Archiv

Neuer Pixar-Film "Onward: keine halben Sachen"
"Wir drehen die Filme für uns selbst"

Das Animationsstudio „Pixar“ blickt auf eine Erfolgsgeschichte wie kaum ein anderes, mit Filmhits wie „Toy Story“, „Findet Nemo“ oder „Cars. Der neuste Streich heißt „Onward: Keine halben Sachen“. „Wir suchen immer auch nach dem Skurrilen und Unerwarteten“, sagte Regisseur Dan Scanlon im Dlf.

Regisseur Dan Scanlon im Corsogespräch mit Sigrid Fischer |
Die beiden Hauptfiguren aus dem Animationsfilm "Onward": Ian Lightfoot und Barley.
Die beiden Hauptfiguren aus dem Animationsfilm "Onward": Ian Lightfoot und Barley (Disney/Pixar)
Sigrid Fischer: In Deutschland sagt man: "Früher war alles besser". Was vermissen Sie an unserem Leben heute, was Sie "Magie" nennen?
Dan Scanlon: Also wir wollten keinen technologiefeindlichen Film drehen, der sagt: "Früher war alles besser". Es geht um Potentiale, darum zu sagen: der Fortschritt bringt viel Gutes mit sich, aber ruh Dich mit diesen Bequemlichkeiten nicht zu sehr auf Deinen Lorbeeren aus. Geh‘ weiterhin raus und fordere Dich. Geh‘ Risiken ein. Im Film geht es darum, eine Balance zwischen beidem zu finden. Trotzdem war früher alles besser. (lacht) Mit 43 fange ich jetzt vielleicht an, so zu reden. Aber mit dem Film wollten wir das bestimmt nicht sagen. Aber ich versteh‘ schon, was sie meinen.
Fischer: So hab ich den Film auch nicht verstanden. Aber das Gute an der digitalen Welt ist ja auch, dass es Filme wie "Onward – keine halben Sachen" geben kann. Als Sie studiert haben, Dan Scanlon, 1998? Wie lief das damals? Sie hatten vielleicht Computer, aber doch nicht die Technologie von heute.
Seine erste Lebenshälfte verlief analog
Scanlon: Ich befinde mich ja an einem ganz besonderen Punkt, was mich sehr freut. Ich bin in einem Alter, in dem die erste Lebenshälfte noch analog verlief – auf der Highschool habe ich Filme an einem Flachbettschneidetisch geschnitten. Als Kind habe ich mit meiner Heimvideokamera gedreht und eine Woche gewartet, bis das Material entwickelt war. Das kostete ziemlich viel Geld. Deshalb ist es heute sehr aufregend, dass Kinder Filme auf ihrem Smartphone drehen können. Für wenig Geld. Sie können sich kreativ ausprobieren. Also da ist viel passiert in kurzer Zeit.
Fischer: Warum haben Sie sich bei "Onward" für Elfen und andere Fantasywesen entschieden, und nicht für Menschen?
Scanlon: Naja, wir brauchten ja einen Grund für die Art und Weise, wie die beiden Brüder ihren Traum verwirklichen und den toten Vater zurückholen. Mit Magie fanden wir das romantischer. Außerdem kann man so bessere Gags machen, wir wollten eine Comedy drehen, und Spaß haben.
Fischer: Ich dachte, vielleicht hatten Sie auch Diversitätsgedanken. Es gibt zum Beispiel eine einäugige Polizistin, die ihre Lebensgefährtin und deren Tochter erwähnt. Das heißt: jeder ist anders.
Scanlon: Ja klar! Das wichtigste für uns ist, dass es eine moderne Fantasywelt ist. Die Zeit, in der wir leben, soll sich darin spiegeln.
Fischer: Der Film beruht auf Ihren eigenen Erfahrungen, Ihr Vater ist gestorben, als Sie jung waren. Da dachte ich: ist es nicht ein bißchen respektlos allen Vätern gegenüber, ihn dann so zu zeigen, auch wenn's witzig ist?
