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Neuer Ärger über Endlagersuche

Mehr als drei Jahrzehnte lang hatte die Politik gestritten, Anfang April nun einigten sich Bund und Länder auf eine ergebnisoffene Suche nach einem Atommüllendlager. Umweltverbände hatten lange für einen solchen Konsens gekämpft. Doch nun empören sie sich über das Prozedere.

Philip Banse im Gespräch mit Jule Reimer | 18.04.2013
    Jule Reimer: Wir bleiben bei der Klimaerwärmung, besser gesagt, bei dem Bereich, von dem die Entwicklung des Klimawandels abhängt: Die deutsche Energiewende. Ausgelöst wurde sie durch die Atomkatastrophe von Fukushima. Der Atomausstieg und damit die Aussicht auf eine Begrenzung des Atommülls sollte zudem, so die Hoffnung, die Suche nach einem Endlager erleichtern. Bundesumweltminister Altmaier hat jetzt geschafft, einen Konsens mit den Bundesländern zur Endlagersuche herbeizuführen, unter Einbeziehung von Gorleben, aber ergebnisoffen. Auch die Umweltverbände hatten lange für einen solchen Konsens gekämpft, aber jetzt sind sie wieder sauer. Philip Banse in Berlin, warum?


    Philipp Banse: Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe und der Bundesverband der Bürgerinitiativen beklagen sich, dass sie viel zu wenig Zeit bekommen hätten, um den Entwurf für ein Endlagersuchgesetz zu beurteilen. Tobias Münchmeyer von Greenpeace:

    "Bei Greenpeace ist um 17 Uhr 12 am Montag eine E-Mail eingegangen von einem Referenten des Bundesumweltministeriums. Die Fristsetzung war für den folgenden Tag, den 17. April."

    Keine zwei Tage, um einen 75-seitigen Gesetzentwurf zu lesen und zu bewerten – üblich seien für so etwas ein bis zwei Wochen, sagt Greenpeace-Mann Münchmeyer:

    "Das ist einmalig. So etwas hat es meines Wissens noch nie gegeben. Wir haben den Eindruck, dass es Bundesumweltminister Altmaier wurscht ist, was die Zivilgesellschaft, was die Umweltorganisationen, was Greenpeace da denkt von seinem Gesetzentwurf. Anders können wir das nicht interpretieren."

    Die atompolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, kann die Aufregung der Umweltverbände nicht verstehen:

    "Der Gesetzentwurf hat sich jetzt nicht so massiv verändert von den Gesetzentwürfen, die die Umweltverbände auch vorher schon hatten. Also das ist jetzt nicht so ein Hexenwerk, finde ich. Ich musste das auch von einem Tag auf den nächsten lesen und bewerten, das kann man irgendwie schon machen."

    Der Sprecher von Umweltminister Altmaier, CDU, sagt, auch er sehe keinen Grund zur Klage. Das Umweltministerium habe den Gesetzentwurf bereits drei Tage vor der E-Mail an die Umweltverbände im Internet veröffentlicht. Zudem habe Umweltminister Altmaier eine weitere Anhörung der Umweltverbände zum Gesetz durchgesetzt:

    "Das bedeutet, dass im Mai noch eine wirkliche Anhörung der Umweltverbände im Umweltausschuss stattfinden kann. So haben wir jetzt vor der ersten Lesung und nach der ersten Lesung eine Verbändeanhörung."

    Reimer: Eine andere große Enttäuschung ist für viele Umweltverbände die Uneinigkeit der Bundesregierung bei der Reform des Emissionshandels. Das war sicher auch ein Grund, warum das EP am Dienstag gegen eine Verknappung der Emissionsrechte gestimmt hat. Aus den Einnahmen sollte eigentlich die Energiewende finanziert werden, aber gestern gab der Bundesfinanzminister bekannt, dass statt zwei Milliarden Euro dieses Jahr nur rund 885 Millionen in den Fonds fließen werden, weil die Zertifikate zu Niedrigstpreisen verramscht werden. Welche Folgen hat das?


    Banse: Mit dem Energie- und Klimafonds sollen ja wichtige Projekte der Energiewende bezahlt werden. Jetzt ist weit weniger Geld im Fonds als geplant, weil die CO2-Zertifikate, die Verschmutzungsrechte, viel billiger sind als gedacht. Der Sprecher von Umweltminister Altmaier sagt, statt zwei Milliarden Euro stünden jetzt nur 1,4 Milliarden Euro im Fonds zur Verfügung – es müsse also gekürzt werden:

    "Ich kann keine konkreten Projekte nennen, bei denen gekürzt wird. Wir werden die wichtigsten Projekte finanzieren können."

    Wie kann mehr Geld in den Fonds fließen? Da sind sich Umweltministerium und Greenpeace ausnahmsweise mal einig: Es müssen Zertifikate aus dem Markt genommen werden. Das hat das EU-Parlament diese Woche abgelehnt und auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler, FDP, lehnt das ab. Tobias Austrup von Greenpeace fordert daher:

    "Die Bundesregierung muss eine klare Linie verfolgen, sie muss eine klare Position entwickeln. Jetzt ist Frau Merkel gefragt, zwischen diesen beiden Ministerien ein Machtwort zu sprechen und den Emissionshandel wieder auf die richtige Spur zu bringen."

    Der Sprecher von Umweltminister Altmaier weist darauf hin, dass die Verringerung der Verschmutzungsrechte noch nicht vom Tisch sei. Die EU-Kommission wolle nach der Ablehnung durch das EU-Parlament einen neuen Anlauf machen. Noch müsse die Bundesregierung daher nicht mit einer Stimme sprechen. Wenn es so weit sei, werde sie das aber tun.