Die Stimmung ist gut bei Sky. Nicht nur, weil sich auf der Königsetappe der Fernfahrt Paris-Nizza der Kapitän Egan Bernal die Führung in der Gesamtwertung geholt hat. Bernal ist ein Riesentalent. Der Kolumbianer gilt nicht nur wegen seiner hervorragenden Physis als natürlicher Nachfolger der Tour-Sieger Chris Froome und Geraint Thomas. Tests haben bei ihm die höchste Sauerstoffaufnahmekapazität des Blutes bei allen Fahrern im Peloton ergeben, jedenfalls soweit diese Werte bekannt sind. Bernal arbeitet auch intensiv daran, sein Talent in Erfolge umzusetzen.
"Es ist einfach großartig, mit ihm zu arbeiten. Man sieht, dass er gut ist, vor allem daran, dass er auf jedes kleine Detail achtet. Er fragt jede Sache nach, nimmt das nicht nur einfach so hin. Er fragt: Warum machen wir das jetzt so? Wie kann mich das weiterbringen? Richtig clevere Fragen", schwärmt Skys Trainer Rod Ellingworth. Rennfahrer, die so viel nachfragen wie Bernal, hatte er bislang offenbar nicht im Kader.
Gute Stimmung herrscht bei den Briten auch, weil Teamchef David Brailsford wohl einen neuen Geldgeber für das 40-Millionen-Dollar-Jahresbudget aufgetrieben hat. Der aktuelle Sponsor Sky hatte seinen Rückzug zum Ende dieser Saison bekanntgegeben. So recht mit der Sprache heraus will aber niemand.
"Nein, ich konzentriere mich auf das Rennen hier. Kein Kommentar", sagt Ellingworth. Und auch die Pressesprecher lehnen jeden Kommentar ab. Der umtriebige Manager Brailsford ist ohnehin nicht zu erwischen.
Interesse aus Kolumbien
Nach bisherigen Recherchen liegen zwei Optionen auf dem Tisch: Eine ist die kolumbianische. Am Rande der Kolumbien-Rundfahrt im Februar gab es Gespräche zwischen Brailsford, Kolumbiens Präsident Ivan Duque und Vertretern der staatlichen Erdölgesellschaft. Das Andenland hat großes Interesse, nicht mehr nur Talentelieferer für den globalen Radsport zu sein. Es will selbst auch stärker von den Erfolgen profitieren und sich international vom Image des Drogen- und Bürgerkriegslandes lösen. Doch wie weit sind die Verhandlungen gediehen?
"Im Moment wissen wir das nicht. Es gab Gespräche, ja, aber das ist mehr der Job von David. Aber es ist gut, dass es diese Gespräche gab und dass es diese Attraktivität von uns gibt", meint Nicolas Portal, sportlicher Leiter von Sky beim Tirreno Adriatico.
Das Interesse der Regierung aus Bogotá hatte ausgelöst, dass Team Sky seit einigen Jahren immer wieder Kolumbianer unter Vertrag nahm. Aktuell sind drei Kolumbianer im Kader. Und alle drei bei Paris-Nizza im Einsatz, neben Bernal der Routinier Sebastian Henao und das neue Supertalent Ivan Sosa. Er ist so etwas wie der potenzielle Nachfolger von Landsmann Bernal.
"Er ist einer dieser reinen Kletterer, alte Schule, superdünn, und er lacht immer. Manchmal wirkt es, als käme er aus einer anderen Welt. Wenn es bergauf geht, scheint es für ihn leichter zu werden", beschreibt Nicolas Portal seinen Neuzugang. Sky hatte den 21-Jährigen schon länger im Visier.
"Wir beobachten ihn schon seit zwei Jahren. Und als wir ihn letztes Jahr bei der Tour of the Alps sahen, führte er dort das Rennen an, bis er stürzte. Er war der beste Kletterer dort, obwohl dort fast alle Giro-Favoriten am Start waren."
Ins kolumbianische Sponsoring-Szenario passt eine solche Entwicklungsperspektive natürlich perfekt.
"Aber wir haben nicht deshalb die Südamerikaner verpflichtet. Wir haben sie schon vorher geholt. Und wir sind ja nicht die einzigen. Sie sind einfach gut", macht Portal noch einmal auf die zeitlichen Abläufe aufmerksam. Reizvoll wäre es dennoch, wenn der Abnehmer der allergrößten kolumbianischen Rundfahrttalente selbst unter kolumbianischer Flagge fahren würde.
Fracking-Unternehmen zur Image-Aufbesserung verhelfen?
Die zweite Option ist eher toxisch. Nach Recherchen des Branchenmagazins Cyclingnews ist sich Brailsford mit dem britischen Unternehmen Ineos einig. Internet-Domain und Twitter-Account für TeamIneos seien schon gesichert. Ineos ist ein Unternehmen, dem wegen seiner geplanten Fracking-Aktivitäten in Großbritannien viel Widerstand entgegen schlägt. Auch im Radsport-begeisterten Yorkshire plant der Konzern umfangreiche Fracking-Aktivitäten. Das Engagement im Radsport soll, so darf man als Überlegung annehmen, dem Unternehmen in der Öffentlichkeit zu einem besseren Image verhelfen.
Ein Rennstall also, der selbst mit den Affären Froome und Wiggins in sportethische Grenzbereiche vordrang, schickt sich an, zum finanziell gut ausgestatteten Sympathieträger eines Unternehmens mit hohem Umweltrisiko zu werden. Noch vor Beginn der Tour de France 2019 soll der neue Sponsor bekannt gegeben werden.