Elke Durak: Ist Wolfgang Tiefensee ein Schwarzmaler oder ein unverbesserlicher Optimist? Vielleicht ist er ja auch beides. Seit Tagen malt der Bundesverkehrsminister eine Art Weltuntergangsszenario an die Wand. Scheitere die Bahnreform, komme es nicht zur Teilprivatisierung. Dann entstünde großer Schaden für die Volkswirtschaft, natürlich auch für die Bahn. Und er glaubt unverdrossen an eine Lösung. Am Montag, so hat er eben informiert, soll der Koalitionsausschuss ganz konkrete Vorschläge erhalten. Seit heute Vormittag hat er mit anderen über einen möglichen neuen Rettungsvorschlag gesprochen. Eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung und der Bahn, die saß nämlich zusammen. (
MP3-Audio
, Bericht von Gerhard Irmler)
Ist die Bahn also noch zu retten? Geht sie wirtschaftlich zugrunde, wenn es mit der Teilprivatisierung wie auch immer überhaupt nicht klappt? Welche Chancen hätte der Vorschlag, Bahntöchter allein zu privatisieren? Fragen, die ich jetzt mit dem Geschäftsführenden Direktor des Instituts für öffentliches Wirtschaftsrecht Münster Professor Dirk Ehlers erörtern will. Guten Tag, Herr Ehlers!
Dirk Ehlers: Guten Tag!
Durak: Haben Sie Fantasie, diesen Vorschlag für gut zu befinden?
Ehlers: Ja, in der Tat. Man braucht Fantasie, um mitzukommen bei den Überlegungen, die sich ständig überholen. Ich würde sagen, bei dem neuen Plan, der jetzt erwogen wird, den ich erst seit heute Morgen kenne, da muss man unterscheiden zwischen der juristischen und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Beteiligen sich private Investoren nicht an der Holding Deutsche Bahn AG, sondern nur an den Konzerntöchtern der Deutschen Bahn AG - und in Betracht kommt ja wohl nur eine Beteiligung im Bereich von Verkehr und Logistik -, dann dürfte dies nicht auf juristische Bedenken stoßen. Juristisch ist nur von Bedeutung, dass der Bund Mehrheitseigentümer der Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen bleibt und einen beherrschenden Einfluss auf diese auszuüben vermag. Ob es allerdings wirtschaftlich machbar und sinnvoll ist, Investoren für die Konzerntöchter der Deutschen Bahn AG zu suchen, das steht auf einem anderen Blatt. Nun bin ich Jurist und nicht Ökonom, möchte die Beantwortung dieser Frage gerne Ökonomen überlassen.
Durak: Das ist aber schade.
Ehlers: Es ist ja doch so, dass zunächst mal Investoren gefunden werden müssten. Private sind normalerweise daran interessiert, Aktien zu erwerben, nur dann Aktien zu erwerben, wenn die Renditeerwartungen erfüllt werden. Und um dieses Ziel erreichen zu können, werden jedenfalls größere Investoren Einfluss ausüben wollen. Die Frage ist aber, welchen Einfluss können sie ausüben, wenn es sich um ein abhängiges Unternehmen handelt, das von der Holding gesteuert wird, der Holding, an der dann die Investoren nicht beteiligt sind. Insofern habe ich erhebliche Zweifel, ob es eigentlich wirtschaftlich sinnvoll ist, diesen Weg zu gehen.
Durak: Aber juristisch wäre es machbar, dass einzelne Konzerntöchter teilprivatisiert werden, ob nun über die Volksaktie, wie sie die SPD gerne hätte, oder über ganz normale Aktien und der Bund trotzdem Eigentümer bleibt? Das ist doch ein konfuser Mischkonzern, oder?
Ehlers: In der Tat, das könnte Konfusion stiften. Es ist so, dass juristisch gesehen sehr verschiedene Formen der Privatisierung in Betracht kommen. Vorab möchte ich mal sagen, dass gegen eine Privatisierung des Verkehrsbereichs überhaupt keine juristischen Bedenken bestehen, auch nicht des Logistikbereichs. Das Problem ist nur der integrierte Konzern. Man hätte also überhaupt gar keine Probleme, wenn man Netz und Verkehrsbetrieb trennen würde. Das will man aber nicht. Man will den integrierten Konzern, und dann ergeben sich Probleme mit dem Grundgesetz.
Und dann kommt alles auf die Art und Weise der Privatisierung an. Wenn man normale Aktien ausgibt oder auch Namensaktien - das ist kein wirklich grundlegender Unterschied -, dann gibt es Probleme nach der Auffassung vieler und auch nach meiner Auffassung mit dem Grundgesetz. Anders wäre es, wenn man stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgibt, was der SPD-Parteitag sich vorstellt, oder jetzt diese neue Variante, wenn man sich darauf beschränkt, einzelne Töchter teilzuprivatisieren.
Durak: Ich will es noch mal verstehen, weil es wirklich sehr kompliziert ist, Herr Ehlers, und Sie uns ja juristisch helfen. Wenn Netz und Betrieb nicht getrennt werden?
Ehlers: Ja. Nur daraus resultieren die Probleme. Wenn man das trennen würde, ergäben sich keine Probleme. Man könnte sogar auch die Infrastrukturunternehmen, das ist im Grundgesetz so vorgesehen, teilprivatisieren. Der Bund würde die Mehrheit behalten, könnte. Diese Steuerung würde keine Probleme bereiten. Probleme bereitet nur dieser integrierte Konzern, wo alles beherrscht wird von der Deutschen Bahn AG, und wenn dann diese Deutsche Bahn AG teilprivatisiert wird, kommt es auch zu einer mittelbaren Teilprivatisierung der Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen und dann stellt sich die Frage, ist der Einfluss des Bundes gegeben? Bei dem vorliegenden Gesetzesentwurf, so wie er bisher vorliegt, ist das nach meiner Überzeugung nicht der Fall.
Durak: Das heißt, man wird mit Verfassungsklagen rechnen müssen, wenn man bei der bisherigen Idee bleibt?
Ehlers: Ja. Es ist durchaus nicht auszuschließen, dass es später zu einem Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht kommt, weil einige Länder ja mit dieser Art der Privatisierung auch nicht einverstanden sind.
Durak: Na wunderbar, da erwartet uns ja wohl noch einiges. Besten Dank Professor Dirk Ehlers, Wirtschaftsrechtler an der Uni Münster. Danke fürs Gespräch!
Ehlers: Bitteschön.
Ist die Bahn also noch zu retten? Geht sie wirtschaftlich zugrunde, wenn es mit der Teilprivatisierung wie auch immer überhaupt nicht klappt? Welche Chancen hätte der Vorschlag, Bahntöchter allein zu privatisieren? Fragen, die ich jetzt mit dem Geschäftsführenden Direktor des Instituts für öffentliches Wirtschaftsrecht Münster Professor Dirk Ehlers erörtern will. Guten Tag, Herr Ehlers!
Dirk Ehlers: Guten Tag!
Durak: Haben Sie Fantasie, diesen Vorschlag für gut zu befinden?
Ehlers: Ja, in der Tat. Man braucht Fantasie, um mitzukommen bei den Überlegungen, die sich ständig überholen. Ich würde sagen, bei dem neuen Plan, der jetzt erwogen wird, den ich erst seit heute Morgen kenne, da muss man unterscheiden zwischen der juristischen und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Beteiligen sich private Investoren nicht an der Holding Deutsche Bahn AG, sondern nur an den Konzerntöchtern der Deutschen Bahn AG - und in Betracht kommt ja wohl nur eine Beteiligung im Bereich von Verkehr und Logistik -, dann dürfte dies nicht auf juristische Bedenken stoßen. Juristisch ist nur von Bedeutung, dass der Bund Mehrheitseigentümer der Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen bleibt und einen beherrschenden Einfluss auf diese auszuüben vermag. Ob es allerdings wirtschaftlich machbar und sinnvoll ist, Investoren für die Konzerntöchter der Deutschen Bahn AG zu suchen, das steht auf einem anderen Blatt. Nun bin ich Jurist und nicht Ökonom, möchte die Beantwortung dieser Frage gerne Ökonomen überlassen.
