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"Jersey Boys" von Clint Eastwood

01.08.2014
    Sie haben es geschafft. Die vier jungen Musiker aus New Jersey stürmen von Erfolg zu Erfolg, bis hin zur ehrwürdigen Carnegie Hall in New York. Ihre Geschichte beginnt in ganz armen Verhältnissen: Frankie Valli, eigentlich Frank Castelluccio, Sohn italienischer Immigranten, steckt 1951 noch in einer Friseurausbildung. Zwei Kumpels, Kleinkriminelle, die ein wenig Musik machen, holen ihn in ihre Band. Immer werden die Proben von Knastaufenthalten unterbrochen, aber der örtliche Mafiapate glaubt an den Erfolg seiner Jungs, besonders an die Stimme von Frankie Valli.
    "Jersey Boys" ist der jüngste Spielfilm des 84-jährigen Clint Eastwood, seine 33. Regiearbeit. Von 1951 bis ins Jahr 1990 erzählt er vom Aufstieg und Zerfall der US-amerikanischen Popgruppe „Four Seasons" von jungen Männern aus New Jersey, die von ganz unten kommen und es ganz nach oben schaffen.
    Der Film basiert auf dem gleichnamigen erfolgreichen Broadway Musical und Clint Eastwood hat seine Hauptdarsteller direkt von der Bühne geholt:
    John Lloyd Young, Erich Bergen, Michael Lomenda und Vincent Piazza bringen die Musik jener Jahre authentisch zum Klingen: Die harte Konkurrenz im Plattengeschäft, die pausenlosen Tourneen, die nur wenig Zeit für das Privatleben lassen, die Gier nach noch mehr Ruhm und noch mehr Geld.
    Wer diese Musik liebt, die sentimentalen Ohrwürmer, das schrille Tenorfalsett der Rock&Roll Jahre, der beginnenden Popmusik, für den ist "Jersey Boys" ein Genuss.
    Darüber hinaus erzählt Eastwood sehr anekdotisch und in nostalgischen Pastellfarben von den Wirrungen und Irrungen der vier Musiker, montiert sie bilderbogenartig um die populären Songs herum und bleibt dabei an der Oberfläche. Dabei vermitteln die charmanten jungen Schauspieler im perfekten Setting der 50er und 60er Jahre nur wenig über die Psychologie der Menschen, die sie verkörpern sollen.
    Große Mädchen weinen nicht, "Big Girls don't cry", war einer der größten Hits der Band aber Frauen spielen in "Jersey Boys" keine große Rolle: Die Töchter und Ehefrauen leiden am Rande, trinken und sterben, oder sind begeisterte Groupies, die man schnell wegschicken kann, wenn die eigentliche Arbeit oder wichtige Verhandlungen beginnen, stehen für ein gescheitertes Familienleben oder für das Versagen als Vater. Die wenigen eindringlichen Momente, etwa das Gespräch zwischen Vater und Tochter, gehen unter im Strudel der zahllosen Episoden Männerfreundschaften, Mafia, leichtem Musical und dem alten amerikanischen Traum vom Aufstieg, in dem es auch junge Delinquenten mit eisernen Willen und harter Arbeit nach ganz oben schaffen können.
    Die Geschichte vom Aufstieg und Niedergang von Musikgruppen ist mittlerweile ein eigenes Subgenre geworden. Oft spiegeln diese Filme etwa über die deutschen "Comedian Harmonists" oder die kubanischen "Los Zafiros" gesellschaftliche und politische Prozesse im Umfeld der Musiker wider. Von den gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA zeitgleich zum Aufstieg der "Four Seasons" erzählt Clint Eastwood fast nichts.
    Wenn sich am Ende die zerstrittenen und gealterten Musiker noch einmal zu einem gemeinsamen Auftritt vereinen, wird deutlich: Hier geht es nicht um die Rekonstruktion eines bewegenden Stücks Zeitgeschichte, "Jersey Boys" ist der überlange Versuch einen selbst geschaffenen Mythos der Kulturindustrie wieder zum Leben zu erwecken.