Abrüstungverträge, heute zur Disposition stehen: Sie wurden einseitig gekündigt, sie liegen "auf Eis", sie laufen aus, ohne dass eine Fortführung in naher Zukunft anstünde. Gleichzeitig sind weltweit die Rüstungsausgaben gestiegen, um fast ein Drittel, vor allem in den USA.
Und dann war da noch der Kaukasus-Krieg, im Sommer dieses Jahres, ein Krieg, der erneut in zwei Lager teilte; und der Feindbilder wieder auferstehen ließ, die eigentlich der Vergangenheit anzugehören schienen. Ein Wort macht seitdem die Runde: Es kündet vom "Neuen Kalten Krieg". Und, in diesem "Neuen Kalten Krieg" stehen sich zwei Konfliktparteien gegenüber: Die NATO und Russland.
Schukowski - eine Stadt etwa 35 Kilometer südöstlich von Moskau - will heute "Stadt der Wissenschaft" sein, das Zentrum der russischen Luft- und Weltraumfahrt, eine Stadt, in der vor allem an zivilen Projekten gearbeitet wird. Und dann gibt es die Vergangenheit. Eine Vergangenheit, in der die Stadt mitsamt ihrer Institute für die Erforschung und Entwicklung von Kampfflugzeugen stand.
Der Mythos, der Schukowski anhängt, ist geblieben; geblieben ist auch die Bewunderung der Menschen für das, was dort entwickelt wurde.
Stadt der Aviatoren - Vom Mythos der russischen Luftfahrt
Die MiG-21. Höchstgeschwindigkeit: 2230 Stundenkilometer; Reichweite: 1800 Kilometer; Kampfmittel-Transport: bis zu 2000 Kilogramm. In Vietnam lehrte sie den amerikanischen Piloten der Phantom II das Fürchten. Bis heute ist der russische Abfangjäger das meistgebaute Kampfflugzeug der Welt. Doch auf der Verkehrsinsel im Berufsverkehr von Schukovski, ausgeschlachtet und aufgeständert, wirkt sie mit ihren 16 Metern Länge geradezu winzig. Und dennoch passiert es, dass der ein oder andere Autofahrer dem kranichförmigen Metallkörper im Vorüberfahren unwillkürlich zunickt.
"Als ich klein war, da haben wir in der Gagarin-Straße gewohnt. Damals fanden die Testflüge der MiGs noch direkt über den Wohngebieten statt. Sie sind über unsere Häuser hinweggeflogen, sehr niedrig. In der Nacht konnte man ihre Lichter über dem Wald beobachten. Wenn wir nicht gewusst hätten, dass das Testflüge sind, dann hätten wir sie für UFOs gehalten. Eine halbe Stunde sind sie geflogen - und gelandet. Das war einfach super."
Andrej Gromov ist in Schukovski geboren. Heute ist der 29-Jährige der Pressesprecher jener "Stadt der Aviatoren". Zur Sowjetzeit war Schukovski als Militär-Stützpunkt in keiner Landkarte verzeichnet, und doch schlug hier das Herz der sowjetischen Weltraum- und Luftfahrt. Die berühmte Flugzeugschmiede Mikojan-Gurewitsch produzierte hier MiGs.
Andrej Tupolew entwickelte seine Prototypen und Jurij Gagarin trainierte das Weltraum-Fliegen. Heute versucht die Stadt mit vielen namhaften wissenschaftlichen Instituten als modernes Forschungszentrum für Luftfahrt an diese Erfolge anzuknüpfen. An die Zeit des Kalten Krieges, als die Sowjetunion im Rüstungswettstreit mit den USA Technikgeschichte schrieb.
"Im Jahr 1951 entbrennt der Kalte Krieg. In der Luftfahrt gibt es neue Programme. Immer neue Modelle von Kampfjets werden entwickelt. Der Abschuss eines Spionageflugzeugs auf sowjetischem Territorium lehrt die Amerikaner eine Lektion: Um von sowjetischen Raketen nicht getroffen zu werden, müssen sie noch schneller fliegen. Und noch höher."
Ein Besuch bei Petr Ostapenko, in Russland eine lebende Legende. Heute verbringt der 80-Jährige seine Zeit vor dem Fernseher, schaut sich Dokumentarfilme an über die sowjetische Militärluftfahrt. Seine große Zeit hatte er in den 60-er und 70-er Jahren, als er den so gefährlichen Beruf des MiG-Testpiloten ausübte. Er testete die frisch aus der Fabrik kommenden Kampfjets. Und neu entwickelte Modelle flog er als Erster. 1962 stellte er seinen ersten Weltrekord auf, in dem er eine Flughöhe von fast 23.000 Metern erreichte. Sein Lieblings-Jäger war die MiG 25.
"Die Besonderheit der MiG 25 war die Reichweite und Schlagkraft der Raketen. Ich selbst habe Ziele in 60 bis 80 Kilometern Entfernung getroffen, andere nach mir haben sogar 250 Kilometer weit entfernte Ziele getroffen. Die Rakete weiß ja, wohin sie zu fliegen hat, du selbst drückst nur auf den Knopf - und das Ziel ist zerstört. Die MiG 25 ist ein ungewöhnlicher Flieger. Sie gibt dir das Gefühl unglaublicher Stärke."
Andrej, der junge Pressesprecher von Schukovski, ist nachdenklich auf der Rückfahrt. Für ihn selbst war eine Militärlaufbahn nie in Frage gekommen, erzählt er. Und doch: Wenn Andrej an den Kalten Krieg denkt, dann überwiegt seine Bewunderung für die technischen Höchstleistungen.
"Kalter Krieg, Kalter Krieg - damals haben alle davon gesprochen, aber niemand hat das alles als etwas so Schreckliches wahrgenommen. Wieso Krieg? Der passte nicht in unsere Wirklichkeit - die Geschäfte, die Schaufenster mit der Wurst, die hübschen, sowjetischen Fernsehkomödien: Und was die Kuba-Krise, Vietnam, Afghanistan angeht: Von den Einzelheiten haben wir immer erst dann erfahren, wenn alles schon fast wieder vorüber war."
In der Stadtverwaltung von Schukovski: Andrej hat ein Interview mit dem Bürgermeister organisiert.
Aleksandr Bobovnikov ist ein älterer Herr, der seine Gäste mit freundlicher Zurückhaltung empfängt. Als er sein Amt vor neun Jahren antrat, hatte die Stadt die Jahre der Krise bereits hinter sich. Die staatliche Finanzierung für die Forschung war ausgeblieben, Aufträge aus der Industrie gab es auch nicht. Inzwischen geht es deutlich aufwärts: Bobovnikov schwärmt von der international bekannten Luft- und Raumfahrtausstellung MAKS, von der Beliebtheit der Flugshows und davon, dass Putin Schukovski kürzlich den Status einer "Wissenschaftsstadt" zuerkannt hat - mit Aussicht auf entsprechende Förderung. Bei der Frage aber, welche Rolle die Rüstungsindustrie für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt spielt, wird der Bürgermeister einsilbig.
"Die militärische Produktion spielt heute nur eine untergeordnete Rolle. Wir sind eine Stadt der Wissenschaft. Die Studien, die beispielsweise das ZAGI heute durchführt, unser bekanntes Zentrales Aerohydrodynamisches Institut, sind zu 90 Prozent zivile Forschungsprojekte."
Rüstung: Das Thema ist heikel. Der Georgien-Krieg, die neuerliche diplomatische Eiszeit zwischen Russland und dem Westen, die US-Raketenabwehr und die russischen Iskander-Raketen. Bobovnikov steht vom Tisch auf, wandert im Zimmer auf und ab. Dann setzt er sich wieder. Monologisiert - haut auf die Tischplatte.
"Wissen Sie, wir machen uns auch Sorgen. Um unsere Kinder und die Zukunft. Wir leben doch gemeinsam in einem Haus. Was soll das nur, wieder diese Militarisierung! Warum zeigt das Westfernsehen uns Russen immer nur als Aggressoren? - Und die Welt vergeht vor Angst, dass wir morgen mit Panzern kommen! Wozu? Wir brauchen nicht noch mehr Territorium - wir können doch unser eigenes nicht verwalten, so viele innere Probleme haben wir! Aber wie soll man das den Leuten erklären? Sie verstehen es einfach nicht!"
Am Nachmittag reißt die Wolkendecke auf - ein dumpfer Brummton setzt ein und lässt die Luft vibrieren. Die Testflüge haben begonnen. Von einem Hügel am Stadtrand kann man sie sehen: Zwei schwarze Punkte, die über den Kuhweiden kreisen. Es sind zwei MiGs, Modell 35.
Fast vertikal steigen die MiGs in die Höhe, umkreisen sich, fliegen parallel, malen mit ihrem gewaltigen Schweif Zickzack-Linien in den Himmel. Dann, auf einmal, ändert eine ihren Kurs. Schneller als der Verstand begreift, schießt sie auf den Aussichtshügel zu. Das silberne Dreieck wird zum Kampfjet, das im Niedrigflug anfliegt. Der Donner kommt mit einer Stoßwelle - plötzlich und ohrenbetäubend - wie eine Explosion: der Überschallknall. Er entsteht, wenn ein Flugobjekt den Beobachter schneller erreicht als sein eigenes Motorengeräusch.
Versonnen schaut Andrej der MiG hinterher, die schon wieder zu einem Punkt am Himmel zusammenschrumpft. Dann, in dem immer noch tosenden Lärm, lächelt er herüber und formt mit dem Mund zwei stumme Worte: "Schön, nicht?"
Der Roman "2012 - Chronik einer aufgewühlten Zeit" von Evgenij Zubarev ist soeben erst auf dem russischen Markt erschienen. Und damit ist offen, welchen Anklang er bei seiner Leserschaft finden wird. Ob er als billiger Actionroman verschlungen wird; ob er als eben solcher und aufgrund seiner verderbten Moral auf Ablehnung stößt; oder ob er - gerade aufgrund seiner Überzeichnung - als Kritik wahrgenommen wird, als Kritik am Menschen und seinen Vergehungen.
Worum geht es in dem Roman? Es geht um die Zukunft, das Jahr 2012: Die herrschenden Strukturen gelten nichts mehr, Verhandlungen, Zusammenarbeit, ein Miteinander - all das gibt es nicht, ob der Unfähigkeit der bestehenden Regime; die Welt verfällt in einen Zustand der Anarchie, jenseits jeglicher Ordnung und Moral. Marodierende Banden reißen die Macht an sich. Nur wenige, unter ihnen ein junger Mann - gerade erst dem Militärdienst entronnen - begreifen, wie groß die Katastrophe ist, sie wehren sich, der junge Mann - "Anton" - schwingt sich auf zum "Führer der aufrechten Bürger". Und endet letztlich nicht anders als so viele vor ihm. Am Ende heiligt sein Zweck jegliche Mittel, "Anton" stellt sich und seine Moral über alles, er wird zum Diktator, der perfide und systematisch sein Werk verrichtet. Das folgende Zitat ist dem Anfang des Buches entnommen, als die Welt noch in Ordnung schien: "Anton" erinnert sich an die Zeit beim Militär.
"Jetzt war alles anders - ich war im zivilen Leben angekommen, für immer. Und nur die nächtlichen Albträume brachten mich manchmal zurück in die hasserfüllte Atmophäre der Soldaten-Kaserne.
