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Neue Waffen gegen Schmarotzer

Medizin. - Parasiten teilen mit Krebszellen charakteristische Eigenschaften, wie etwa eine ungezügelte Vermehrung oder die Fähigkeit, den menschlichen Stoffwechsel zu ihren Gunsten umzuprogrammieren. Doch damit besitzen die ungebetenen Gäste auch ähnliche Angriffsstellen wie Tumorzellen, entdeckten jetzt Biochemiker der Universität Heidelberg.

    Krebszellen sind ungeheure biologische Fabriken, die enorme Energiemengen in ihren Zellzyklus investieren. Zwangsläufig produzieren sie dabei eine Vielzahl unterschiedlichster Enzyme, die den Stoffwechselumsatz unterhalten. Um den mörderischen Zellen sozusagen den Strom abzudrehen, untersucht die Pharmaindustrie ständig neue Substanzen auf die Möglichkeit, die Arbeitsmaschinen der entarteten Zellen zu blockieren. Nur wenige Verbindungen eignen sich für diesen Zweck und können als Krebsmedikamente verwendet werden, der Rest verschwindet dagegen in den Archiven. Doch jetzt könnte die Stunde der ausgemusterten Wirkstoffe geschlagen haben, denn möglicherweise helfen sie gegen einen anderen Feind: Parasiten.

    "Verbindungen, die nicht weiter von der Industrie verfolgt wurden, weil sie ein bestimmtes menschliches Enzym nicht ausreichend ausschalteten, sind prädestiniert für einen Einsatz gegen Parasiten", erläutert Professor Luise Krauth-Siegel, Biochemikerin von der Universität Bremen. Der Grund: Gerade weil sie Körperzellen nicht wesentlich beeinträchtigen, erfüllen die gut untersuchten Substanzen eine essentielle Bedingung für Medikamente. So benötigt beispielsweise der Erreger der Schlafkrankheit lebensnotwendig ein Enzym aus dem Entgiftungsstoffwechsel bestimmter Stickstoffverbindungen. Der menschliche Körper besitzt dagegen noch weitere Wege, um mit den Abbauprodukten fertig zu werden und kann auch ohne das Enzym gut zurecht kommen. Derzeit untersuchen Wissenschaftler, ob dieser Unterschied zwischen Mensch und Parasit genügt, um eine Therapiestrategie daraus zu entwickeln.

    Ein anderes, bereits im Kampf gegen Brustkrebs etabliertes Medikament erwies sich vor kurzem als wirksam gegen eine andere parasitäre Erkrankung, die Leishmaniose: "In Tierversuchen konnte das Präparat sehr erfolgreich den Erreger vernichten und die Leishmaniose heilen", berichtet Professor Hansjörg Eibl vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen. Das Medikament hemmt das Recycling von Zellhüllen, das vor allem bei sich sehr oft teilenden Zellen, wie etwa Tumorzellen und auch Parasiten, eine wichtige Rolle spielt. Dagegen teilen sich die Zellen von gesunden Gewebeverbänden eher im Schneckentempo - der Effekt der Arznei auf den befallenen Körper fällt daher gering aus. Weiterer Vorteil: Auf die einzigen bisherigen Medikamente aus dem äußerst giftigen Element Antimon, gegen den überdies einzelne Keimstämme resistent sind, könnte dann verzichtet werden.

    [Quelle: Hellmuth Nordwig]