Archiv


Neuer Angriff auf den Aids-Erreger

Medizin. - Im Februar kommenden Jahres soll erstmals in Deutschland und Belgien ein neuer Impfstoff gegen das Virus der Immunschwäche Aids klinisch erprobt werden. Das Vakzin, so hoffen Forscher, könnte Gesunde vor einer Infektion mit dem Virus schützen. Allerdings würde ein solcher Schutz – wenn er wirkt – nur gegen eine bestimmte, vor allem in Afrika auftretende Variante des HI-Virus greifen.

    Der Impfstoff, der ab Februar in Deutschland und Belgien erprobt werden soll, besteht aus so genannten Adeno-assoziierten Viren, die mit charakteristischen genetischen Informationen eines afrikanischen HI-Virus beladen wurden und diese in Zellen der Versuchteilnehmer einführen werden. Die so mit den Erbinformationen gefütterten Zellen sollen dann Eiweiße des HI-Virus produzieren, auf die wiederum das Immunsystem mit der Bildung von Abwehrmolekülen reagieren soll. Damit erinnert das Verfahren an die so genannte Gen-Therapie, bei der ebenfalls externe Bauanleitungen für Proteine in den Körper eingebracht werden, um dort quasi auf Kommando hergestellt zu werden. In der ersten Phase der Studie soll untersucht werden, ob die Methode tatsächlich zur Bildung wirksamer Antikörper geeignet ist. An dem Projekt beteiligen sich Institute in Hamburg, Bonn, Brüssel und Gent.

    Hinter dem neuartigen Ansatz steht die Idee, in Europa mit modernster Technik einen Impfstoff zu entwickeln und ihn dann – sofern sich die Hoffnungen bestätigen – afrikanischen Ländern anzubieten. Bisherige Tierversuche verliefen bereits viel versprechend. Auf diese Weise geimpfte Makakenaffen infizierten sich zwar mit dem HIV-Äquivalent SIV (Simian Immunodeficiency Virus), konnten diese Ansteckung allerdings sehr gut kontrollieren. Sämtliche Tiere einer Kontrollgruppe starben dagegen an der Infektion. Weil bei den Versuchen an den Affen besonders aggressive Virusstämme zum Einsatz kamen, erhoffen die Wissenschaftler, dass der Impfstoff möglicherweise sogar einen sehr guten Schutz vor den weniger aggressiven menschlichen HI-Viren bieten könnte. 50 freiwillige Versuchsteilnehmer sollen ab Februar in den vier teilnehmenden Zentren den Impfstoff erhalten. Dabei richten die Mediziner ihr Augenmerk zunächst auf mögliche Nebenwirkungen der Behandlung. Fallen diese beherrschbar aus, könnte die Studie in etwa einem Jahr in ihre nächste Stufe eintreten, bei der dann der eigentliche Impfschutz überprüft wird. Dieser Abschnitt werde, so die Initiatoren, nicht mehr nur allein in Europa, sondern auch in Afrika stattfinden. Einzelheiten dazu stünden aber zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht fest.

    Das Projekt stellt unterdessen nur einen von zahlreichen, weltweit parallel stattfindenden Ansätzen auf der Suche nach einem wirksamen Impfmittel dar. Hintergrund für diese nebeneinander unternommenen Anstrengungen ist die Tatsache, dass das HI-Virus in seiner Erscheinung äußerst variabel ist und sich so immer wieder der Körperabwehr entzieht. Überdies ist bis heute noch nicht völlig geklärt, mit welchen Mechanismen das Immunsystem erfolgreich gegen den Aids-Erreger angehen könnte. Auf der Basis mehrerer zumindest teilweise funktionierender Impfverfahren könnte dann möglicherweise eines Tages quasi im Baukastenverfahren ein umfassender Impfschutz gegen das AIDS-Virus hergestellt werden. Weil die Forscher bislang aber zahlreiche Rückschläge in der Impfstoffentwicklung hinnehmen mussten, warnen sie vor überzogenen Erwartungen. Man stehe auf einem langwierigen Weg, auf dem nur Schritt für Schritt das Ziel eines Impfstoffes erreicht werden könne.

    [Quelle: Martin Winkelheide]