Im heimatlichen Technikum traf ich auf das geschäftige Herumgerenne kraftloser Jungen und Mädchen auf Stelzen-Beinen, auf die ich mit der Nachsichtigkeit eines Menschen schaute, der mindestens einen Flugzeugabsturz überlebt hat. Schlimmer als das, was ich hinter mir hatte, konnte es schließlich nicht mehr kommen. Nicht unter den gegebenen Umständen. Ausgestattet mit meinem geheimen Wissen, musste ich jedes Mal laut lachen, wenn ich Gesprächsfetzen studentischer Unterhaltungen auffing, über "unerträglichen Druck", "schlimme Depressionen" oder ein "schreckliches Kolloquium".
Ein halb nackter Bataillonskommandant mit einer Pistole in der Hand, der besoffen und wahnsinnig durch die nächtliche Kaserne stürmt und dabei schreit "Ich bringe euch alle um!" Ja, das ist wirklich schrecklich - denn, egal ob er nun jemanden umbringen wollte oder nicht - zu Krüppeln macht er alle, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen. Ich selbst übrigens, ich habe es damals aus dem Fenster geschafft, aber ich habe mir dabei ordentlich den Knöchel verstaucht, so dass ich die nächsten zwei Monate gehumpelt bin. Und zwar genau so lange, bis die Untersuchungskommission ihre Arbeit beendet hatte, und schließlich herausfand, dass es in unserem Teil der Kaserne nie irgendwelche Regelübertretungen gegeben hat. Als ob drei oder vier Selbstmorde im Jahr geradezu typisch sind für jedes beliebige Bataillon. Und ihr redet über ein "schreckliches Kolloquium"!"
Es sah gut aus, zu Beginn der 90-er Jahre, als mit dem Untergang der Sowjetunion auch das Ende des Kalten Krieges besiegelt war. Es folgten Jahre, in denen Abrüstung nicht nur verhandelt, Verträge nicht nur geschlossen wurden sondern Abrüstung tatsächlich vorangetrieben wurde, ganz praktisch und im konstruktiven Miteinander. Vieles kam ans Tageslicht, wovon zuvor niemand etwas geahnt hätte. Besonders alarmierend waren die Zustände in den russischen A-, B- und C-Waffenfabriken. Sie führten zu einer beispiellosen globalen Allianz, die sich die Abrüstung und die nukleare Sicherheit zum Ziel setzte.
Von der besseren Atmosphäre zwischen Ost und West profitierte auch die Wirtschaft. So wie in Jekaterinburg, Russlands drittwichtigster Industriemetropole. Der Bahnhof, günstig gelegen an der Hauptstrecke der Transsibirischen Eisenbahn, ist Verkehrsknotenpunkt des Handels zwischen Europa und Asien. Viele westliche Staaten unterhalten Generalkonsulate, es gibt Direktflüge nach Frankfurt, Paris und Prag.
Die Regierung der Region Sverdlovsk, dessen Hauptstadt Jekaterinburg ist, gilt als weltoffen, investorenfreundlich und reformeifrig. Sie hat ein Ministerium eingerichtet, für "Internationale Wirtschaftsbeziehungen". Und dieses Ministerium demonstriert gerne, dass es aufwärts geht:
"Als ich klein war, da haben wir in der Gagarin-Straße gewohnt. Damals fanden die Testflüge der MiGs noch direkt über den Wohngebieten statt. Sie sind über unsere Häuser hinweggeflogen, sehr niedrig. In der Nacht konnte man ihre Lichter über dem Wald beobachten. Wenn wir nicht gewusst hätten, dass das Testflüge sind, dann hätten wir sie für UFOs gehalten. Eine halbe Stunde sind sie geflogen - und gelandet. Das war einfach super."
Andrej Gromov ist in Schukovski geboren. Heute ist der 29-Jährige der Pressesprecher jener "Stadt der Aviatoren". Zur Sowjetzeit war Schukovski als Militär-Stützpunkt in keiner Landkarte verzeichnet, und doch schlug hier das Herz der sowjetischen Weltraum- und Luftfahrt. Die berühmte Flugzeugschmiede Mikojan-Gurewitsch produzierte hier MiGs.
Andrej Tupolew entwickelte seine Prototypen und Jurij Gagarin trainierte das Weltraum-Fliegen. Heute versucht die Stadt mit vielen namhaften wissenschaftlichen Instituten als modernes Forschungszentrum für Luftfahrt an diese Erfolge anzuknüpfen. An die Zeit des Kalten Krieges, als die Sowjetunion im Rüstungswettstreit mit den USA Technikgeschichte schrieb.
"Im Jahr 1951 entbrennt der Kalte Krieg. In der Luftfahrt gibt es neue Programme. Immer neue Modelle von Kampfjets werden entwickelt. Der Abschuss eines Spionageflugzeugs auf sowjetischem Territorium lehrt die Amerikaner eine Lektion: Um von sowjetischen Raketen nicht getroffen zu werden, müssen sie noch schneller fliegen. Und noch höher."
Ein Besuch bei Petr Ostapenko, in Russland eine lebende Legende. Heute verbringt der 80-Jährige seine Zeit vor dem Fernseher, schaut sich Dokumentarfilme an über die sowjetische Militärluftfahrt. Seine große Zeit hatte er in den 60-er und 70-er Jahren, als er den so gefährlichen Beruf des MiG-Testpiloten ausübte. Er testete die frisch aus der Fabrik kommenden Kampfjets. Und neu entwickelte Modelle flog er als Erster. 1962 stellte er seinen ersten Weltrekord auf, in dem er eine Flughöhe von fast 23.000 Metern erreichte. Sein Lieblings-Jäger war die MiG 25.
"Die Besonderheit der MiG 25 war die Reichweite und Schlagkraft der Raketen. Ich selbst habe Ziele in 60 bis 80 Kilometern Entfernung getroffen, andere nach mir haben sogar 250 Kilometer weit entfernte Ziele getroffen. Die Rakete weiß ja, wohin sie zu fliegen hat, du selbst drückst nur auf den Knopf - und das Ziel ist zerstört. Die MiG 25 ist ein ungewöhnlicher Flieger. Sie gibt dir das Gefühl unglaublicher Stärke."
Andrej, der junge Pressesprecher von Schukovski, ist nachdenklich auf der Rückfahrt. Für ihn selbst war eine Militärlaufbahn nie in Frage gekommen, erzählt er. Und doch: Wenn Andrej an den Kalten Krieg denkt, dann überwiegt seine Bewunderung für die technischen Höchstleistungen.
"Kalter Krieg, Kalter Krieg - damals haben alle davon gesprochen, aber niemand hat das alles als etwas so Schreckliches wahrgenommen. Wieso Krieg? Der passte nicht in unsere Wirklichkeit - die Geschäfte, die Schaufenster mit der Wurst, die hübschen, sowjetischen Fernsehkomödien: Und was die Kuba-Krise, Vietnam, Afghanistan angeht: Von den Einzelheiten haben wir immer erst dann erfahren, wenn alles schon fast wieder vorüber war."
In der Stadtverwaltung von Schukovski: Andrej hat ein Interview mit dem Bürgermeister organisiert.
Aleksandr Bobovnikov ist ein älterer Herr, der seine Gäste mit freundlicher Zurückhaltung empfängt. Als er sein Amt vor neun Jahren antrat, hatte die Stadt die Jahre der Krise bereits hinter sich. Die staatliche Finanzierung für die Forschung war ausgeblieben, Aufträge aus der Industrie gab es auch nicht. Inzwischen geht es deutlich aufwärts: Bobovnikov schwärmt von der international bekannten Luft- und Raumfahrtausstellung MAKS, von der Beliebtheit der Flugshows und davon, dass Putin Schukovski kürzlich den Status einer "Wissenschaftsstadt" zuerkannt hat - mit Aussicht auf entsprechende Förderung. Bei der Frage aber, welche Rolle die Rüstungsindustrie für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt spielt, wird der Bürgermeister einsilbig.
"Die militärische Produktion spielt heute nur eine untergeordnete Rolle. Wir sind eine Stadt der Wissenschaft. Die Studien, die beispielsweise das ZAGI heute durchführt, unser bekanntes Zentrales Aerohydrodynamisches Institut, sind zu 90 Prozent zivile Forschungsprojekte."
Rüstung: Das Thema ist heikel. Der Georgien-Krieg, die neuerliche diplomatische Eiszeit zwischen Russland und dem Westen, die US-Raketenabwehr und die russischen Iskander-Raketen. Bobovnikov steht vom Tisch auf, wandert im Zimmer auf und ab. Dann setzt er sich wieder. Monologisiert - haut auf die Tischplatte.
"Wissen Sie, wir machen uns auch Sorgen. Um unsere Kinder und die Zukunft. Wir leben doch gemeinsam in einem Haus. Was soll das nur, wieder diese Militarisierung! Warum zeigt das Westfernsehen uns Russen immer nur als Aggressoren? - Und die Welt vergeht vor Angst, dass wir morgen mit Panzern kommen! Wozu? Wir brauchen nicht noch mehr Territorium - wir können doch unser eigenes nicht verwalten, so viele innere Probleme haben wir! Aber wie soll man das den Leuten erklären? Sie verstehen es einfach nicht!"
Am Nachmittag reißt die Wolkendecke auf - ein dumpfer Brummton setzt ein und lässt die Luft vibrieren. Die Testflüge haben begonnen. Von einem Hügel am Stadtrand kann man sie sehen: Zwei schwarze Punkte, die über den Kuhweiden kreisen. Es sind zwei MiGs, Modell 35.
Fast vertikal steigen die MiGs in die Höhe, umkreisen sich, fliegen parallel, malen mit ihrem gewaltigen Schweif Zickzack-Linien in den Himmel. Dann, auf einmal, ändert eine ihren Kurs. Schneller als der Verstand begreift, schießt sie auf den Aussichtshügel zu. Das silberne Dreieck wird zum Kampfjet, das im Niedrigflug anfliegt. Der Donner kommt mit einer Stoßwelle - plötzlich und ohrenbetäubend - wie eine Explosion: der Überschallknall. Er entsteht, wenn ein Flugobjekt den Beobachter schneller erreicht als sein eigenes Motorengeräusch.
Versonnen schaut Andrej der MiG hinterher, die schon wieder zu einem Punkt am Himmel zusammenschrumpft. Dann, in dem immer noch tosenden Lärm, lächelt er herüber und formt mit dem Mund zwei stumme Worte: "Schön, nicht?"
Der Roman "2012 - Chronik einer aufgewühlten Zeit" von Evgenij Zubarev ist soeben erst auf dem russischen Markt erschienen. Und damit ist offen, welchen Anklang er bei seiner Leserschaft finden wird. Ob er als billiger Actionroman verschlungen wird; ob er als eben solcher und aufgrund seiner verderbten Moral auf Ablehnung stößt; oder ob er - gerade aufgrund seiner Überzeichnung - als Kritik wahrgenommen wird, als Kritik am Menschen und seinen Vergehungen.
