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Neuer Grenzwert für Vulkanasche

Geologie.- Wegen des Vulkanausbruchs in Island war der Luftraum über Europa im April tagelang gesperrt. Vielleicht war auf der EGU, der European Geosciences Union in Wien, gerade deshalb das Interesse so groß, als Wissenschaftler über ihre neuesten Forschungsflüge berichteten.

Von Dagmar Röhrlich | 06.05.2010
    Pünktlich zu Konferenzbeginn sandte der isländische Vulkan Eyjafjalla erneut eine Aschewolke Richtung Europa - und schon begann der Flugverkehr wieder zu stottern:

    "Es war sicher sinnvoll, Dublin zu schließen. Das würde ich als absolut sinnvoll bezeichnen",

    urteilt Ulrich Schumann, Direktor des Institutes für die Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Während die Passagiere mit ihrem Schicksal haderten, war es für ihn als Wissenschaftler ein Glück, dass der Eyjafjalla seit dem 1. Mai wieder aktiver geworden ist: Schließlich hatte er gerade das Messflugzeug Falcon vor Ort geschickt - auf Wunsch der isländischen Behörden:

    "Der Flughafen Kevlavik, der war geschlossen zeitweilig, und die isländischen Flugbehörden haben da riesenwirtschaftliche Nachteile, weil das ein Knotenpunkt für den Luftverkehr ist, und die fragten uns zu kommen und festzustellen, ob es berechtigt ist."

    Als die Falcon am 29. April nach Island flog, war der Vulkan noch vergleichsweise ruhig und sandte nur weiße Dampfwolken aus:

    "Wir hatten dann einen Tag Zeit in Island, um unsere Messgeräte vorzubereiten, Auswertungen zu machen, Wettervorhersagen anzuschauen. Wir haben dann am 1. Mai einen Messflug in 200 Kilometern Entfernung vom Vulkan gemacht. Und an dem Tag war sehr viel Asche in der Luft, man hat eine richtig dunkle schwarze Wolke gesehen, die einen Schatten auf den Boden geworfen hat, und, ja, es war sehr beeindruckend."
    Die Messungen verrieten, dass es zu gefährlich gewesen wäre, in die Aschewolke hineinzufliegen, erklärt Bernadett Weinzierl vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Und so wahrten sie und ihre Crew immer einen Sicherheitsabstand:

    "Wir haben uns rangetastet, haben uns angeschaut, wie dick ist sie und wie hoch ist sie, wie weit erstreckt sie sich auf die Seite? Wir haben dann angefangen, rein zu sinken. Sind drüber geflogen, haben 300 Meter weiter das gleiche gemacht und irgendwann einmal waren wir dann im oberen Teil der Wolke, wo man annimmt, dass sie schon eher verdünnt ist. Und in diesem Teil waren Konzentrationen so hoch, dass wir nur 50 Sekunden in der Wolke geblieben sind."

    Anschließend verfolgten die Wissenschaftler und ihre irischen und britischen Kollegen diesen gerade untersuchten Teil der Wolke an mehreren Stellen über den Atlantik. Eines der Ergebnisse: Die Wolke altert schnell - bereits nach sieben Stunden sind alle großen Aschepartikel heraus gerieselt. Nur die feine Fraktion zieht nach Europa - aber genau die bereitet den Fluggesellschaften Sorgen. Aber obwohl der Eyjafjalla nun wieder aktiver ist, muss sich das Chaos vom April nicht wiederholen:

    "Die relativ lange Sperrung des europäischen Luftraums war im wesentlichen dadurch begründet, dass man keine Grenzwerte hatte zu Beginn dieser Periode."

    Die gibt es inzwischen - und sie sind unter anderem das Ergebnis einer eilig einberufenen Telefonkonferenz mit 100 Teilnehmern vor allem aus Luftfahrtindustrie, Fluglinien, Behörden und Wissenschaft:

    "Ich bin beteiligt gewesen an Diskussionen und ich weiß, dass man alle Fakten zusammengetragen hat, die man hat weltweit: Wann ist mal ein Flugzeug durch die Vulkanasche geflogen? Was hat es für einen Schaden erlebt? Ist es gut durchgekommen, oder hat es große Probleme gehabt, kann man schätzen, wie die Belastung war und hat daraus Schlüsse gezogen, über die Grenzwerte für Normalbetrieb, und die Grenzwerte, wo auf keinen Fall geflogen werden darf?"

    Dabei hat man sich an der mittleren Sandstaubbelastung über Saudi Arabien orientiert, mit der der Flugverkehr tagtäglich fertig wird. Diese Bewertung ist vorerst von der EU übernommen worden:

    "Wenn morgen wieder eine Vulkanasche-Wolke kommt, und wir können abschätzen, dass dort die Belastung unter 200 Mikrogramm ist, dann wird kein Verkehrsstopp ausgesprochen. Wenn sie aber deutlich, noch einmal um den Faktor zehn höher ist, dann würde ein Luftverkehrsstopp in den Regionen zumindest ausgesprochen."

    Die große Frage ist natürlich: Hätten die Flugzeuge im April auch bei diesen Grenzwerten europaweit am Boden bleiben müssen? Die Antwort lautet: Ja, aber vermutlich nur einen Tag lang, erklärt Ulrich Schumann.

    "Wenn man die Grenzwerte von heute nimmt mit 200 µg, so gab es an dem Sonnabend in Deutschland, wo die Vulkanaschewolke Deutschland überquert hat, das wäre grenzwertig gewesen. Am Samstag diesen Verkehr zu schließen, war richtig, aber ab Sonntag hätte man wieder fliegen können."