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Neuer Lebenrsaum für Pflanzen und Tiere

Trockenmauern, die ohne Mörtel errichtet werden, grenzen Weiden und Äcker voneinander ab, dienen als Wind- und Lawinenschutz. Und sie sind gut für die Natur, bieten sie doch einen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. In Rheinland-Pfalz wurde ein Projekt zum Trockenmauerbau ins Leben gerufen, das nicht nur der Umwelt zugute kommen soll, sondern als auch Arbeitslosen eine Aufgabe gibt.

Von Anke Petermann | 26.06.2006
    Deidesheim, Am Kirchenberg - eine alte Weinlage in der Vorhügelzone zum Pfälzer Wald. Unlängst begann die Stadt Deidesheim, aufgegebene Weinbergsterrassen zurückzuerobern. Der Wald hatte sie allmählich geschluckt. Die alten Weinbergsmauern waren zusammengefallen. Eine Kulturlandschaft drohte zu verschwinden. Und die dazu gehörige Handwerkstechnik war fast ausgestorben.

    Jetzt behaut ein Trüppchen von zehn Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen ohne Lehrstelle die alten Steine und schichtet sie wieder auf, lässt dabei Höhlen für Mauersegler und baut unter Anleitung eines Steinmetzes kleine Treppen, damit man die Rebflächen vom Weg aus erreichen kann. Warum sich die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz finanziell an dem Projekt beteiligt, begründet Geschäftsführer Michael Steinhaus so:

    "Das Projekt hat einfach eine sehr schöne Verbindung zwischen dem sozioökonomischen Teil und Naturschutz. Natur- und Umweltschutz wird in diesem Projekt einfach mittransportiert. Denn die Trockenmauern sind wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere, die nur hier leben. Durch die Aufgabe von Weinbergen oder die Bewirtschaftung als solcher sind diese Mauern in Mitleidenschaft gezogen, sind sehr alt, werden oft nicht wieder aufgebaut, weil das sehr aufwändig und teuer ist und oft auch die Technik nicht mehr vorhanden ist. Und dadurch, dass man diese handwerkliche Fertigkeit erhält und diese Mauern wieder aufbaut, hat man natürlich einerseits wie wir im Projekt die Möglichkeit für arbeitslose Menschen, wieder zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, aber transportieren auch den Naturschutz und das Landschaftsbild, und das ist uns eigentlich der wichtige Gedanke gewesen."

    "Also die sind doch wunderschön als Struktur, das ist doch was ganz anderes als man teilweise mit anderen Systemen macht."

    Die Mainzer SPD-Umweltministerin Margit Conrad gerät ins Schwärmen mit Blick auf die kunstvoll neu aufgeschichteten rotbraunen Sandsteine, die sich nun wieder durch die alten Weinberge oberhalb von Deidesheim ziehen.

    "Die sind Jahrhunderte alt teilweise. Also, die halten mehrere hundert Jahre. Welche Bausubstanz hält eigentlich noch mehrere hundert Jahre? Das ist eine nachhaltige Bauweise, die morgen nicht sofort reparaturanfällig ist. Das heißt, wer heute einen Betriebe hat, einen Winzerbetrieb, und dann sagt, ich habe ja noch Kinder und Kindeskinder, die den Betreib hoffentlich in dieser wunderschönen Weinbauregion weiterführen, der tut gut daran, abschnittsweise auch heute an der Stelle zu investieren, auch wenn es heute sehr teuer ist. Aber seine Kinder und Enkel brauchen dafür nichts mehr zu finanzieren. Ich weiß, dass ist nicht einfach. Da muss man gucken, was man auch an Förderung mobilisiert, aber es ist eine wirklich nachhaltige Investition."

    Förderung mobilisieren, so die Idee, damit Winzer es bezahlen können, ihre Hänge mit einer alten Kulturtechnik zu sichern. Das könnte helfen, das zunächst von Kommunen und Landesstiftung finanzierte Beschäftigungsprojekt in ein Privatunternehmen zu überführen. Bernd Günther, Vorsitzender des örtlichen Trägervereins, glaubt, dass das gelingen könnte:

    "Also, wir haben gerade in den letzten Wochen und Monaten in der Region immer wieder die Rückmeldung, die da heißt: 'Menschenskinder, ihr macht so tolle Sachen, ich habe da auch so ein Wingert, könnt ihr nicht auch zu mir kommen und das machen?"' Also, der Bedarf der scheint ja da zu sein, und wenn das so ist, dann bedarf es aus unserer Sicht letztendlich nur noch des Kontaktes und der weiteren Publizierung des Projektes, um eine Ausgründung eines Betriebes zu haben."

    Eckhard Rinke, vormals langzeitarbeitslos, wäre gern dabei:

    "Auf jeden Fall. Hoffnung habe ich."

    Eidechsen, Feuersalamander und Hirschkäfer huschen über die warmen, rotbraunen Mauern, jeder Stein sieht anders aus. Evelin Ramstetter, Nebenerwerbswinzerin und CDU-Stadträtin, freut es, wie alte Weinbaukultur in Handarbeit wiederhergestellt wird, und sie ist damit nicht allein:

    "Es ist ja hier der Wanderweg 'Deutsche Weinstraße'. Und da ist ja sehr viel Betrieb, und die Leute sind ja alle miteinander interessiert und begeistert, was hier passiert. Und auch die Einheimischen sind hier schon durchgegangen und haben gesagt: 'Toll, was hier passiert.' Das ist, wie beim Urgroßvater die alten Mauern waren. Und die halten bestimmt wieder 500 Jahre. Herkommen, ansehen!"