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Neue Wirtschaftsministern Brigitte Zypries
Die Pragmatikerin

In ihrer ersten Rede gab sich die neue Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries ungewöhnlich kämpferisch und verteidigte den freien und fairen Handel. Dabei gilt sie eher als Macherin denn als politische Visionärin. Die SPD-Politikerin hat auf dem neuen Posten allerdings auch nichts zu verlieren.

Von Gudula Geuther | 27.01.2017
    Brigitte Zypries (SPD), ehemalige Justizministerin und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie
    Brigitte Zypries (SPD) ist neue Bundeswirtschaftsministerin. (imago/stock&people)
    Es wollte der Zufall, dass Brigitte Zypries als neue Wirtschaftsministerin Minuten nach ihrer Vereidigung am Rednerpult des Bundestages sprach - um das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta zu verteidigen: "In Zeiten, wo in Nordamerika Mauern gebaut werden und mit protektionistischen Schutzzöllen gedroht wird, ist es wichtiger denn je, dass wir Europäer uns einig sind: Wir stehen zusammen und wir stehen gemeinsam für faire und für offene Handelsbeziehungen."
    Für die erste Frau im Bundeswirtschaftsministerium ist das ungewöhnlich kämpferisch. Sie gilt eher als Macherin denn als politische Visionärin. Ihre frühe Karriere hätte denn auch in ministerielle Sachebenen des Berufsbeamtentums führen können. Das gilt für die Arbeit als Referentin in der Hessischen Staatskanzlei, für die als Mitarbeiterin beim Bundesverfassungsgericht, und für den Wechsel als Staatssekretärin im Arbeitsministerium im Kabinett des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder.
    Inhaltliche Kontinuität im Ministerium
    Erst zu dieser Zeit, 1991, trat die Juristin der SPD bei, holte bald ihren Gießener Studienfreund Frank-Walter Steinmeier nach. Und knüpfte weitere Bekanntschaften, wie ihr Parteichef und Vorgänger im Wirtschaftsministerium Sigmar Gabriel vor zwei Tagen sagte. "Frau Zypries und ich, wir kennen uns seit Anfang der 90er-Jahre. Damals ist sie Referentin in der Staatskanzlei des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder geworden. Und mein erster Haushalt als Fraktionsvorsitzender der SPD im niedersächsischen Landtag ist bei mir zu Hause unterm Apfelbaum mit Frau Zypries, Frank Steinmeier in kurzen Hosen und mir - stellen Sie sich das bitte bei ihm vor, bei mir bitte nicht - auch in kurzen Hosen gemacht worden. Wir kennen uns alle seit vielen, vielen Jahren und vertrauen uns deshalb auch sehr."
    Für Gabriel auch ein Grund für inhaltliche Kontinuität. Dem - bald schon - Bundeskanzler Gerhard Schröder folgte Brigitte Zypries nach Bonn und Berlin. Als beamtete Staatssekretärin im Bundesinnenministerium unter Otto Schily bewährte sie sich als Organisatorin nach der Flutkatastrophe in Ostdeutschland 2002. Im selben Jahr wurde gewählt, und die bisherige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, kämpferische Rechtspolitikerin, stolperte über einen angeblichen Vergleich des damaligen US-Präsidenten George W. Bush mit Adolph Hitler. Zypries ließ sich verpflichten. Und blieb Justizministerin nicht nur in der rot-grünen, sondern auch in der dann folgenden Großen Koalition.
    Keine Kandidatur bei der Bundestagswahl
    Dass die frühere Ministerin als Parlamentarische Staatssekretärin ins Wirtschaftsministerium wechselte, passt zu ihrem uneitlen Pragmatismus. Ihre Themen hätten sie gereizt, sagte sie damals zur Begründung. Darunter sind Randthemen wie die Luft- und Raumfahrtpolitik, aber auch die Digitalisierung, der technologische Wandel, die Mittelstandspolitik und Unternehmensgründungen. Die 63-Jährige dürfte sich wohl selbst als Übergangsministerin sehen. Schon vor Wochen hatte die mehrfach in Darmstadt direkt gewählte Abgeordnete angekündigt, nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren.