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Neues Album
Bohren & der Club Of Gore überzeugen mit "Piano Nights"

Sie hat die Langsamkeit zum künstlerischen Prinzip erklärt, die Band Bohren & der Club Of Gore aus Mülheim an der Ruhr, und jetzt mit "Piano Nights" ihr siebtes Album vorgelegt: eine Schlagerplatte der besonderen Art.

Von Sascha Ziehn |
    Ein Kontrabass liegt am 19.04.2013 auf dem Marktplatz in Sontra (Hessen) in der Sonne und wartet auf seinen Einsatz bei einer Veranstaltung.
    In "Piano Nights" knarrt der Kontrabass leise, dazu flirren Vibraphonsounds durch den Raum und das leise, reduzierte Saxophonspiel. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    "Wir machen eine Schlagerplatte, das ist für uns eine Schlagerplatte. Wir wollten eine Schlagerplatte machen – und es ist auch eine Schlagerplatte geworden."
    Es ist eine, nun ja, sagen wir mal: besondere Art des Schlagers, die Bohren & der Club Of Gore auf "Piano Nights" spielen: sehr reduziert, sehr atmosphärisch – und sehr sehr langsam.
    "Schleicher" nennt Gründungsmitglied Morten Gass die Stücke von Bohren & der Club Of Gore – und solche "Schleicher" macht die Gruppe aus Mülheim an der Ruhr seit mittlerweile über 20 Jahren. "Gore Motel" heißt ihr Debütalbum von 1995 – auf dem sie den Tempowahn von vielen Metal-Bands einmal kurz auf links gekrempelt haben. Ultralangsam – statt ultraschnell, so was wie die Wiedergeburt des Speed-Metal in der Langsamkeit.
    Und für diese Langsamkeit gab es auch gleich die passende Erklärung: Die Mitglieder von Bohren & der Club Of Gore konnten einfach nicht schneller spielen, dafür reichte die Fingerfertigkeit auf den Instrumenten eben nicht. Und so hat die Band – ähnlich wie die Sex Pistols – etwas ganz Außergewöhnliches geschafft: Die eigenen technischen Limitierungen haben dazu geführt, dass Bohren & der Club Of Gore ihre eigene Musikrichtung erfunden haben. "Doom"- oder "Horror-Jazz" nennen das einige, Morten Gass umschreibt es mit den Worten "Other Bands Play, Bohren bore" – andere Bands spielen, Bohren langweilen – und für Christoph Klöser ist genau diese Einzigartigkeit das ganz Besondere:
    "Das ist ein großes Glück, dass wir so einen Weg gefunden haben für uns. Jeder Musiker wünscht sich das ja, dass man eine eigene Stimme findet. Und das haben wir gefunden. Das soll jetzt nicht angeberisch klingen, das ist ein großes Glück. Ist wenigen vergönnt. Und eine eigene Stimme, die auch erkannt wird als eigene Stimme. Das wird so wahrgenommen, und das ist ein Glück."
    Christoph Clöser ist 1996 bei Bohren & der Club Of Gore eingestiegen. Die Band suchte einen Saxofonisten – und aus der Zusammenarbeit mit Clöser ist "Sunset Mission" entstanden, das dritte Album, das ein ganz großer Entwicklungsschritt war.
    Das hölzerne und doch so faszinierende Gestümpere der ersten beiden Alben hat sich plötzlich einem tiefen, vollen, verdichteten Klang verwandelt, bei dem Metaphernsuchern direkt die Musik aus Stanley Kubricks "Gold Room" in "The Shining" oder Soundtracks zu David Lynch Filmen einfallen. Der Besen huscht nur sanft über die Snare, der Kontrabass knarrt leise, dazu flirren Vibraphonsounds durch den Raum und das leise, reduzierte Saxophonspiel von Christoph Clöser:
    "Ich mag den Effekt. Ich kann mir auch ewig lang einen Loop anhören, als Ostinato unterm Alltag. Und unsere Musik eignet sich besonders dazu, speziell "Piano Nights", weil die ja sanft ist, volles Klangbild, aber es ist ziemlich sanft, die Musik reißt einen nicht raus, sondern die schwimmt mit, und am Ende weiß man nicht, ob die Musik schwimmt oder ob man selber schwimmt."
    Seitdem verfeinern Bohren & der Club Of Gore ihre Musik immer weiter. An der Langsamkeit wird nicht gerüttelt, auch "Piano Nights" mäandert majestätisch träge vor sich hin. Aber: Der Albumtitel ist Programm. Das Klavier dringt häufiger mal nach vorne durch, Christoph Clöser setzt jeden Pianoton ganz bewusst in die langen Ausschwingzeiten der anderen Instrumente – und die Musik von Bohren & der Club Of Gore bekommt so ihre ganz eigenartige Leichtigkeit.
    "Erstmal finde ich, ist das ein großes Lob, wenn etwas gutes – und so empfinden wir die Platte – dass das leichtfüßig klingt und nicht nach der Schwere des Entstehungsprozesses.
    Wir haben eine bestimmte Klangvorstellung bevor wir loslegen, und haben uns auch vor dieser Platte überlegt wie es klingen soll. Und haben auch da mit Akribie und dem nötigen Einsatz dran gearbeitet. Über alle Details, Titel, Cover, Gedanken gemacht – und über die Musik, wie die klingen soll, die Instrumentierung, was wir verändern, ohne jetzt gleichzeitig was völlig anderes zu machen, das ist ja für uns die eigentliche Herausforderung, unser Level zu halten. Wir haben noch Spaß an der Musik, langsame instrumentale Musik, uns nicht zu wiederholen und es spannend für uns selber zu halten, in dem Stollen weiter zu bohren und neue Adern finden. Das ist die Hauptarbeit."