Worum geht es in dem Roman? Es geht um die Zukunft, das Jahr 2012: Die herrschenden Strukturen gelten nichts mehr, Verhandlungen, Zusammenarbeit, ein Miteinander - all das gibt es nicht, ob der Unfähigkeit der bestehenden Regime; die Welt verfällt in einen Zustand der Anarchie, jenseits jeglicher Ordnung und Moral. Marodierende Banden reißen die Macht an sich. Nur wenige, unter ihnen ein junger Mann - gerade erst dem Militärdienst entronnen - begreifen, wie groß die Katastrophe ist, sie wehren sich, der junge Mann - "Anton" - schwingt sich auf zum "Führer der aufrechten Bürger". Und endet letztlich nicht anders als so viele vor ihm. Am Ende heiligt sein Zweck jegliche Mittel, "Anton" stellt sich und seine Moral über alles, er wird zum Diktator, der perfide und systematisch sein Werk verrichtet. Das folgende Zitat ist dem Anfang des Buches entnommen, als die Welt noch in Ordnung schien: "Anton" erinnert sich an die Zeit beim Militär.
"Jetzt war alles anders - ich war im zivilen Leben angekommen, für immer. Und nur die nächtlichen Albträume brachten mich manchmal zurück in die hasserfüllte Atmophäre der Soldaten-Kaserne.
Im heimatlichen Technikum traf ich auf das geschäftige Herumgerenne kraftloser Jungen und Mädchen auf Stelzen-Beinen, auf die ich mit der Nachsichtigkeit eines Menschen schaute, der mindestens einen Flugzeugabsturz überlebt hat. Schlimmer als das, was ich hinter mir hatte, konnte es schließlich nicht mehr kommen. Nicht unter den gegebenen Umständen. Ausgestattet mit meinem geheimen Wissen, musste ich jedes Mal laut lachen, wenn ich Gesprächsfetzen studentischer Unterhaltungen auffing, über "unerträglichen Druck", "schlimme Depressionen" oder ein "schreckliches Kolloquium".
Ein halb nackter Bataillonskommandant mit einer Pistole in der Hand, der besoffen und wahnsinnig durch die nächtliche Kaserne stürmt und dabei schreit "Ich bringe euch alle um!" Ja, das ist wirklich schrecklich - denn, egal ob er nun jemanden umbringen wollte oder nicht - zu Krüppeln macht er alle, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen. Ich selbst übrigens, ich habe es damals aus dem Fenster geschafft, aber ich habe mir dabei ordentlich den Knöchel verstaucht, so dass ich die nächsten zwei Monate gehumpelt bin. Und zwar genau so lange, bis die Untersuchungskommission ihre Arbeit beendet hatte, und schließlich herausfand, dass es in unserem Teil der Kaserne nie irgendwelche Regelübertretungen gegeben hat. Als ob drei oder vier Selbstmorde im Jahr geradezu typisch sind für jedes beliebige Bataillon. Und ihr redet über ein "schreckliches Kolloquium"!"
Es sah gut aus, zu Beginn der 90-er Jahre, als mit dem Untergang der Sowjetunion auch das Ende des Kalten Krieges besiegelt war. Es folgten Jahre, in denen Abrüstung nicht nur verhandelt, Verträge nicht nur geschlossen wurden sondern Abrüstung tatsächlich vorangetrieben wurde, ganz praktisch und im konstruktiven Miteinander. Vieles kam ans Tageslicht, wovon zuvor niemand etwas geahnt hätte. Besonders alarmierend waren die Zustände in den russischen A-, B- und C-Waffenfabriken. Sie führten zu einer beispiellosen globalen Allianz, die sich die Abrüstung und die nukleare Sicherheit zum Ziel setzte.
Von der besseren Atmosphäre zwischen Ost und West profitierte auch die Wirtschaft. So wie in Jekaterinburg, Russlands drittwichtigster Industriemetropole. Der Bahnhof, günstig gelegen an der Hauptstrecke der Transsibirischen Eisenbahn, ist Verkehrsknotenpunkt des Handels zwischen Europa und Asien. Viele westliche Staaten unterhalten Generalkonsulate, es gibt Direktflüge nach Frankfurt, Paris und Prag.
Die Regierung der Region Sverdlovsk, dessen Hauptstadt Jekaterinburg ist, gilt als weltoffen, investorenfreundlich und reformeifrig. Sie hat ein Ministerium eingerichtet, für "Internationale Wirtschaftsbeziehungen". Und dieses Ministerium demonstriert gerne, dass es aufwärts geht:
Wandel durch Annäherung - Warum mit den alten Feinden lieber Geschäfte gemacht werden
Hightech aus Deutschland: Widerstandslos fährt der Laserstrahl durch das Stahlblech, schneidet Blinklicht-Löcher und Luftschächte in das vorgeforme Karosserieteil. Die neue Fertigungsmaschine im Jekaterinburger Zentrum für Metallverarbeitung - repräsentabel positioniert in einer neonerleuchteten Glaskabine - ist das erste handfeste Resultat einer Wirtschaftskooperation zwischen Sverdlovsk und Baden-Württemberg.
Entsprechend gut gelaunt gibt sich die deutsche Delegation: Ministerialbeamte, Verbandsvertreter und Unternehmer, die sich von den gesprächigen Repräsentanten der Firmenleitung willig durch die Produktionshalle lotsen lassen.
"Maschinenbau, Turbinenbau, Atomtechnik, Automobilindustrie - dieser Laser-Schneider ist universal einsetzbar. Früher konnten wir nur Stahlplatten schneiden, jetzt bearbeiten wir jede Art von vorgeformten Metallteilen."
Gastgeber der Unternehmerreise ist Aleksandr Charlov, Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Region Sverdlovsk. Ein Mann im Sakko, Anfang 40, mit Lachfältchen im runden Gesicht. Er pendelt zwischen den Grüppchen, schließt Bekanntschaften, wirbt um Investitionen - ein Politiker des jungen Russland, weltoffen und geschäftstüchtig. Und genau deswegen wirkt er seltsam fremd in dem Halbdunkel der Produktionshalle, wo ansonsten ölverschmierte Maschinen aus der Sowjetära das Bild dominieren. Im Kalten Krieg seien hier Panzer hergestellt worden, bemerkt ein russischer Gruppenbegleiter mit fröhlicher Verbindlichkeit - als erwähnte er nur ein kurioses Detail. Die Frage steht dennoch im Raum: Wird der Anteil der Militärproduktion hier, in dieser Anlage, wieder steigen? Minister Charlov winkt ab.
" Die Politik unserer Region betrifft das nicht. Die Produktion militärischer Güter liegt allein in der Händen Moskaus. Wir entwickeln hier in Ruhe unsere Außenwirtschaftsbeziehungen weiter, und wir freuen uns über das große Interesse des Westens, inbesondere Deutschlands. Hier bei uns geht es um Energiefragen, um die künftige Zusammenarbeit bei Maschinenbau und Kommunikationstechnik. Wir lernen unsere Partner gut kennen, sogar ihre Familien. Und das gibt Vertrauen."
Vertrauen schaffen zwischen Völkern, die sich Jahrzehnte lang waffenstarrend gegenüberstanden. Investoren werben für die Schwerindustrie, in der bis heute weite Produktionsbereiche dem Militärgeheimnis unterliegen. Geschäfte anbahnen, während die Ost-West-Diplomatie in der Krise steckt: ein Drahtseilakt zwischen globalisiertem Business und den verschwiegenen Zirkeln der Militärs.
Aleksandr Charlov ist in beiden Welten zuhause. Das allerdings bemerkt nur, wer von ihm in seinem Ministerium empfangen wird. Wenn der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, gefolgt von Staatssekretär und Pressesprecher, den eleganten Sitzungssaal betritt - gerade Haltung, fester Händedruck - dann erkennt man in ihm auch den Offizier.
Tatsächlich, und das erzählt er nicht ohne Stolz, hatte er in jungen Jahren zunächst die Armeelaufbahn eingeschlagen. Anfang der 90-er Jahre, als der russische Verteidigungshaushalt zusammenbrach, wechselte er in die Wirtschaftspolitik. Sein politisches Konzept gründete er auf die zivile Zusammenarbeit zwischen Ost und West. So war es jedenfalls bis zum vergangenen August, als die russische Armee - wie Charlov es darstellt - in den Krieg gegen ein mit US-Militärhilfe hochgerüstetes Georgien gezwungen wurde. Seitdem stellt er auch andere Überlegungen an.
"Es ist sehr gut, dass unsere Industrie jetzt wieder staatliche Rüstungsaufträge bekommt. Nach dem Krieg im Kaukasus müssen wir unsere Lage überdenken, Armee und Waffen modernisieren. Wir Russen haben das Vertrauen verloren. Warum rückt die NATO immer näher an unsere Grenzen heran? "Ukraine, Georgien, Baltikum - los, alle in die NATO! Hauptsache, wir verhindern, dass Russland neue Bündnispartner findet!" Ja, wie soll Russland denn reagieren, wenn unsere Nachbarn aufrüsten und ständig böse zu uns herüberschauen? Wenn Sie mich jetzt fragen: Warum das Ganze? - dann weiß ich keine Antwort. Ich verstehe es wirklich nicht! Lasst uns doch lieber Handel treiben! Zusammen leben und arbeiten!"Sehr geehrte Fernsehzuschauer", sagte Ivan in die Fernsehkamera. "Sie sehen hier den bekannten Führer der Bürgerbewegung 'Östliche Bären', Anton Poscharskij, eine lebende Legende". Direkt von seinem Stabsquartier aus wird er auf unsere Fragen antworten. In diesem unauffälligen Haus am Rande von Kaschira, leben auch einige Dutzende Kinder, die die Aktivisten aus den Händen einer gnadenlosen Moskauer Bande befreit haben.
"Ich öffnete die Eingangstür, aber Ivan blieb mit der laufenden Kamera auf der Schulter stehen.
"Jetzt bist du gut im Bild", sagte er. "Los, von hier aus werden wir die Aufnahmen machen."
"Was denken Sie über die Situation in unserem Land?", fragte Vanja. Ich schwieg, ich musste erst meine Gedanken sammeln. "Soweit ich weiß, ist die Stimmung im Land aufgeheizt", sagte ich zum Schluss.
"Aber Ihre Gegner, die Mitglieder der Regierung, darunter einige prominente Politiker, glauben das nicht", sagte Ivan, und blies parodistisch seine Backen auf, um meine Gegner nachzuahmen. Ich verstand ihn, legte nach.
"Diese Leute kommen doch niemals aus Moskau heraus. Was wissen die denn über die Situation jenseits der Umgehungsstraße?", setzte ich wütend dagegen.
"Und was haben Sie Ihren Gefolgsleuten anzubieten? Es heißt, es seien schon über eine halbe Million Menschen". Ivan zog die Stirn hoch und warf listige Blicke direkt in den Himmel.
War es tatsächlich schon eine halbe Million Anhänger? Hatte sich Ivan diese Zahl nicht ausgedacht, so wie ich, wie Valera und Palitsch auch? Plötzlich schien mir diese ganze Situation lächerlich, und gleichzeitig begann sie mir, Spaß zu machen. Ich entschied mich, in dieses ganze Spiel einzusteigen. Breitbeinig stellte ich mich hin, rückte meine Schultern zurecht, machte mich bereit, in die Kamera zu sprechen. So wie es sich für den Führer der "Grizzly"-Bewegung gehört, hinter dem eine halbe Million Menschen steht.
