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Neuer Rückschlag für AIDS-Forschung

Medizin. - Impfungen schützen uns bereits vor zahlreichen schweren Erkrankungen, darunter etwa Pocken oder Polio. Doch gegen ein Leiden konnte bislang noch kein Impfstoff entwickelt werden: die Immunschwäche AIDS. Alle herkömmlichen Konzepte der Vakzin-Herstellung haben bislang versagt - so auch eine neue Substanz der US-Firma Merck, auf der bislang viele Hoffnungen ruhten.

Gerd Pasch im Gespräch mit Martin Winkelheide |
    Gerd Pasch: Die Studien zum Merck-Impfstoff sind bis auf weiteres eingestellt worden, darunter auch eine große Feldstudie in Südafrika. Herr Winkelheide, welche Ergebnisse zeigte denn die Zwischenbilanz?

    Martin Winkelheide: Die Ergebnisse waren sehr deutlich: das war die Zwischenauswertung einer Studie, an der 3000 Männer teilgenommen hatten in Nord- und Südamerika, der Karibik und Australien. Es waren Homosexuelle, die geimpft worden sind und die ein besonders hohes Risiko hatten, sich mit HIV anzustecken. Es gab überhaupt keinen Unterschied, ob die Männer den Impfstoff erhalten hatten oder nicht, und es machte auch keinen Unterschied, ob sie einmal geimpft worden waren oder ob sie zwei Dosen von dem Impfstoff bekommen haben. Also das sind sehr eindeutige Ergebnisse. Das ist auch der Grund, warum die große Studie in Südafrika erst einmal vorläufig gestoppt worden ist. Dort sollten auch 3000 Menschen daran teilnehmen, aber in diesem Fall eben heterosexuelle Männer und Frauen. Jetzt folgt noch eine Feinauswertung der Studienergebnisse. Aber was man eigentlich jetzt schon sagen kann, ist, der Impfstoff ist gefloppt.

    Pasch: War es denn absehbar, dass er nicht funktionieren würde?

    Winkelheide: Dass es so deutlich werden würde, hatte niemand erwartet. Man muss vielleicht etwas zu dem Konzept von diesem Impfstoff erzählen: es war klar, dass der Impfstoff nicht wirklich vor einer Ansteckung mit HIV schützen kann, wenn der Impfstoff war so konstruiert, dass ein Virus als Transportmittel mehrere Gene von dem Aids-Virus in den Körper hinein bringen sollte. Dann sollten die damit kodierten Eiweiße des Virus hergestellt werden und und so der Körper in die Lage versetzt werden, mit dem Virus infizierte Körperzellen zu erkennen. Die Hoffnung war, wenn die Substanz nicht vor einer Ansteckung mit HIV schützt, so müsste sie doch den Körper in die Lage versetzen, das Virus zu kontrollieren - also zu erkennen, wie sieht eine infizierte Zelle aus, und diese Zelle dann zerstören zu können. Aber auch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, bei der Zwischenauswertung hat sich gezeigt, dass alle Menschen, die sich angesteckt hatten, genauso viele Viren im Blut hatten wie Menschen, die nicht geimpft worden waren. Auch da hat es überhaupt keinen Unterschied gegeben. Das Frustrierende für die Forscher ist, dass dieser Impfstoff als der am weitest ausgereifte einer ganzen Gruppe von Impfstoffkandidaten galt - quasi als besonders guter Impfstoffkandidat. Und er hat eben versagt.

    Pasch: Was bedeutet denn der Rückschlag für die AIDS-Impfstoffforschung?

    Winkelheide: Man wird sich den Versuch jetzt noch einmal genau anschauen und alle Experten bemühen sich, noch so einen Rest Optimismus zu wahren. Man sagt, na ja, es sind noch 30 weitere Impfstoffkandidaten in der Entwicklung und vielleicht wird das ja dann besser. Aber wenn man ehrlich ist, muss man sagen, man weiß im Moment gar nicht so richtig, wie ein richtig guter Impfstoff gegen HIV aussehen muss. Das heißt, ohne dass man jetzt noch einmal vollkommen neu anfängt und im Labor untersucht, wie muss dann eine Immunantwort gegen das Virus aussehen, wird man wahrscheinlich nicht weiterkommen. Und das ist eine Menge Arbeit.

    Pasch: Dann muss sich die Forschung an Impfstoffen offenbar völlig neu orientieren?

    Winkelheide: Man hat schon angefangen, sich neu zu orientieren. Man weiß, das einzige, was eine Infektion verhindern könnte, wären Antikörper, die der Körper bildet, und die das Virus direkt abfangen. Aber wie man solche Antikörper herstellt oder den Körper dazu bringt, solche Abwehrmoleküle zu produzieren, das ist momentan völlig unklar.

    Pasch: Und eine Schutzimpfung ist damit auch in weite Ferne gerückt?

    Winkelheide: Das ist zu befürchten. Ich denke, ein Konzept, das man im Moment verfolgt, besagt: untersuchen wir doch abgeschwächte HI-Viren, die nicht mehr krank machen. Aber die kann man nur in Affen untersuchen, um zu sehen, wie da die Immunreaktion funktioniert, und sie dann auf den Menschen zu übertragen. Ein langer Weg.