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Neuer Masterstudiengang
Nach dem Bergbau ist vor dem Nachbergbau

Nachdem die letzten Zechen dicht machen, ist der Bergbau nicht am Ende – vielmehr beginnt dann ein neues Kapitel: der Nachbergbau. In einem neuen Masterstudiengang lernen Studenten, wie die brachliegenden Flächen neu genutzt werden können und wie der Umbau funktioniert.

Von Klaus Deuse | 07.08.2015
    Im Bergwerk Saar der "RAG Deutsche Steinkohle" in Ensdorf im Saarland hängt neben zwei Schildern ein Foto mit ehemaligen Arbeitern
    Zeche der "RAG Deutsche Steinkohle": Wenn der Kohlabbau aufhört, beginnt der Nachbergbau. (Imago / Becker & Bredel)
    Wenn 2018 die letzten Steinkohlenzechen geschlossen werden, dann hört der Bergbau nicht einfach auf. Er wird nur anders, sagt Prof. Christian Melchers von der Technischen Fachhochschule Georg Agricola in Bochum. "Im Bergbau ist es natürlich so, dass durch Steinkohlenbergbau Hinterlassenschaften da sind. Und da müssen wir hergehen und 'ne qualitativ hohe Nachsorge machen. Das heißt: belastete Flächen müssen saniert werden, müssen rekultiviert werden. Wir haben große Flächen, die zur Verfügung stehen, die man jetzt nutzen kann. Und zwar innovativ."
    Das dafür notwendige Know-How vermittelt ein bislang weltweit einzigartiger, auf sechs Semester angelegter Masterstudiengang "Geoingenieurwesen und Nachbergbau", den Christian Melchers mit aus der Taufe gehoben hat. Wer Nachbergbau in Bochum studieren will, der muss einen Hochschulabschluss in den Bereichen Vermessung, Geotechnik und Bergbau besitzen. "Hier wird dieses Wissen gebündelt und erweitert mit dem Ziel, Ingenieure auszubilden, die den komplexen Vorgang der Nachsorge bewältigen können. Wir bilden also ganz bewusst Generalisten aus, die im Endeffekt dieses große Spektrum abdecken können."
    Und zwar praxisnah. Damit übernimmt Deutschland wie schon so oft im Bergbau eine Vorreiterrolle. Interesse an diesem Studiengang haben neben europäischen Ländern auch Australien und China gezeigt. Denn Nachbergbau, sagt Christian Melchers, ist eine internationale Herausforderung. So gehört das Abpumpen von Grubenwasser aus stillgelegten Zechen zu den sogenannten Ewigkeitsaufgaben. Eigentlich überschüssiges Wasser, das meist abgeleitet wird. Doch Nachbergbau-Experten können aus diesem Grubenwasser auch Energie herausholen.
    Studiengang mit lukrativen Beschäftigungsaussichten
    "Wir haben ganz konkret ein sehr interessantes Beispiel hier in unserer Nachbarschaft in Bochum, wo an einem Punkt zentral Grubenwasser gehoben wird, das eine gewisse Temperatur hat, und dieses geothermische Potenzial des Grubenwassers effektiv genutzt wird. Und zwar zur Beheizung einer Feuerwache und einer Schule."
    Mit der innovativen Nutzung großer Flächen, aus denen sich der Bergbau zurückzieht, beschäftigen sich die Studierenden ebenso wie mit den Problemen der Oberflächenentwässerung nach Bergsenkungen. Dabei geht es auch um neue Pumptechniken. "Da würde das Oberflächenwasser, das Niederschlagswasser nicht mehr natürlich abfließen, sondern das muss über Pumpwerke gehoben werden. Und wenn man dieses nicht mehr macht, dann würden sich in solchen Bereichen konsequenterweise freie Wasserflächen bilden. Das heißt: ganze Stadtteile würden im wahrsten Sinne des Wortes ertrinken."
    Zukunftsaufgaben, für die auch Diplom-Ingenieur Guido Baumann die Fachkenntnisse in diesem Studiengang erwerben will. "Nutzbarmachung von Nachbergbauflächen, wenn die Zechen weg sind. Wie kriegt man eventuelle Belastungen entfernt oder wieder gesichert. Natürlich alles interessante Geschichten, die gerade in Zukunft auf uns zukommen werden und für die ich mich fit machen möchte." Mit dem angestrebten Master-Abschluss können sich für Guido Baumann die Türen zum höheren Dienst öffnen. In Betracht kommt für ihn alternativ eine lukrative Beschäftigung in der freien Wirtschaft. Für dieses Ziel nimmt er neben seinem Beruf bei der Bezirksregierung Arnsberg Vorlesungszeiten von 17 bis 22 Uhr in der Woche sowie von 8 bis 16 Uhr an Samstagen in Kauf. Ebenso wie der 30-jährige Geotechniker Roland Joosten. "Das ist natürlich 'ne Belastung, der man gewachsen sein muss. Und man muss auch eine gewisse Energie aufbringen und eine gewisse Disziplin."
    Vielfältiger Ausbildungsplan
    Mit dem Ende des Steinkohlenbergbaus stellen sich fachlich neue Herausforderungen, sagt Prof. Christian Melchers. Gefragt sind dabei Kompetenzen für innovative Lösungen. Von Solarparks auf Halden bis zu Pumpspeicherkraftwerken unter Tage. "Genau das ist unser Anspruch, die Leute für eine verantwortliche Stelle in der Nachsorge auszubilden. Und da kriegen sie von uns sowohl die naturwissenschaftlichen als auch die technischen Grundlagen an die Hand." Auf dem Ausbildungsplan stehen außerdem die Bereiche Recht, Bundesbodenschutz und Betriebswirtschaft. Bedarf an Nachbergbauexperten besteht nicht nur bei Bergbauunternehmen oder der RAG-Stiftung, sondern auch bei Bau- und Umweltämtern sowie Ingenieurbüros und Tunnelbaufirmen.