"Es ist doch eine Tatsache, dass unsere Regierung die Situation nicht kontrolliert. Das bedeutet, die Kontrolle muss übergehen in die Hände derer, die überhaupt etwas unternehmen. Im Moment sind es nur die Banditen und Marodeure, die die Straßen unsicher machen. Morgen aber, morgen schon müssen wir selbst etwas tun - wir, die Menschen, die bereit sind, auf jeden Schlag mit einem Gegenschlag zu antworten. Genug geredet! Unsere Losung lautet: "Wir sind unsere eigenen Herren!"
Die russische Armee ist umgeben von einer ganz besonderen Aura. Sie steht für die Einheit und die Größe Russlands. Diesen Ruf hat sie sich teuer erkämpfen müssen: Als sie im "Vaterländischen Krieg" Napoleon und seinen Truppen Stand halten musste. Und als sie im "Großen Vaterländischen Krieg" Hitler und seine Soldaten niederringen konnte.
Jedes Jahr wieder, am 9. Mai, dem russischen Nationalfeiertag, wird dieses großen Sieges gedacht, mit einer Militärparade, bei der auch die mitmarschieren, die damals mitgekämpft haben. Die Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Russlands "verehrteste Mitbürger".
Doch Russlands Armee steckt in der Krise. Vielleicht gerade weil sie "unantastbar" ist. Die technische Ausstattung ist veraltet, die Soldaten sind demotiviert und demoralisiert. Die Bezahlung ist schlecht, und, immer wieder werden Fälle von grober Misshandlung, Schikane und Repression bekannt. Die russische Organisation "Soldatenmütter" schätzt, dass jedes Jahr etwa 3000 Wehrdienstleistende zu Tode kommen, eine große Zahl von ihnen in Folge von Misshandlungen. Weitere nehmen sich aus lauter Verzweiflung das Leben.
Die Führung in Moskau verspricht Besserung, ist dabei, eine Militärreform einzuleiten, mit einer Berufsarmee und einem Prämiensystem, das mehr Geld für besondere Leistung verspricht. Doch das Vertrauen der Soldaten ist gering.
Entsprechend gut gelaunt gibt sich die deutsche Delegation: Ministerialbeamte, Verbandsvertreter und Unternehmer, die sich von den gesprächigen Repräsentanten der Firmenleitung willig durch die Produktionshalle lotsen lassen.
"Maschinenbau, Turbinenbau, Atomtechnik, Automobilindustrie - dieser Laser-Schneider ist universal einsetzbar. Früher konnten wir nur Stahlplatten schneiden, jetzt bearbeiten wir jede Art von vorgeformten Metallteilen."
Gastgeber der Unternehmerreise ist Aleksandr Charlov, Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Region Sverdlovsk. Ein Mann im Sakko, Anfang 40, mit Lachfältchen im runden Gesicht. Er pendelt zwischen den Grüppchen, schließt Bekanntschaften, wirbt um Investitionen - ein Politiker des jungen Russland, weltoffen und geschäftstüchtig. Und genau deswegen wirkt er seltsam fremd in dem Halbdunkel der Produktionshalle, wo ansonsten ölverschmierte Maschinen aus der Sowjetära das Bild dominieren. Im Kalten Krieg seien hier Panzer hergestellt worden, bemerkt ein russischer Gruppenbegleiter mit fröhlicher Verbindlichkeit - als erwähnte er nur ein kurioses Detail. Die Frage steht dennoch im Raum: Wird der Anteil der Militärproduktion hier, in dieser Anlage, wieder steigen? Minister Charlov winkt ab.
" Die Politik unserer Region betrifft das nicht. Die Produktion militärischer Güter liegt allein in der Händen Moskaus. Wir entwickeln hier in Ruhe unsere Außenwirtschaftsbeziehungen weiter, und wir freuen uns über das große Interesse des Westens, inbesondere Deutschlands. Hier bei uns geht es um Energiefragen, um die künftige Zusammenarbeit bei Maschinenbau und Kommunikationstechnik. Wir lernen unsere Partner gut kennen, sogar ihre Familien. Und das gibt Vertrauen."
Vertrauen schaffen zwischen Völkern, die sich Jahrzehnte lang waffenstarrend gegenüberstanden. Investoren werben für die Schwerindustrie, in der bis heute weite Produktionsbereiche dem Militärgeheimnis unterliegen. Geschäfte anbahnen, während die Ost-West-Diplomatie in der Krise steckt: ein Drahtseilakt zwischen globalisiertem Business und den verschwiegenen Zirkeln der Militärs.
Aleksandr Charlov ist in beiden Welten zuhause. Das allerdings bemerkt nur, wer von ihm in seinem Ministerium empfangen wird. Wenn der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, gefolgt von Staatssekretär und Pressesprecher, den eleganten Sitzungssaal betritt - gerade Haltung, fester Händedruck - dann erkennt man in ihm auch den Offizier.
Tatsächlich, und das erzählt er nicht ohne Stolz, hatte er in jungen Jahren zunächst die Armeelaufbahn eingeschlagen. Anfang der 90-er Jahre, als der russische Verteidigungshaushalt zusammenbrach, wechselte er in die Wirtschaftspolitik. Sein politisches Konzept gründete er auf die zivile Zusammenarbeit zwischen Ost und West. So war es jedenfalls bis zum vergangenen August, als die russische Armee - wie Charlov es darstellt - in den Krieg gegen ein mit US-Militärhilfe hochgerüstetes Georgien gezwungen wurde. Seitdem stellt er auch andere Überlegungen an.
"Es ist sehr gut, dass unsere Industrie jetzt wieder staatliche Rüstungsaufträge bekommt. Nach dem Krieg im Kaukasus müssen wir unsere Lage überdenken, Armee und Waffen modernisieren. Wir Russen haben das Vertrauen verloren. Warum rückt die NATO immer näher an unsere Grenzen heran? "Ukraine, Georgien, Baltikum - los, alle in die NATO! Hauptsache, wir verhindern, dass Russland neue Bündnispartner findet!" Ja, wie soll Russland denn reagieren, wenn unsere Nachbarn aufrüsten und ständig böse zu uns herüberschauen? Wenn Sie mich jetzt fragen: Warum das Ganze? - dann weiß ich keine Antwort. Ich verstehe es wirklich nicht! Lasst uns doch lieber Handel treiben! Zusammen leben und arbeiten!"Sehr geehrte Fernsehzuschauer", sagte Ivan in die Fernsehkamera. "Sie sehen hier den bekannten Führer der Bürgerbewegung 'Östliche Bären', Anton Poscharskij, eine lebende Legende". Direkt von seinem Stabsquartier aus wird er auf unsere Fragen antworten. In diesem unauffälligen Haus am Rande von Kaschira, leben auch einige Dutzende Kinder, die die Aktivisten aus den Händen einer gnadenlosen Moskauer Bande befreit haben.
"Ich öffnete die Eingangstür, aber Ivan blieb mit der laufenden Kamera auf der Schulter stehen.
"Jetzt bist du gut im Bild", sagte er. "Los, von hier aus werden wir die Aufnahmen machen."
"Was denken Sie über die Situation in unserem Land?", fragte Vanja. Ich schwieg, ich musste erst meine Gedanken sammeln. "Soweit ich weiß, ist die Stimmung im Land aufgeheizt", sagte ich zum Schluss.
"Aber Ihre Gegner, die Mitglieder der Regierung, darunter einige prominente Politiker, glauben das nicht", sagte Ivan, und blies parodistisch seine Backen auf, um meine Gegner nachzuahmen. Ich verstand ihn, legte nach.
"Diese Leute kommen doch niemals aus Moskau heraus. Was wissen die denn über die Situation jenseits der Umgehungsstraße?", setzte ich wütend dagegen.
"Und was haben Sie Ihren Gefolgsleuten anzubieten? Es heißt, es seien schon über eine halbe Million Menschen". Ivan zog die Stirn hoch und warf listige Blicke direkt in den Himmel.
War es tatsächlich schon eine halbe Million Anhänger? Hatte sich Ivan diese Zahl nicht ausgedacht, so wie ich, wie Valera und Palitsch auch? Plötzlich schien mir diese ganze Situation lächerlich, und gleichzeitig begann sie mir, Spaß zu machen. Ich entschied mich, in dieses ganze Spiel einzusteigen. Breitbeinig stellte ich mich hin, rückte meine Schultern zurecht, machte mich bereit, in die Kamera zu sprechen. So wie es sich für den Führer der "Grizzly"-Bewegung gehört, hinter dem eine halbe Million Menschen steht.
"Es ist doch eine Tatsache, dass unsere Regierung die Situation nicht kontrolliert. Das bedeutet, die Kontrolle muss übergehen in die Hände derer, die überhaupt etwas unternehmen. Im Moment sind es nur die Banditen und Marodeure, die die Straßen unsicher machen. Morgen aber, morgen schon müssen wir selbst etwas tun - wir, die Menschen, die bereit sind, auf jeden Schlag mit einem Gegenschlag zu antworten. Genug geredet! Unsere Losung lautet: "Wir sind unsere eigenen Herren!"
Die russische Armee ist umgeben von einer ganz besonderen Aura. Sie steht für die Einheit und die Größe Russlands. Diesen Ruf hat sie sich teuer erkämpfen müssen: Als sie im "Vaterländischen Krieg" Napoleon und seinen Truppen Stand halten musste. Und als sie im "Großen Vaterländischen Krieg" Hitler und seine Soldaten niederringen konnte.
Jedes Jahr wieder, am 9. Mai, dem russischen Nationalfeiertag, wird dieses großen Sieges gedacht, mit einer Militärparade, bei der auch die mitmarschieren, die damals mitgekämpft haben. Die Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Russlands "verehrteste Mitbürger".
Doch Russlands Armee steckt in der Krise. Vielleicht gerade weil sie "unantastbar" ist. Die technische Ausstattung ist veraltet, die Soldaten sind demotiviert und demoralisiert. Die Bezahlung ist schlecht, und, immer wieder werden Fälle von grober Misshandlung, Schikane und Repression bekannt. Die russische Organisation "Soldatenmütter" schätzt, dass jedes Jahr etwa 3000 Wehrdienstleistende zu Tode kommen, eine große Zahl von ihnen in Folge von Misshandlungen. Weitere nehmen sich aus lauter Verzweiflung das Leben.
Die Führung in Moskau verspricht Besserung, ist dabei, eine Militärreform einzuleiten, mit einer Berufsarmee und einem Prämiensystem, das mehr Geld für besondere Leistung verspricht. Doch das Vertrauen der Soldaten ist gering.
Miserable Zustände - Ein Major über seinen Arbeitsalltag bei den russischen Streitkräfte
Ein Wohnheim im Zentrum von Jekaterinburg. Am späten Abend. Glühlampenlicht, ein wackeliges Eisengeländer, Zigarettenqualm. Auf den Waschbeton-Stufen kauern junge Frauen: Gastarbeiterinnen aus Usbekistan. Es ist eine billige Unterkunft für all diejenigen, die sich keine richtige Wohnung leisten können.
Auch Vova lebt hier. Mit einem Nicken bahnt sich der junge Russe seinen Weg durch das rauchende Grüppchen. Er hat einen Gast dabei: Olga, eine alte Bekannte, die er lange nicht gesehen hat. Es gibt viel zu erzählen.