Scanlon: Als halben Vater nur mit Hosen. Ich wollte nicht, dass der Film allzu sentimental wird, und jede Familie hat doch ihre respektlosen Momente. Auf einer Beerdigung lachen zum Beispiel. Diese Situationen gibt es ja. Oder eben der halbe Vater in der Hose – man lacht doch oft über seine Eltern. Man liebt sie, aber sie nerven einen auch und sind einem peinlich. Den Vater nur als Hose zu zeigen verhindert, dass die Brüder ihn zu sehr idealisieren.
Die Suche nach dem Skurrilen und Unerwarteten
Fischer: Pixar ist ein anderes Wort für "Erfolg". Sind sie sich bewusst, dass Sie für ein sehr besonderes – wie soll ich sagen – was ist anders? Arbeiten da besondere Leute? Welche Stimmung herrscht da?
Scanlon: Was mir da so gefällt ist, dass einem großes Vertrauen entgegengebracht wird. Zum Beispiel, wenn man Risiken eingeht. Und ich kann mich auf ihre Unterstützung verlassen, wenn ich das tue. Und Zeit ist ein wichtiger Faktor: sie geben uns genug Zeit, um Fehler zu machen und die richtigen Antworten zu finden. Es ist schon ein toller Ort.
Fischer: In Pixarfilmen ist ja immer auch eine Portion Anarchie. Vielleicht sind Sie alle ironischer als Disney?
Scanlon: Ich kann nur für die Pixarfilme sprechen: wir suchen schon immer auch nach dem Skurrilen und Unerwarteten. Davon sind wir selbst begeistert. Wenn ich höre, wie der nächste Pixarfilm werden soll, zum Beispiel: da gibt es ein Haus, das an einem Bündel Luftballons hängt. Waaas? Aber das ist eben spannend, und besonders. Genau wie ein halber Vater in Hosen. Die anderen Pixarleute finden das dann auch verrückt und lachen. Und sagen: "Lasst es uns versuchen." Das macht Spaß.
Fischer: Das ist also gute Teamarbeit.
Scanlon: Ja.
Fischer: Und was bedeutet eigentlich, bei einem Animationsfilm Regie zu führen. Muss ich mir einen großen Raum mit hundert Computern vorstellen?
Scanlon: Es ist gar nicht so anders als bei einem Realspielfilm. Man inszeniert auch Schauspieler, und Gefühle. Da stehen natürlich viele Computer, aber es gibt auch die Momente, wo man mit Künstlern zusammensitzt, die ihre Zeichnungen vorzeigen, man klebt Zettel mit gezeichneten Ideen überall hin. Mir gefällt, dass es noch eine Kombination aus beidem ist.
Menschliche Wahrheiten mit Erinnerungsfunktion
Fischer: Das Tolle an Disney- und Pixarfilmen ist, dass sie für Kinder und Erwachsene gemacht sind. Was würden Sie sagen, ab welchem Alter sollte man "Onward" sehen? Ab Null? Der ist schon ziemlich schnell geschnitten.
Scanlon: Ich finde schon, dass es ein Film für die Familie ist. Mit viel Comedy, auch das Thema, in jungen Jahren den Vater zu verlieren, das erleben Kinder leider. Und der Film hilft ihnen vielleicht, mit ihren Gefühlen umzugehen und zu sehen, dass sie damit nicht alleine sind. Aber letztendlich machen wir diese Filme für uns selbst, um zu lachen oder bewegt zu sein. Und dann hoffen wir, dass das bei anderen auch funktioniert.
Fischer: Amerikaner sind ja immer gut darin, Aussagen zu produzieren wie: "Hab Vertrauen in Dich!", "Sei zuversichtlich!", "Du schaffst das!". Wir Europäer denken dann oft: das ist typisch amerikanisch. Und wir würden das vielleicht so nicht sagen. Aber helfen diese Sätze Ihnen in Ihrem Leben? Sind die wichtig?
Scanlon: Für mich schon. Wie Sie sagen: das ist nichts Neues, man hat es vorher schon gehört. Das sind einfach menschliche Wahrheiten. Für mich haben sie Erinnerungsfunktion. Ich mag das, wenn Filme mir diese Motive immer wieder anders präsentieren. Ja, das soll Teil meines Lebens sein.
Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächpartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.