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Neuer Anlauf für CO2-Emissionshandel

Der Handel mit Verschmutzungsrechten, den sogenannten CO2-Zertifikaten, soll dem Klimaschutz dienen. Doch der Preisverfall hat dazu geführt, dass es günstiger ist, ein altes Braunkohlekraftwerk zu betreiben als ein modernes Gaskraftwerk. Jetzt hat das EU-Parlament erneut versucht, den Emissionshandel zu reformieren.

Von Eva Raisig |
    Der Kompromiss hat die erste Hürde geschafft, so richtig glücklich ist aber kaum jemand über den neuen Vorschlag. Denn dass er die Misere des Emissionshandels langfristig lösen kann, glauben die wenigsten. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission, der vor zwei Monaten vom EU-Parlament zurückgewiesen worden war, hatte vorgesehen, einen Teil der überschüssigen Emissionszertifikate zeitweise vom Markt zu nehmen. Dadurch sollte ein weiterer Preisverfall der Verschmutzungsrechte verhindert werden. Erst einige Jahre später, 2019 und 2020, sollten die Zertifikate dann wieder in Umlauf gebracht werden.

    In dem neuen Vorschlag ist dieses sogenannte Backloading zwar immer noch festgeschrieben, allerdings in weitaus weicherer Form: Die Zertifikate sollen nun viel schneller wieder auf den Markt gebracht werden. Für Herbert Reul, den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im EU-Parlament und Gegner des Backloadings, völlig unverständlich:

    "Ich verstehe das ganze System jetzt nicht mehr. Wenn man sagt, ich nehme Zertifikate aus dem Markt, und sagt, zu dem Zeitpunkt kommen sie rein und dieser Zeitpunkt ist jetzt auch noch kürzer als bei der letzten Abstimmung, dann ist doch für jeden, der mit den Zertifikaten handelt, klar, das ist eine Mogelpackung. Das macht keinen Sinn. Also wir werden das, was die erreichen wollen, nämlich die Zertifikatpreise zu erhöhen, nicht erreichen."

    Bleiben die Zertifikatpreise aber auf einem so niedrigen Niveau wie in den letzten Jahren, sinkt auch der Anreiz für Unternehmen, statt in Zertifikate in klimaschonende Technologie zu investieren. Kritiker des Backloadings befürchten dagegen, dass ein Eingreifen in den Zertifikatehandel und den Markt Nachteile für die Industrie hätte. Für Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, ist diese Sichtweise ein Rückschritt in der Idee des Emissionshandels.

    "Europa vergibt gerade zwei Chancen, nämlich guten Klimaschutz zu machen, aber auch dafür zu sorgen, dass die europäische Industrie innovativer wird."

    Auch den Fonds, den der neue Vorschlag vorsieht, um energieintensive Industrien dabei zu unterstützen, klimafreundliche Projekte voranzutreiben, sehen die meisten nur als ein Trostpflaster. So ist das Ergebnis der heutigen Abstimmung vor allem als ein strategischer Schritt zu sehen, um das System des Emissionshandels nicht gänzlich untergehen zu lassen. Der Minimalkompromiss soll sicherstellen, dass die Tür zu einer grundlegenden Reform des Zertifikatehandels für die Kommission einen Spaltbreit offen bleibt, betont Peter Liese, der für die Christdemokraten im Umweltausschuss des EU-Parlaments sitzt.

    "Man muss klar sagen, dass das nicht eine dauerhafte Lösung für die Probleme des Emissionshandels ist, aber eine Zurückweisung des Kommissionsvorschlags hätte jede andere Lösung unmöglich gemacht, und von daher ist ein schwacher Kompromiss besser als gar nichts, und wir werden ohnehin in den nächsten Jahren diskutieren müssen, wie wir mit dem Klimaschutz und dem Emissionshandel ganz konkret in Europa weitermachen wollen."

    Die großen Hürden stehen dem neuen Vorschlag aber noch bevor. Denn wie weit der heutige Kompromissvorschlag die Tür zu einer tiefer gehenden Reform des Zertifikatehandels tatsächlich offengehalten hat, wird sich erst bei der Abstimmung im Plenum und im Ministerrat zeigen.