"In 7000 Metern Höhe zu fliegen, das ist super interessant. Dann ist um einen herum alles weiß. Und man ist ganz allein. Pilot zu werden, das war immer mein Kindertraum. Tja, und dann bin ich es doch nicht geworden. Einfacher ist es, auf der Erde zu bleiben."
Vova ist Major der Luftwaffe, als Ingenieur zuständig für die Wartung und Instandhaltung der Maschinen. Zur Sowjetzeit hätte er zur Elite des Landes gehört, so wie sein Vater, der Offizier der Roten Armee war. Der seine Manöver vom Schwarzen Meer bis Weißrussland flog. Der überdurchschnittlichen Sold bekam, kostenfreien Wohnraum für die ganze Familie und alle Privilegien, die eine militärische Supermacht ihren Armeeangehörigen nur bieten kann. Doch die Zeiten haben sich geändert.
" Heute ist mein Vater pensioniert. Aber ich folge seinen Spuren. Das ist Familientradition. Das Vaterland zu beschützen!"
Das Zimmer, das Vova sich mit seiner Frau teilt, ist ganze 14 Quadratmeter groß: Küchenzeile, Fernsehecke, Schlafsofa - einfach und ordentlich. Aus einer Zimmerecke zieht Vova einen Teewagen ans Sofa heran. Der dient als Tisch.
Wie viel man bei der Armee so verdient, möchte Olga gerne von ihrem Freund wissen. Keine 500 Euro im Monat, sagt Vova. Olga ist fassungslos: Wie das denn sein kann, fragt sie, als Major, als Ingenieur mit abgeschlossenem Studium. Vova zuckt die Schultern.
"Natürlich, das ist demütigend. Ich verdiene soviel wie ein Verkäufer, der nichts gelernt hat außer Dosen in Regale zu stellen und Käufer zu bedienen. Oder wie eine Putzfrau."
Auch im zivilen Leben - außerhalb der Armee - hat Vova es schon versucht. In den krisengeschüttelten 90-er Jahren. Als die Russen in ihrer einst so hoch geschätzten Armee plötzlich nur noch einen unproduktiven Steuerfresser sahen; als der Staat keine Gehälter mehr zahlte; als Kampfbomber und Raketenträger verrotteten - da erneuerte Vova seinen Zeitvertrag nicht. Später kehrte er zur Armee zurück.
Wegen der Flugzeuge, erzählt er Olga. Sie hätten ihm gefehlt. Olga wundert sich. Wegen unserer lausigen Flugzeuge? - fragt sie. Vova serviert Tee, reicht Zucker. Er ist beleidigt. Und das zeigt er seiner Freundin auch.
"Unsere Flugzeuge sind nicht lausig. In der Luftfahrt sind wir Russen gut. Das Problem ist nur, dass die Maschinen in unserem Park so alt sind. Die normale Betriebsdauer liegt bei 25 bis 30 Jahren. Aber wir fliegen Flugzeuge, die 40 oder sogar 50 Jahre alt sind."
Vova stockt: Er will keine Militärgeheimnisse verraten. Aber von dem, was er selbst erlebt hat, will er Olga erzählen.
"Gestern waren wir mit dem Hubschrauber unterwegs, ein Dienstflug nach Troizk. Plötzlich ist einer der beiden Motoren ausgefallen. Einfach so: eine Gasexplosion. Wir sind fast abgestürzt. Ich dachte, es sei aus, vor meinem inneren Auge spulte sich schon mein Leben ab - fum-fum-fum. Doch irgendwie sind wir notgelandet. Das wäre fast schiefgegangen. Gott sei Dank war der Pilot kein Anfänger und hatte Erfahrung mit Notsituationen."
Mit den schmutzigen Teetassen verzieht sich Vova ans Spülbecken. Ob er inzwischen mehr Perspektiven für sich sehe, fragt Olga. Jetzt, wo die Regierung eine kräftige Erhöhung des Verteidigungsetats angekündigt habe. Vova schüttelt den Kopf.
"Vielleicht erhöhen sie in Moskau den Etat, das mag schon sein. Aber bei uns wird davon nicht viel ankommen. Die Inflation frisst alles auf. Weißt du, ich glaube, eines Tages werde ich die Armee wieder verlassen. Dann ziehe ich irgendwohin in die Steppe und baue mir dort ein Häuschen. Und dort werde ich dann einfach nur in Ruhe leben."
"In den ersten beiden Oktoberwochen war der Himmel von einer dichten Wolkendecke überzogen. Das Wasser stürzte ununterbrochen vom Himmel, so als wolle die Natur selbst sich reinwaschen. Von all dem menschlichen Schmutz, der sich von Kamtschatka bis Kaliningrad aufgehäuft hatte.
Und übrigens: Bei Kaliningrad tat sich weiterhin nichts Gutes.
Im Baltikum hatten die Marodeure inzwischen ganz offiziell die Macht im Staate an sich gerissen - sie nannten sich die "Waldbrüder", steckten Kommunisten, Juden und aus irgendeinem Grund auch die grünen Umweltschützer in Konzentrationslager, uns sie scheuten sich nicht, für ihre verkommene Ideologie das Bären-Logo meiner Bewegung zu benutzen."
"Die internationalen Abrüstungsverhandlungen sind zum Stillstand gekommen," sagt Hans Blix, der vom Jahr 2000 an, drei Jahre lang Chef der Rüstungskontrollmission der Vereinten Nationen war. Er macht auf eine weitere Entwicklung aufmerksam: Die Indizien mehrten sich, so Blix, dass sich die Welt rückwärts bewegt und dass sie in ein erneutes Wettrüsten abgleitet. Er sagte das indes noch vor der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Moskau hat seine Militärausgaben in den vergangenen Jahren stark erhöht, will sie ab dem kommenden Jahr sogar um mehr als ein Viertel anheben. Europa - noch unter dem Eindruck des Kaukasus-Krieges stehend - zuckte bei dieser Nachricht zusammen - zu Unrecht, wie Moskau behauptet. Denn das Land sieht sich selbst - im Wettstreit der Großen - als verhältnismäßig kleinen Akteur.
Auch Vova lebt hier. Mit einem Nicken bahnt sich der junge Russe seinen Weg durch das rauchende Grüppchen. Er hat einen Gast dabei: Olga, eine alte Bekannte, die er lange nicht gesehen hat. Es gibt viel zu erzählen.
"In 7000 Metern Höhe zu fliegen, das ist super interessant. Dann ist um einen herum alles weiß. Und man ist ganz allein. Pilot zu werden, das war immer mein Kindertraum. Tja, und dann bin ich es doch nicht geworden. Einfacher ist es, auf der Erde zu bleiben."
Vova ist Major der Luftwaffe, als Ingenieur zuständig für die Wartung und Instandhaltung der Maschinen. Zur Sowjetzeit hätte er zur Elite des Landes gehört, so wie sein Vater, der Offizier der Roten Armee war. Der seine Manöver vom Schwarzen Meer bis Weißrussland flog. Der überdurchschnittlichen Sold bekam, kostenfreien Wohnraum für die ganze Familie und alle Privilegien, die eine militärische Supermacht ihren Armeeangehörigen nur bieten kann. Doch die Zeiten haben sich geändert.
" Heute ist mein Vater pensioniert. Aber ich folge seinen Spuren. Das ist Familientradition. Das Vaterland zu beschützen!"
Das Zimmer, das Vova sich mit seiner Frau teilt, ist ganze 14 Quadratmeter groß: Küchenzeile, Fernsehecke, Schlafsofa - einfach und ordentlich. Aus einer Zimmerecke zieht Vova einen Teewagen ans Sofa heran. Der dient als Tisch.
Wie viel man bei der Armee so verdient, möchte Olga gerne von ihrem Freund wissen. Keine 500 Euro im Monat, sagt Vova. Olga ist fassungslos: Wie das denn sein kann, fragt sie, als Major, als Ingenieur mit abgeschlossenem Studium. Vova zuckt die Schultern.
"Natürlich, das ist demütigend. Ich verdiene soviel wie ein Verkäufer, der nichts gelernt hat außer Dosen in Regale zu stellen und Käufer zu bedienen. Oder wie eine Putzfrau."
Auch im zivilen Leben - außerhalb der Armee - hat Vova es schon versucht. In den krisengeschüttelten 90-er Jahren. Als die Russen in ihrer einst so hoch geschätzten Armee plötzlich nur noch einen unproduktiven Steuerfresser sahen; als der Staat keine Gehälter mehr zahlte; als Kampfbomber und Raketenträger verrotteten - da erneuerte Vova seinen Zeitvertrag nicht. Später kehrte er zur Armee zurück.
Wegen der Flugzeuge, erzählt er Olga. Sie hätten ihm gefehlt. Olga wundert sich. Wegen unserer lausigen Flugzeuge? - fragt sie. Vova serviert Tee, reicht Zucker. Er ist beleidigt. Und das zeigt er seiner Freundin auch.
"Unsere Flugzeuge sind nicht lausig. In der Luftfahrt sind wir Russen gut. Das Problem ist nur, dass die Maschinen in unserem Park so alt sind. Die normale Betriebsdauer liegt bei 25 bis 30 Jahren. Aber wir fliegen Flugzeuge, die 40 oder sogar 50 Jahre alt sind."
Vova stockt: Er will keine Militärgeheimnisse verraten. Aber von dem, was er selbst erlebt hat, will er Olga erzählen.
"Gestern waren wir mit dem Hubschrauber unterwegs, ein Dienstflug nach Troizk. Plötzlich ist einer der beiden Motoren ausgefallen. Einfach so: eine Gasexplosion. Wir sind fast abgestürzt. Ich dachte, es sei aus, vor meinem inneren Auge spulte sich schon mein Leben ab - fum-fum-fum. Doch irgendwie sind wir notgelandet. Das wäre fast schiefgegangen. Gott sei Dank war der Pilot kein Anfänger und hatte Erfahrung mit Notsituationen."
Mit den schmutzigen Teetassen verzieht sich Vova ans Spülbecken. Ob er inzwischen mehr Perspektiven für sich sehe, fragt Olga. Jetzt, wo die Regierung eine kräftige Erhöhung des Verteidigungsetats angekündigt habe. Vova schüttelt den Kopf.
"Vielleicht erhöhen sie in Moskau den Etat, das mag schon sein. Aber bei uns wird davon nicht viel ankommen. Die Inflation frisst alles auf. Weißt du, ich glaube, eines Tages werde ich die Armee wieder verlassen. Dann ziehe ich irgendwohin in die Steppe und baue mir dort ein Häuschen. Und dort werde ich dann einfach nur in Ruhe leben."
"In den ersten beiden Oktoberwochen war der Himmel von einer dichten Wolkendecke überzogen. Das Wasser stürzte ununterbrochen vom Himmel, so als wolle die Natur selbst sich reinwaschen. Von all dem menschlichen Schmutz, der sich von Kamtschatka bis Kaliningrad aufgehäuft hatte.
Und übrigens: Bei Kaliningrad tat sich weiterhin nichts Gutes.
Im Baltikum hatten die Marodeure inzwischen ganz offiziell die Macht im Staate an sich gerissen - sie nannten sich die "Waldbrüder", steckten Kommunisten, Juden und aus irgendeinem Grund auch die grünen Umweltschützer in Konzentrationslager, uns sie scheuten sich nicht, für ihre verkommene Ideologie das Bären-Logo meiner Bewegung zu benutzen."