Durak: Das ist aber schade.
Ehlers: Es ist ja doch so, dass zunächst mal Investoren gefunden werden müssten. Private sind normalerweise daran interessiert, Aktien zu erwerben, nur dann Aktien zu erwerben, wenn die Renditeerwartungen erfüllt werden. Und um dieses Ziel erreichen zu können, werden jedenfalls größere Investoren Einfluss ausüben wollen. Die Frage ist aber, welchen Einfluss können sie ausüben, wenn es sich um ein abhängiges Unternehmen handelt, das von der Holding gesteuert wird, der Holding, an der dann die Investoren nicht beteiligt sind. Insofern habe ich erhebliche Zweifel, ob es eigentlich wirtschaftlich sinnvoll ist, diesen Weg zu gehen.
Durak: Aber juristisch wäre es machbar, dass einzelne Konzerntöchter teilprivatisiert werden, ob nun über die Volksaktie, wie sie die SPD gerne hätte, oder über ganz normale Aktien und der Bund trotzdem Eigentümer bleibt? Das ist doch ein konfuser Mischkonzern, oder?
Ehlers: In der Tat, das könnte Konfusion stiften. Es ist so, dass juristisch gesehen sehr verschiedene Formen der Privatisierung in Betracht kommen. Vorab möchte ich mal sagen, dass gegen eine Privatisierung des Verkehrsbereichs überhaupt keine juristischen Bedenken bestehen, auch nicht des Logistikbereichs. Das Problem ist nur der integrierte Konzern. Man hätte also überhaupt gar keine Probleme, wenn man Netz und Verkehrsbetrieb trennen würde. Das will man aber nicht. Man will den integrierten Konzern, und dann ergeben sich Probleme mit dem Grundgesetz.
Und dann kommt alles auf die Art und Weise der Privatisierung an. Wenn man normale Aktien ausgibt oder auch Namensaktien - das ist kein wirklich grundlegender Unterschied -, dann gibt es Probleme nach der Auffassung vieler und auch nach meiner Auffassung mit dem Grundgesetz. Anders wäre es, wenn man stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgibt, was der SPD-Parteitag sich vorstellt, oder jetzt diese neue Variante, wenn man sich darauf beschränkt, einzelne Töchter teilzuprivatisieren.
Durak: Ich will es noch mal verstehen, weil es wirklich sehr kompliziert ist, Herr Ehlers, und Sie uns ja juristisch helfen. Wenn Netz und Betrieb nicht getrennt werden?
Ehlers: Ja. Nur daraus resultieren die Probleme. Wenn man das trennen würde, ergäben sich keine Probleme. Man könnte sogar auch die Infrastrukturunternehmen, das ist im Grundgesetz so vorgesehen, teilprivatisieren. Der Bund würde die Mehrheit behalten, könnte. Diese Steuerung würde keine Probleme bereiten. Probleme bereitet nur dieser integrierte Konzern, wo alles beherrscht wird von der Deutschen Bahn AG, und wenn dann diese Deutsche Bahn AG teilprivatisiert wird, kommt es auch zu einer mittelbaren Teilprivatisierung der Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen und dann stellt sich die Frage, ist der Einfluss des Bundes gegeben? Bei dem vorliegenden Gesetzesentwurf, so wie er bisher vorliegt, ist das nach meiner Überzeugung nicht der Fall.
Durak: Das heißt, man wird mit Verfassungsklagen rechnen müssen, wenn man bei der bisherigen Idee bleibt?
Ehlers: Ja. Es ist durchaus nicht auszuschließen, dass es später zu einem Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht kommt, weil einige Länder ja mit dieser Art der Privatisierung auch nicht einverstanden sind.
Durak: Na wunderbar, da erwartet uns ja wohl noch einiges. Besten Dank Professor Dirk Ehlers, Wirtschaftsrechtler an der Uni Münster. Danke fürs Gespräch!
Ehlers: Bitteschön.