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Neuer Kies für die Donau

Umwelt.- Die Beanspruchung der großen Flüsse durch die Menschen ist so stark gewachsen, dass Naturschützer dringend ein Managementkonzept für die Ströme fordern. Fluss-Experten versuchen nun, die großen Wasserstraßen vor dem Kollaps zu bewahren, indem die Nutzung ökologischer gestaltet wird. Beispiel: Donau.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Menschheit nutzt ihre großen Flüsse intensiv: Für die Fischerei, Schifffahrt und Bewässerung und auch für Stromerzeugung, Tourismus, zur Schotterentnahme ... Außerdem setzen ihnen Klimawandel, Bevölkerungsexplosion und die zunehmende landwirtschaftliche Nutzung in ihren Einzugsbereichen zu. Und das ist noch nicht alles:

    "Wenn wir an die Nutzungen der Flüsse denken, haben wir dann natürlich auch die ganze Frage der erneuerbaren Energien, wofür die Wasserkraft eine wesentliche Rolle spielt. All das ergibt natürlich einen großen Druck, auch hier rasch eine Nutzung umzusetzen und auszuüben."

    So ist der Druck auf Mississippi, Yangtse, Rhein oder Donau in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen - und er wird noch größer werden, erklärt Helmut Habersack von der Bodenkundlichen Universität Wien. Gleichzeitig sollen die Fluss-Ökosysteme gesund sein, damit sich das Wasser selbst reinigt und die Artenvielfalt erhalten bleibt.

    "Und da muss man fragen, ob man die Zeit auch hat, nachhaltige Lösungen zu finden."

    Beispiel: der Frachtverkehr auf dem österreichischen Teil der Donau. Er soll verdreifacht werden. Allerdings bewegen die Donauschiffer nur ein Zehntel dessen, was ihre Kollegen auf dem Rhein transportieren. Ein Grund dafür ist, dass beide Flüsse verschieden sind: der stark begradigte Rhein ist eher ein Kanal, die Donau eher ein riesengroßer Wildwasserfluss, der stark von der Wasserzufuhr der Alpengletscher abhängt. Das machte die Donau für die Schifffahrt unberechenbar. Der Gütertransport kann nur steigen, wenn der Fluss "zuverlässiger" wird:

    "Wie kann man die Infrastruktur bei der Donau so verbessern, dass gleichzeitig auch die Umwelt verbessert wird? Es gilt zwar als Widerspruch und ist es im ersten Moment auch. Aber es gibt schöne Beispiele von Planungen, wo man zusieht, eine Win-Win-Lösung zu kriegen, wo man dann ein Rückbauprojekt mit einem Schifffahrtsprojekt kombiniert, zum Beispiel Altarme wieder anbindet mit großen Durchflüssen, oder die Ufersicherung wieder herausnimmt, die jetzt über 150 Jahre dort war, Buhnen wieder umbaut, das sind Regulierungsbauwerke, wieder eher naturnäher macht und gleichzeitig die Schifffahrt fördert."

    Anders als früher sollen diese Buhnen im modernen Flussmanagement lediglich bei Niedrigwasser dafür sorgen, dass der Wasserstand steigt. Deshalb können alte Buhnen zurückgebaut werden:

    "Wir haben auch vor, verschiedene Formen zu optimieren, da kann man auch Weiterentwicklung betreiben: zum Beispiel Buhnen jetzt nicht ans Ufer direkt anzubinden, sondern nur unter Wasser, so dass also entlang der Donau ein kleiner Fluss entlang des Ufers fließt, damit die Fische, die Jungfische, aber auch die Strömung liebenden Arten wieder Lebensraum finden und dass man eher sich annähert an ursprüngliche Situationen, die man jetzt eigentlich nicht mehr hat."

    Solche Maßnahmen sollen auf dem 50 Kilometer langen Stück zwischen Wien und Bratislava angewandt werden. Auf diesem Teilstück fließt die Donau noch frei, ohne dass sie für Wasserkraftwerke aufgestaut wird. Da das Fluss-System weit davon entfernt ist, ein natürliches zu sein, bereitet das Wünschenswerte Probleme:

    "Wir haben generell auf freien Fließstrecken, die nicht Kraftwerks beeinflusst sind, wo keine Stauräume sind, Sohl-Eintiefungsprobleme, das heißt der Fluss gräbt sich dort ein, weil einfach weniger Geschiebe und Schotter nachkommt vom Einzugsgebiet und weil Regulierungsmaßnahmen den Fluss verringert haben in der Breite. Und jetzt muss man versuchen, die Eintiefung zu stoppen."

    Um die Eintiefung auszugleichen, schütten die Wasserkraftwerke jährlich 300.000 Kubikmeter Kies in die Donau. Trotzdem gräbt sich der Fluss zwei weitere Zentimeter pro Jahr ein.

    "Diese müsste man noch mehr dazu schütten, da weiß man aber nicht, wo kriegt man diese riesigen Mengen her an Schotter und ein Kies. Das ist ein ökonomisches Problem, und wir glauben einfach, dass das nicht nachhaltig ist, weil natürlich dieses Material im Stauraum Gabcikovo in der Slowakei sich wieder abgelagert, und die müssen das alles wieder rausbaggern."

    Um zu einer ökonomisch wie ökologisch tragfähigen Lösung zu kommen, sollen die Löcher im Flussbett mit grobem Schotter ausgepolstert werden, der der Strömung besser standhält. Modellrechnungen zufolge sinkt der Kiesbedarf um vier Fünftel. Das wäre ökonomisch wie ökologisch ein Gewinn. Gleichzeitig zeigen die Simulationen, dass sich dadurch der Wasserstand im Nationalpark Donauauen erhöht - was ganz im Sinn des Naturschutzes wäre.