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Neuer Job in den Niederlanden

In den Niederlanden ist die Arbeitslosigkeit niedrig, der Fachkräftemangel groß: Gute Bedingungen gerade für Handwerker, um sich in Holland selbstständig zu machen. Deshalb wagen immer mehr Deutsche den Sprung nach drüben: Die deutsch-niederländische Handelskammer in Den Haag verzeichnete im vergangenen Jahr rund 900 deutsche Unternehmensgründungen in den Niederlanden.

Von Hedwig Ahrens | 08.08.2008
    Die Autobahn 31 schmiegt sich in Deutschlands Nordwesten dicht an die niederländische Grenze. Sie ist die wirtschaftliche Hauptschlagader hier auf dem platten Land, ihre Abfahrten wirken auf der Landkarte wie dünne Blutbahnen, die den Nährstoff Arbeit in die Region pumpen. Auf ihr vermischen sich vierspurig die Nachbarländer Deutschland und Holland: Weiße und gelbe Autonummernschilder strömen Tag und Nacht hin und her. Bis in sein Büro hört Hinrich Kuper lautstark diesen Puls der Zeit: Er arbeitet am Grenzübergang bei Bunde für die Ems-Dollart-Region. Dieser Zweckverband von Gemeinden und Vereinen will Kontakte zwischen den beiden Nationen knüpfen und vertiefen.

    Bei Kuper holen sich Grenzpendler Rat im internationalen Arbeitsrecht. Heute sitzt ein Schlosser aus Leer vor seiner Tür. Der 38-jährige Mann arbeitet für eine deutsche Zeitarbeitsfirma, seine Einsatzorte sind hauptsächlich in den Niederlanden. Jetzt überlegt er, sich dort selbstständig zu machen.

    "In den Niederlanden ist es einfacher, sich selbstständig zu machen, weil man dort keine Meisterpapiere braucht. Ich denke, dass man im allgemeinen etwas mehr verdient, weil man die Überstunden so bezahlt kriegt, wie sie auch kommen. Dass da kein großes Stundenkonto aufgebaut wird, sondern dass man das, was man arbeitet auch in der Tasche hat."

    "Ja, guten Tag: Sie sind heute zu mir gekommen, um sich beraten zu lassen über selbstständiges Arbeiten in den Niederlanden - als ZZPer, nennen die Holländer das, das ist eine Abkürzung für: Selfstständig zonder personeel, also Selbstständig ohne Personal."

    Über eine Stunde nimmt sich Hinrich Kuper Zeit für die Pläne des Schlossers. Die ersten Schritte in die Selbstständigkeit sind in den Niederlanden schnell gemacht: Rund 39 Euro kostet die Anmeldung bei der jeweiligen Kamer van Koophandel also der zuständigen Handelskammer. Das sei aber nur der leichte Anfang, mahnt der Berater. Wer in Holland Unternehmer sein will, brauche eine niederländische Adresse, müsse dort mehrere Auftraggeber im Jahr an Land ziehen und sich nicht nur um die Renten und Krankenversicherung selbst kümmern.

    "Er ist ein niederländisches Unternehmen, also kann das holländische Finanzamt verlangen: Jetzt mach mal deine Steuererklärung im Internet, auf niederländisch und das jeden Monat."

    Fristverletzungen würden sofort mit bis zu 1500 Euro geahndet. Viele seiner Kunden sind schon im ersten Jahr als Unternehmer in Holland an diesen Auflagen gescheitert.

    Trotz dieser Hürden verzeichnet Kuper aber einen Trend zur grenzübergreifenden Unternehmensgründung. Gerade Handwerker riechen dort das große Geschäft: Die Baubranche in den Niederlanden boomt. Davon profitiert auch die Unternehmerfamilie Witte aus Rhede.

    Als die Brüder Albert und Hermann sich vor acht Jahren in Richtung Holland orientierten, erwarteten sie dort einen Umsatz von weniger als einen Prozent ihres Geschäftes mit Elektro-, Sanitär- und Heizungsanlagen. Heute sind es mehr als 70 Prozent. Sie haben im grenznahen Musselkanaal eine Filiale gegründet, ihre rund 50 deutschen Mitarbeiter belegen Holländischkurse an der Volkshochschule. Als niederländischer Unternehmer müsse man sich integrieren, sagt Albert Witte.

    "Wir machen das so, wir sind Sponsoren bei holländischen Vereinen, wir versuchen, über unseren Niederländischunterricht Kontakte zu knüpfen, und mittlerweile haben sich nicht nur viele geschäftliche sondern auch freundschaftliche Beziehungen aufgetan. Man sollte nicht vergessen: Dort kann man keine schnelle Mark oder schnellen Euro verdienen, sondern sie müssen Qualität abliefern, dann können sie viel Spaß auch in Holland haben."

    Die deutsch-niederländische Handelskammer in Den Haag verzeichnete im vergangenen Jahr rund 900 deutsche Unternehmensgründungen in den Niederlanden. Die einheimische Konkurrenz sähe das gelassen, so ein Mitarbeiter. Mit einer Arbeitslosigkeit unter vier Prozent und akutem Fachkräftemangel im Bauhandwerk steht man dort dem deutschen Unternehmergeist wohlwollend gegenüber.

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