"Die internationalen Abrüstungsverhandlungen sind zum Stillstand gekommen," sagt Hans Blix, der vom Jahr 2000 an, drei Jahre lang Chef der Rüstungskontrollmission der Vereinten Nationen war. Er macht auf eine weitere Entwicklung aufmerksam: Die Indizien mehrten sich, so Blix, dass sich die Welt rückwärts bewegt und dass sie in ein erneutes Wettrüsten abgleitet. Er sagte das indes noch vor der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Moskau hat seine Militärausgaben in den vergangenen Jahren stark erhöht, will sie ab dem kommenden Jahr sogar um mehr als ein Viertel anheben. Europa - noch unter dem Eindruck des Kaukasus-Krieges stehend - zuckte bei dieser Nachricht zusammen - zu Unrecht, wie Moskau behauptet. Denn das Land sieht sich selbst - im Wettstreit der Großen - als verhältnismäßig kleinen Akteur.
Russland und der "Neue Kalte Krieg" - Rüstungsmathematik aus der Sicht des PIR-Zentrums in Moskau
"Lassen Sie mich nachrechnen: Von den globalen Rüstungsausgaben hält Russland gerade mal einen Anteil von drei Prozent - die amerikanische Rüstung macht 47 Prozent aus - das sind 15 Mal mehr! Nein, im Ernst: Der russische Verteidigungsetat ist klein. Dazu kommt, dass sich die Preise für viele Waffengattungen verdoppelt haben. Unter dem Strich wird sich Russland weniger Waffen kaufen können, nicht mehr."
Vadim Kosjulin legt seinen Kuli beiseite und lächelt. Zum Nachweis seiner Rechnung lässt er Statistiken und Analysen aus dem PC auf den Drucker laufen: harte Fakten für die ausländische Journalistin. Sein Kollege, Anton Chlopkov, nickt ihm beifällig zu. Was die westliche Presse über Russland wissen will, das ist ohnehin beiden klar. Ob die Stationierung russischer Iskander-Raketen tatsächlich eine angemessene Antwort auf die US-Raketenabwehr ist? Ob die Welt an einem Wendepunkt angelangt ist - von den kooperativen 90-er Jahren zu einer Neuauflage des Ost-West-Konflikts? Anton Chlopkov wiegt bedächtig den Kopf.
"Die Rüstungsausgaben steigen jetzt auf der ganzen Welt. Auch Russland hat ja bereits bekannt geben, dass es seinen Verteidigungsetat um 27 Prozent erhöhen wird. Das ist tatsächlich viel, und möglicherweise ist noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange erreicht. Leider Gottes stammt das Geld dafür auch aus den Portemonnaies von Vadim und mir. Dennoch glaube ich nicht an einen neuen Kalten Krieg. Die Interessengegensätze zwischen Russland und dem Westen sind nicht ideologisch. Letztlich geht es um Wirtschaftsinteressen."
Chlopkov ist Mitte 30 - für den Geschäftsführer eines politisch-analytischen Instituts ist das auffallend jung. Das PIR-Zentrum befasst sich mit Fragen von Rüstungskontrolle und der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Zentrale Lage in der Moskauer City, moderne Büroausstattung, weicher Teppich: Finanziert wird es aus westlichen wie auch aus russischen Fonds. Offiziell gilt es als unabhängig, doch es gibt auch Stimmen, die ihm eine große Kreml-Nähe nachsagen. Aktuelles Thema sind die Abrüstungsverhandlungen zwischen Russland und der NATO, die vorerst allesamt gescheitert sind. Wer ist schuld? Chlopkovs Antwort ist eindeutig.
"Russland hat ein Interesse daran, die Abrüstungsverträge fortzuführen, aber USA wollen ihre Rüstung nicht begrenzen. Darüber hinaus gibt es den Konflikt um die Frage, ob man die Atom-Raketen tatsächlich verschrotten soll, oder nur demontieren. Die USA wollen sie am liebsten einlagern, damit sie sie wiederverwenden können, am Tag X., Russland will seine Atomraketen vernichten."
Dass die Welt eine neue, eine multipolare Sicherheitsordnung braucht, darin sind Chlopkov und Kosjulin sich einig. Eine Sicherheitsordnung, die die Interessen Russlands stärker berücksichtigt als bisher. Und - das ist das besondere Anliegen von Kosjulin - die sein Land nicht verteufelt, nur weil es die Modernisierungslücke schließt, die seit den 90-er Jahren im gesamten Verteidigungssektor klafft.
"Der Konflikt mit Georgien hat gezeigt, wo die russische Armee angreifbar ist. Es fehlt zum Beispiel an Nachtsicht- und Navigationssystemen. Internationale Beobachter haben sich gefragt, warum Russland das kleine Georgien mit strategischen Bombern beschossen hat - Raketenträger, die für nukleare Sprengköpfe vorgesehen sind. Unbemannte Marschflugkörper wären geeigneter gewesen. Die Antwort lautet: Weil Russland keine besitzt! Viele Panzer sind schon auf dem Weg nach Südossetien liegen geblieben. Unsere konventionellen Raketen sind völlig veraltet, die Hubschraubertechnik ist prähistorisch. Dennoch gilt bislang der Grundsatz, die russische Volkswirtschaft durch Rüstungsausgaben nicht über Gebühr zu belasten. Endlich fühlt sich das Land halbwegs ruhig und stabil. Da liegt ein neues Wettrüsten wirklich nicht in Russlands Interesse."
Im Roman "2012 - Chronik einer aufgewühlten Zeit" ist das letzte Kapitel aufgeschlagen. "Anton", der "aufrechte Bürger", hat sich durchgesetzt, er bedient sich ganz selbstverständlich der Gewalt - als Mittel zum Zweck. Damit ist er zu einem der vielen geworden, die es bereits vor ihm gegeben hat. Er ist Diktator, er ist Tyrann.
""Ehre und Ordnung!"- "Ehre und Ordnung!" -"Ehre und Ordnung!" - Diese einfachen Worte schrien sie alle, die unterschiedlichsten Leute - Männer, Frauen und sogar ein paar Kinder - mit einer so unmittelbaren Begeisterung, als könne allein das Skandieren dieser Worte die gewünschte Ordnung bringen.
Oleg Mejerovitsch, der Psychiater, setzte sich neben mich in den Jeep, und dabei hatte er einen so stolzen Gesichtsausdruck, als wenn er mich gerade eben davon überzeugt hätte, die Todesstrafe abzuschaffen.
Nach einer Stunde Fahrt erreichten mein Jeep und sein Begleittross den Roten Platz. Dort waren die Leute von Palitsch gerade damit beschäftigt, die fliehenden Angestellten des Kreml von den verirrten Marodeuren zu trennen.
Die meisten von ihnen mussten sich mit dem Gesicht nach unten auf den Asphalt legen. Etwa ein Drittel des Roten Platzes war bereits mit riesigen Menschenpulks gefüllt. Sie waren eingekesselt und wurden von mit Maschinengewehren bewaffneten Männern bewacht."
Der Weg "Antons" in "jener aufgewühlten Zeit" ist ein völlig anderer als der von Genia. Genia, der reale Genia, will zwar auch angehen gegen Missstände, er riskiert viel, womöglich sein Leben, doch er bleibt innerhalb der bestehenden Ordnung, er setzt sich mit ihr auseinander, er kritisiert, hinterfragt, er will die Welt verbessern, zu einer "besseren Welt" werden lassen.
Genia war einst leitender Ingenieur im "Chemiekombinat Majak". Doch er stieg aus, geht heute an, gegen die Verstrahlung im Süd-Ural.
In "Majak" wurde noch zu Sowjetzeiten der Hauptanteil des kernwaffenfähigen Plutoniums gewonnen, für die Produktion von Atomwaffen; es kam zu "Unfällen" mit verheerenden Folgen für die Menschen der Region und für die Umwelt. Besonders der Unfall von 1957, der über Jahrzehnte unter den Teppich gekehrt wurde, ist den Menschen präsent, so, als sei die Katastrophe erst gestern geschehen.
Vadim Kosjulin legt seinen Kuli beiseite und lächelt. Zum Nachweis seiner Rechnung lässt er Statistiken und Analysen aus dem PC auf den Drucker laufen: harte Fakten für die ausländische Journalistin. Sein Kollege, Anton Chlopkov, nickt ihm beifällig zu. Was die westliche Presse über Russland wissen will, das ist ohnehin beiden klar. Ob die Stationierung russischer Iskander-Raketen tatsächlich eine angemessene Antwort auf die US-Raketenabwehr ist? Ob die Welt an einem Wendepunkt angelangt ist - von den kooperativen 90-er Jahren zu einer Neuauflage des Ost-West-Konflikts? Anton Chlopkov wiegt bedächtig den Kopf.
"Die Rüstungsausgaben steigen jetzt auf der ganzen Welt. Auch Russland hat ja bereits bekannt geben, dass es seinen Verteidigungsetat um 27 Prozent erhöhen wird. Das ist tatsächlich viel, und möglicherweise ist noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange erreicht. Leider Gottes stammt das Geld dafür auch aus den Portemonnaies von Vadim und mir. Dennoch glaube ich nicht an einen neuen Kalten Krieg. Die Interessengegensätze zwischen Russland und dem Westen sind nicht ideologisch. Letztlich geht es um Wirtschaftsinteressen."
Chlopkov ist Mitte 30 - für den Geschäftsführer eines politisch-analytischen Instituts ist das auffallend jung. Das PIR-Zentrum befasst sich mit Fragen von Rüstungskontrolle und der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Zentrale Lage in der Moskauer City, moderne Büroausstattung, weicher Teppich: Finanziert wird es aus westlichen wie auch aus russischen Fonds. Offiziell gilt es als unabhängig, doch es gibt auch Stimmen, die ihm eine große Kreml-Nähe nachsagen. Aktuelles Thema sind die Abrüstungsverhandlungen zwischen Russland und der NATO, die vorerst allesamt gescheitert sind. Wer ist schuld? Chlopkovs Antwort ist eindeutig.
"Russland hat ein Interesse daran, die Abrüstungsverträge fortzuführen, aber USA wollen ihre Rüstung nicht begrenzen. Darüber hinaus gibt es den Konflikt um die Frage, ob man die Atom-Raketen tatsächlich verschrotten soll, oder nur demontieren. Die USA wollen sie am liebsten einlagern, damit sie sie wiederverwenden können, am Tag X., Russland will seine Atomraketen vernichten."
Dass die Welt eine neue, eine multipolare Sicherheitsordnung braucht, darin sind Chlopkov und Kosjulin sich einig. Eine Sicherheitsordnung, die die Interessen Russlands stärker berücksichtigt als bisher. Und - das ist das besondere Anliegen von Kosjulin - die sein Land nicht verteufelt, nur weil es die Modernisierungslücke schließt, die seit den 90-er Jahren im gesamten Verteidigungssektor klafft.
