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Neuer Ruf in der Wildnis

Biologie. - Nicht wenig verblüfft waren Zoologen, als sie am 7. Juli 2004 im Hochland von Tansania auf eine bis dahin unbekannte Affenart stießen. Doch kaum erhielt die "Hochlandmangabe" getaufte Art ihren Platz in der Nomenklatur, erscheint sie auch schon fast auf der Liste der bedrohten Arten.

Von Dagmar Röhrlich |
    Vor knapp einem Jahr begegneten Zoologen im Hochland von Tansania, in der Nähe der Grenze zu Malawi, erstmals Exemplaren der "Hochlandmangabe". Doch erst jetzt erschien eine Veröffentlichung über die neue Affenart und präsentiert die Tiere damit der wissenschaftlichen Gemeinschaft offiziell. Es ist der erste neue Affe Afrikas seit 1984 - und deshalb ist die Freude der Forscher verständlicherweise groß. Anscheinend bergen die Hochlandwälder Tansanias Schätze, von denen niemand etwas geahnt hat. Die Hochlandmangabe jedoch könnte schon bald auf der Liste der ausgestorbenen Tiere stehen. Sie ist die dritte Affenart in dieser Gegend, die in ihrem Bestand gefährdet ist. Dabei gehört der Wald, in dem sie lebt, zu den wichtigsten für den Schutz der Altweltaffen.

    Die Geschichten der alten Jäger hatten den Zoologen Tim Davenport von der Wildlife Conservation Society neugierig gemacht. Im Ndundulu-Wald sollte eine seltsamen Affenart leben: die Kipunji. Weil die Jäger jedoch auch viele Geschichten von Tiergeistern erzählen, wußte der Forscher der Wildlife Conservation Society nicht so recht, was er von den Kipunji halten sollte. Aber er begann durch den Ndundulu-Wald im Hochland von Tansania zu streifen. Und nach einem Jahr sah er dann den Kipunji mit eigenen Augen:

    "Sie haben einen langen Kopf und ein schwarzes Gesicht mit schwarzen Augenlidern. Sie sind knapp einen Meter lang, mit Schwanz gerechnet doppelt so groß. Auf ihrem Kopf tragen sie einen Schopf, so dass sie wie Punker aussehen, und sie haben lange Backenbärte, so dass ihr Gesicht dreieckig aussieht. Sie sind so ungewöhnlich, dass ich mich auch nach den vielen hundert Stunden Beobachtung noch immer nicht völlig an sie gewöhnt habe. "

    Ihr dichtes Fell sei braun, berichtet Tim Davenport, aber ihre Brust habe die Farbe von Eierschalen, ebenso das Endstück ihres Schwanzes. Der wissenschaftliche Namen dieser neuen Affenart lautet: Lophocebus kipunji, die Hochlandmangabe.

    "Wir erkennen viele Tiere erkennen sehr leicht an ihrem Ruf, und unsere Art hat einen sehr eigenartigen und unverwechselbaren Ruf. "

    Das Reich der Hochlandmangabe sind abgeschiedene Bergwälder bis 2500 Meter Höhe, wo sie versteckt in Baumkronen lebt. Die scheuen Tiere sind entfernt mit Pavianen verwandt.

    "Wir wissen inzwischen ganz gut, was sie fressen. Sie verzehren junge Blätter und Früchte und auch Insekten, die sie auf den Bäumen finden, und sie verschmähen noch nicht einmal Rinde. Die Affen leben in Gruppen von 20 bis 30 Tieren. Die Verhaltensmuster der Hochland-Mangaben sind ungewöhnlich. So schüttelt das Männchen vor der Flucht ungestüm seinen Kopf. Inzwischen kennen wir einige Drohgebärden und Rufe."

    Die Hochland-Mangaben vom Ndundulu-Wald sind nicht die einzigen ihrer Art. Zeitgleich mit ihrer Entdeckung dort wurden sie auch im "benachbarten" Udzungwa Mountains National Park gesichtet:

    "Es gibt zwei Populationen, die 370 Kilometer weit auseinander leben. Unsere Population im Ndundulu-Wald ist die größere. Auf nur drei Quadratkilometern leben zwischen 250 und 1000 Tieren. Ingesamt gibt sicherlich nur ein paar hundert dieser Tiere, sie sind also extrem selten."

    Dass die Biologen die Hochland-Mangaben überhaupt noch gefunden haben, ist ein großer Zufall: Die Tiere sind vom Aussterben bedroht, vor allem durch den Verlust ihres Lebensraums.

    "Wir Artenschützer reden immer über Bedrohung und manchmal überschätzen wir sie. Aber diesmal ist sicher, dass diese Art extrem gefährdet ist. Der Wald, ihr Hauptverbreitungsgebiet, verliert täglich durch Wildrodung Bäume. Die größte Gefahr der Verlust von Lebensraum, nicht so sehr die Jagd, denn die Jäger erwischen nur selten eines der inzwischen selten gewordenen Tiere."

    Die Forscher hoffen, dass der Ndundulu-Wald dem angrenzenden Nationalpark Udzungwa angegliedert wird.

    "Dieser Wald ist nicht beachtet worden, weil die Biologen dachten, dass diese Gegend hier unwichtig ist. Das ist falsch. Hier könnte sogar das "Epizentrum" der Evolution von Pavianen und Mangaben sein. Die Vorläufer dieses Waldes gibt es seit 30, 40 Millionen Jahren, so dass die Artenvielfalt ungewöhnlich groß ist. Die Biologen haben sich bislang einfach nicht genügend Zeit genommen, sie zu untersuchen. "

    Derzeit werden an kaum einem anderen Ort so viele neue Tierarten entdeckt wie in Ndundulu-Wald. Dort fanden die Forscher in den vergangenen Jahren eine neue Spitzmausart, unbekannte Amphibien, Schmetterlinge und auch eine neue Buschbaby-Art.