"Der Konflikt mit Georgien hat gezeigt, wo die russische Armee angreifbar ist. Es fehlt zum Beispiel an Nachtsicht- und Navigationssystemen. Internationale Beobachter haben sich gefragt, warum Russland das kleine Georgien mit strategischen Bombern beschossen hat - Raketenträger, die für nukleare Sprengköpfe vorgesehen sind. Unbemannte Marschflugkörper wären geeigneter gewesen. Die Antwort lautet: Weil Russland keine besitzt! Viele Panzer sind schon auf dem Weg nach Südossetien liegen geblieben. Unsere konventionellen Raketen sind völlig veraltet, die Hubschraubertechnik ist prähistorisch. Dennoch gilt bislang der Grundsatz, die russische Volkswirtschaft durch Rüstungsausgaben nicht über Gebühr zu belasten. Endlich fühlt sich das Land halbwegs ruhig und stabil. Da liegt ein neues Wettrüsten wirklich nicht in Russlands Interesse."
Im Roman "2012 - Chronik einer aufgewühlten Zeit" ist das letzte Kapitel aufgeschlagen. "Anton", der "aufrechte Bürger", hat sich durchgesetzt, er bedient sich ganz selbstverständlich der Gewalt - als Mittel zum Zweck. Damit ist er zu einem der vielen geworden, die es bereits vor ihm gegeben hat. Er ist Diktator, er ist Tyrann.
""Ehre und Ordnung!"- "Ehre und Ordnung!" -"Ehre und Ordnung!" - Diese einfachen Worte schrien sie alle, die unterschiedlichsten Leute - Männer, Frauen und sogar ein paar Kinder - mit einer so unmittelbaren Begeisterung, als könne allein das Skandieren dieser Worte die gewünschte Ordnung bringen.
Oleg Mejerovitsch, der Psychiater, setzte sich neben mich in den Jeep, und dabei hatte er einen so stolzen Gesichtsausdruck, als wenn er mich gerade eben davon überzeugt hätte, die Todesstrafe abzuschaffen.
Nach einer Stunde Fahrt erreichten mein Jeep und sein Begleittross den Roten Platz. Dort waren die Leute von Palitsch gerade damit beschäftigt, die fliehenden Angestellten des Kreml von den verirrten Marodeuren zu trennen.
Die meisten von ihnen mussten sich mit dem Gesicht nach unten auf den Asphalt legen. Etwa ein Drittel des Roten Platzes war bereits mit riesigen Menschenpulks gefüllt. Sie waren eingekesselt und wurden von mit Maschinengewehren bewaffneten Männern bewacht."
Der Weg "Antons" in "jener aufgewühlten Zeit" ist ein völlig anderer als der von Genia. Genia, der reale Genia, will zwar auch angehen gegen Missstände, er riskiert viel, womöglich sein Leben, doch er bleibt innerhalb der bestehenden Ordnung, er setzt sich mit ihr auseinander, er kritisiert, hinterfragt, er will die Welt verbessern, zu einer "besseren Welt" werden lassen.
Genia war einst leitender Ingenieur im "Chemiekombinat Majak". Doch er stieg aus, geht heute an, gegen die Verstrahlung im Süd-Ural.
In "Majak" wurde noch zu Sowjetzeiten der Hauptanteil des kernwaffenfähigen Plutoniums gewonnen, für die Produktion von Atomwaffen; es kam zu "Unfällen" mit verheerenden Folgen für die Menschen der Region und für die Umwelt. Besonders der Unfall von 1957, der über Jahrzehnte unter den Teppich gekehrt wurde, ist den Menschen präsent, so, als sei die Katastrophe erst gestern geschehen.
Geheimakte Majak - Radioaktive "Unfälle" und deren Auswirkungen
"Majak" - der "Leuchtturm": Jene kerntechnische Anlage, die zum Synonym geworden ist für die bestverschwiegene Reaktorkatastrophe der Geschichte. Von oben betrachtet - von der Gebirgsstraße aus, die das riesige, 90 Quadratkilometer große Gelände umrundet - ist nichts zu sehen außer ein paar Gewerbehallen und sieben Industrieschornsteinen. Dass unter jedem ein Reaktor liegt - dass hier unterirdisch das Plutonium für die Atomwaffen-Produktion der Sowjets gewonnen wurde - das muss man wissen.
Heute, soviel ist offiziell bekannt, gibt es auf dem Gelände ein unterirdisches nukleares Gewerbegebiet mit 14.000 Beschäftigten, mit einer Wiederaufbereitungsanlage, Atommüll-Lagern und zwei Reaktoren in Betrieb. Die stellen Isotope her, für medizinische und wissenschaftliche Zwecke - so zumindest lautet die offizielle Version. Die Menschen, die in dieser Region leben, erzählen etwas anderes.
"Ich habe als leitender Ingenieur im Reaktor "Ruslan" gearbeitet. Dort wird Tritium hergestellt, für die Produktion von Wasserstoffbomben. Ja, ich habe die Wasserstoffbombe gebaut. Zwölf Jahre habe ich für Majak gearbeitet, im Jahr 2004 habe ich gekündigt. Weil ich plötzlich begriffen habe, was ich da eigentlich tue. Das war wie eine Selbstreinigung. Ich will keine Atom- oder Wasserstoffbomben bauen. Und ich will nicht, dass es auf dieser Welt überhaupt Waffen gibt."
Der Mann hinter dem Steuer heißt Genia - ein Riese von Gestalt, mit kräftigem Händedruck. Und das, was er da im Plauderton erzählt - inmitten des herbstlichen Wald-Idylls, das am Autofenster vorüberzieht - ist einfach ungeheuerlich. Militärgeheimnisse an die ausländische Presse weiterzuerzählen, in einer Gegend, in der Geheimdienst allgegenwärtig ist, das ist mutig - mehr als mutig.
Genia wohnt in Osjorsk - jener "geschlossenen Stadt", die zu der Kernanlage gehört. Und Genia hat eine Mission: Nach Feierabend steckt er seinen Geigerzähler ein und verlässt die von Hochsicherheitszäunen umgebene und abgeriegelte Stadt. Dann denkt er an einen bestimmten Tag, einen Septembertag vor 51 Jahren. Da explodierte in Majak ein Tank, 80 Tonnen Atommüll wurden in die Luft geschleudert.
"Von Osjorsk aus ist die Wolke - langsam und mit sanftem Niederschlag - nach Nordosten gewandert. Hier an der Straße ist es sauber. Aber schon da hinten, wo die Wälder beginnen, ist alles verstrahlt. Wir fahren hier mitten durch das radioaktive Zentrum - und nirgendwo stehen Warnschilder! Die Leute kommen zum Pilze sammeln hierher! Ich steige immer aus, um sie zu warnen. Doch sie wollen es einfach nicht glauben."
Die Leute warnen: Nach seiner Kündigung bei Majak begann Genia ein Fernstudium der Politologie in Moskau, spezialisierte sich auf Fragen der Nicht-Verbreitung von Atomwaffen. Doch dann sattelte er um: An seiner Spezialisierung schien ihm niemand Interesse zu haben.
Das Tataren-Dörfchen Karabolka liegt abgeschlagen in einer Landschaft aus Sümpfen und Seen. Die bunten Holzhäuschen, die Kuhställe, die Gemüsebeete - überall misst Genia die Radioaktivität. Der zulässige Grenzwert liegt bei 20 Mikroröntgen - überschritten ist er überall, mal knapp - mal deutlich. Einmal, mehr zufällig, hält Genia seinen Geigerzähler an ein Geweih, das eine Eingangstür ziert. Interessiert gesellt sich die Hausbewohnerin dazu.
"Wow, schauen Sie! 100 Mikroröntgen - und die Anzeige klettert weiter! Jetzt sind es schon 217! Das ist ein Albtraum! Das ist zehn Mal höher als der Grenzwert!"
Ungläubig starrt die Frau auf die Messziffern im Display, die weiter und weiter nach oben klettern. Endlich, bei 400 Mikroröntgen, pendelt der Wert sich ein. Ob das sehr schlimm ist, fragt sie unsicher. Genia nickt.
"Offensichtlich hat der Hirsch im Wald etwas Falsches gefressen. Radioaktivität lagert sich in Knochen und Horn besonders gut ab. Das Geweih ist radioaktiv - und Sie laufen ungeschützt darunter herum!"
Die Explosion von 1957 war nur einer von mehreren folgenschweren Vorfällen in der Nuklearanlage, die zum Austritt von Radioaktivität führten. Auch immense Schlampereien, falsche oder mutwillige Anordnungen sind dokumentiert. Und Genia fürchtet, dass das meiste von dem, was in Majak unter Tage schief läuft, noch nicht einmal ans Licht kommt.
Das deckt sich mit den Erkenntnissen internationaler Fachkreise: Anfang der 90-er Jahre waren die Zustände in den russischen A-, B- und C-Waffenfabriken besonders alarmierend - so sehr, dass sie letztlich zu einer beispiellosen globalen Allianz für Abrüstung und Nuklearsicherheit führten. Genja begann im Jahr 1992 für Majak zu arbeiten.
"Die Mitarbeiter verdienten damals umgerechnet zehn Dollar im Monat - zu wenig, um eine Familie zu ernähren. Ihre moralische Verfassung war schlecht. Sie haben als Taxifahrer oder Kleinhändler dazuverdient, und am Arbeitsplatz sind sie eingeschlafen. Andere haben die Rohre aus den Reaktoren abmontiert und den Stahl verscherbelt oder in ihren Datschen verbaut. Einmal habe ich beobachtet, wie sie zu viert einen betrunkenen Ingenieur an seinen Arbeitsplatz getragen haben - und der wachhabende Soldat hat es einfach zugelassen. Das besserte sich erst im Jahr 1996, als aus den USA die ersten Gelder ankamen, um die Sicherheitstechnik zu modernisieren. Zu der Zeit wurden auch die Gehälter erhöht. Damit kehrte die Disziplin schlagartig zurück."
Ein Quantensprung an Sicherheit, glaubt Genia. Und doch kam es weiterhin zu Zwischenfällen. Bei einem war er selbst dabei gewesen. Das war im Jahr 2000, bei Arbeiten dicht am Reaktor.
"Plötzlich fällt die Elektrizität aus und wir stehen da, unterirdisch, ohne Licht und ohne Strom. Computer und Beleuchtung schalten auf Notstrom, aber auch das Kühlsystem des Reaktors ist ausgefallen. Das Ding heizt sich auf - und wir stehen da, können nichts tun. 42 Minuten dauerte der Stromausfall. Dann ging das Licht wieder an, und wir konnten das Kühlsystem herauffahren. Einer unserer Sicherheitsexperten hat später ausgerechnet, dass es noch vier Minuten und 28 Sekunden bis es zur Explosion gedauert hätte - bis zu einem zweiten Tschernobyl. Da habe ich gewusst, dass ich kündigen werde. Zum Teufel mit so einem Job!"
Musljumovo - ein anderes Tatarendorf. Hier ist heute Aktionstag, mit flatternden Fahnen und Kampfreden. Das offizielle Ende des Dorfes wird - so heißt es - besiegelt: Nach mehr als 50 Jahren hat die Regierung endlich das Geld bewilligt, die Bewohner sollen evakuiert werden. Die Siedlung liegt direkt an dem Flüsschen Tjétscha: ein hochkontaminiertes Gewässer. Doch die Kühe trinken daraus, und die Dorfbewohner waschen hier ihre Wäsche. In den 40-er Jahren hatte die Werksleitung ihre radioaktiven Abfälle ungefiltert ins Flusswasser geleitet. Bis heute ist der Grenzwert um das 20- bis 50-fache überschritten.
Die Dorfkinder haben aus Holzschachteln kleine Boote gebastelt, mit brennenden Teelichtern und bunten Papiersegeln - wie sie es aus Hiroshima und Nagasaki kennen. Die lassen sie auf dem Wasser schwimmen. Hunderte kleine Kerzen, die in der Abenddämmerung an dem Geisterdorf vorübertreiben. Den Kindern macht es Spaß. Angst vor dem Wasser kennen die meisten nicht.
Klar sind sie im Tjetscha baden gegangen, erzählen sie. Nicht alle, aber die meisten. Knochenschmerzen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche hat der Fluss ihnen gebracht. Aber was sonst, fragen sie, hätten sie tun sollen - im Sommer, bei 30 Grad?
Es ist fast dunkel, als Genia sich in Richtung Heimat auf den Weg macht. Es ist kaum jemand unterwegs. Einsam zieht sich die Landstraße durch die nächtlichen Wälder. Bis auf einmal die Lichter einer Wagenkolonne in der Windschutzscheibe aufblenden. Es sind Militärjeeps, Dutzende.
"Truppenbewegungen! Seit dem Georgien-Krieg sind sie hier überall unterwegs, zu irgendwelchen Manövern. Mit wem wollen die denn bloß kämpfen, in Gottes Namen! Mit den Amerikanern etwa? Sich gegenseitig mit Atombomben bewerfen und gemeinsam sterben? Und das auch noch von unseren Steuergeldern! Während unsere Kinder in den Kindergärten frieren, weil es nicht mehr reicht, die Löcher in den Fenstern zu stopfen! Verdammte Scheiße - ein Land der Idioten!"
Sie hörten die Sendung "Gesichter Europas": Neue Waffen für den Kreml? Russland zwischen Angst und Großmachtstreben". Autorin der Portraits und Reportagen war Andrea Rehmsmeier. Die Musik suchte Babette Michels aus. Sprecher der Literatur war Axel Gottschick. Am Mikrofon verabschiedet sich Susanne El Khafif.
Heute, soviel ist offiziell bekannt, gibt es auf dem Gelände ein unterirdisches nukleares Gewerbegebiet mit 14.000 Beschäftigten, mit einer Wiederaufbereitungsanlage, Atommüll-Lagern und zwei Reaktoren in Betrieb. Die stellen Isotope her, für medizinische und wissenschaftliche Zwecke - so zumindest lautet die offizielle Version. Die Menschen, die in dieser Region leben, erzählen etwas anderes.
"Ich habe als leitender Ingenieur im Reaktor "Ruslan" gearbeitet. Dort wird Tritium hergestellt, für die Produktion von Wasserstoffbomben. Ja, ich habe die Wasserstoffbombe gebaut. Zwölf Jahre habe ich für Majak gearbeitet, im Jahr 2004 habe ich gekündigt. Weil ich plötzlich begriffen habe, was ich da eigentlich tue. Das war wie eine Selbstreinigung. Ich will keine Atom- oder Wasserstoffbomben bauen. Und ich will nicht, dass es auf dieser Welt überhaupt Waffen gibt."
Der Mann hinter dem Steuer heißt Genia - ein Riese von Gestalt, mit kräftigem Händedruck. Und das, was er da im Plauderton erzählt - inmitten des herbstlichen Wald-Idylls, das am Autofenster vorüberzieht - ist einfach ungeheuerlich. Militärgeheimnisse an die ausländische Presse weiterzuerzählen, in einer Gegend, in der Geheimdienst allgegenwärtig ist, das ist mutig - mehr als mutig.
Genia wohnt in Osjorsk - jener "geschlossenen Stadt", die zu der Kernanlage gehört. Und Genia hat eine Mission: Nach Feierabend steckt er seinen Geigerzähler ein und verlässt die von Hochsicherheitszäunen umgebene und abgeriegelte Stadt. Dann denkt er an einen bestimmten Tag, einen Septembertag vor 51 Jahren. Da explodierte in Majak ein Tank, 80 Tonnen Atommüll wurden in die Luft geschleudert.
"Von Osjorsk aus ist die Wolke - langsam und mit sanftem Niederschlag - nach Nordosten gewandert. Hier an der Straße ist es sauber. Aber schon da hinten, wo die Wälder beginnen, ist alles verstrahlt. Wir fahren hier mitten durch das radioaktive Zentrum - und nirgendwo stehen Warnschilder! Die Leute kommen zum Pilze sammeln hierher! Ich steige immer aus, um sie zu warnen. Doch sie wollen es einfach nicht glauben."
Die Leute warnen: Nach seiner Kündigung bei Majak begann Genia ein Fernstudium der Politologie in Moskau, spezialisierte sich auf Fragen der Nicht-Verbreitung von Atomwaffen. Doch dann sattelte er um: An seiner Spezialisierung schien ihm niemand Interesse zu haben.
Das Tataren-Dörfchen Karabolka liegt abgeschlagen in einer Landschaft aus Sümpfen und Seen. Die bunten Holzhäuschen, die Kuhställe, die Gemüsebeete - überall misst Genia die Radioaktivität. Der zulässige Grenzwert liegt bei 20 Mikroröntgen - überschritten ist er überall, mal knapp - mal deutlich. Einmal, mehr zufällig, hält Genia seinen Geigerzähler an ein Geweih, das eine Eingangstür ziert. Interessiert gesellt sich die Hausbewohnerin dazu.
"Wow, schauen Sie! 100 Mikroröntgen - und die Anzeige klettert weiter! Jetzt sind es schon 217! Das ist ein Albtraum! Das ist zehn Mal höher als der Grenzwert!"
Ungläubig starrt die Frau auf die Messziffern im Display, die weiter und weiter nach oben klettern. Endlich, bei 400 Mikroröntgen, pendelt der Wert sich ein. Ob das sehr schlimm ist, fragt sie unsicher. Genia nickt.
"Offensichtlich hat der Hirsch im Wald etwas Falsches gefressen. Radioaktivität lagert sich in Knochen und Horn besonders gut ab. Das Geweih ist radioaktiv - und Sie laufen ungeschützt darunter herum!"
Die Explosion von 1957 war nur einer von mehreren folgenschweren Vorfällen in der Nuklearanlage, die zum Austritt von Radioaktivität führten. Auch immense Schlampereien, falsche oder mutwillige Anordnungen sind dokumentiert. Und Genia fürchtet, dass das meiste von dem, was in Majak unter Tage schief läuft, noch nicht einmal ans Licht kommt.
Das deckt sich mit den Erkenntnissen internationaler Fachkreise: Anfang der 90-er Jahre waren die Zustände in den russischen A-, B- und C-Waffenfabriken besonders alarmierend - so sehr, dass sie letztlich zu einer beispiellosen globalen Allianz für Abrüstung und Nuklearsicherheit führten. Genja begann im Jahr 1992 für Majak zu arbeiten.
"Die Mitarbeiter verdienten damals umgerechnet zehn Dollar im Monat - zu wenig, um eine Familie zu ernähren. Ihre moralische Verfassung war schlecht. Sie haben als Taxifahrer oder Kleinhändler dazuverdient, und am Arbeitsplatz sind sie eingeschlafen. Andere haben die Rohre aus den Reaktoren abmontiert und den Stahl verscherbelt oder in ihren Datschen verbaut. Einmal habe ich beobachtet, wie sie zu viert einen betrunkenen Ingenieur an seinen Arbeitsplatz getragen haben - und der wachhabende Soldat hat es einfach zugelassen. Das besserte sich erst im Jahr 1996, als aus den USA die ersten Gelder ankamen, um die Sicherheitstechnik zu modernisieren. Zu der Zeit wurden auch die Gehälter erhöht. Damit kehrte die Disziplin schlagartig zurück."
Ein Quantensprung an Sicherheit, glaubt Genia. Und doch kam es weiterhin zu Zwischenfällen. Bei einem war er selbst dabei gewesen. Das war im Jahr 2000, bei Arbeiten dicht am Reaktor.
"Plötzlich fällt die Elektrizität aus und wir stehen da, unterirdisch, ohne Licht und ohne Strom. Computer und Beleuchtung schalten auf Notstrom, aber auch das Kühlsystem des Reaktors ist ausgefallen. Das Ding heizt sich auf - und wir stehen da, können nichts tun. 42 Minuten dauerte der Stromausfall. Dann ging das Licht wieder an, und wir konnten das Kühlsystem herauffahren. Einer unserer Sicherheitsexperten hat später ausgerechnet, dass es noch vier Minuten und 28 Sekunden bis es zur Explosion gedauert hätte - bis zu einem zweiten Tschernobyl. Da habe ich gewusst, dass ich kündigen werde. Zum Teufel mit so einem Job!"
Musljumovo - ein anderes Tatarendorf. Hier ist heute Aktionstag, mit flatternden Fahnen und Kampfreden. Das offizielle Ende des Dorfes wird - so heißt es - besiegelt: Nach mehr als 50 Jahren hat die Regierung endlich das Geld bewilligt, die Bewohner sollen evakuiert werden. Die Siedlung liegt direkt an dem Flüsschen Tjétscha: ein hochkontaminiertes Gewässer. Doch die Kühe trinken daraus, und die Dorfbewohner waschen hier ihre Wäsche. In den 40-er Jahren hatte die Werksleitung ihre radioaktiven Abfälle ungefiltert ins Flusswasser geleitet. Bis heute ist der Grenzwert um das 20- bis 50-fache überschritten.
Die Dorfkinder haben aus Holzschachteln kleine Boote gebastelt, mit brennenden Teelichtern und bunten Papiersegeln - wie sie es aus Hiroshima und Nagasaki kennen. Die lassen sie auf dem Wasser schwimmen. Hunderte kleine Kerzen, die in der Abenddämmerung an dem Geisterdorf vorübertreiben. Den Kindern macht es Spaß. Angst vor dem Wasser kennen die meisten nicht.
Klar sind sie im Tjetscha baden gegangen, erzählen sie. Nicht alle, aber die meisten. Knochenschmerzen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche hat der Fluss ihnen gebracht. Aber was sonst, fragen sie, hätten sie tun sollen - im Sommer, bei 30 Grad?
Es ist fast dunkel, als Genia sich in Richtung Heimat auf den Weg macht. Es ist kaum jemand unterwegs. Einsam zieht sich die Landstraße durch die nächtlichen Wälder. Bis auf einmal die Lichter einer Wagenkolonne in der Windschutzscheibe aufblenden. Es sind Militärjeeps, Dutzende.
"Truppenbewegungen! Seit dem Georgien-Krieg sind sie hier überall unterwegs, zu irgendwelchen Manövern. Mit wem wollen die denn bloß kämpfen, in Gottes Namen! Mit den Amerikanern etwa? Sich gegenseitig mit Atombomben bewerfen und gemeinsam sterben? Und das auch noch von unseren Steuergeldern! Während unsere Kinder in den Kindergärten frieren, weil es nicht mehr reicht, die Löcher in den Fenstern zu stopfen! Verdammte Scheiße - ein Land der Idioten!"
Sie hörten die Sendung "Gesichter Europas": Neue Waffen für den Kreml? Russland zwischen Angst und Großmachtstreben". Autorin der Portraits und Reportagen war Andrea Rehmsmeier. Die Musik suchte Babette Michels aus. Sprecher der Literatur war Axel Gottschick. Am Mikrofon verabschiedet sich Susanne El Khafif.