Donnerstag, 28. März 2024

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Neues Album: "Damenbartblick auf Pregnant Hill"
Schräg - schrullig - Schlammpeiziger

Charmante, tapsig tuckernde Musik: mit Spielzeugsynthesizern und günstigen elektronischen Instrumenten begann es für Schlammpeitziger in den 1990er Jahren. "Mittlerweile sind auch modernere Instrumente wie Synthesizersimulationen fürs iPad dazu gekommen – aber an der Herangehensweise hat sich nicht geändert", sagte Jo Zimmermann im Dlf.

Jo Zimmermann im Corsogespräch mit Sascha Ziehn | 13.01.2018
    Jo Zimmermanns Konterfei, umgeben von Kritzeleien
    Jo Zimmermann alias Schlammpeiziger hat einen Hang zum Absurden (Schlammpeitziger)
    Jo Zimmermann alias Schlammpeitziger macht elektronische Musik – die klingt, als würde sie einem fröhlich zuwinken und "Guten Tag" sagen. Sein neues Album heißt "Damenbartblick auf Pregnant Hill" - und wir sagen "Guten Tag" Jo Zimmermann, willkommen zum Corsogespräch:
    Jo Zimmermann: Hallo, Sascha!
    Sascha Ziehn: Was halten Sie denn von dieser ganz artifiziellen Musik, wo nichts mehr analog ist, sogar der Gesang ist komplett bearbeitet und eigentlich auch schon digital?
    Zimmermann: Kannst ruhig "Du" sagen.
    Ziehn: Nee, wir siezen uns im Deutschlandfunk.
    Zimmermann: Wir siezen uns? Oh, wir siezen uns.
    Ziehn: Das ist Gesetz im Deutschlandfunk.
    Zimmermann: Okay. Ja, ich habe da keine Probleme damit – ich höre sowas auch nicht ständig, aber wenn das interessant ist, da habe ich keine Hemmschwellen.
    "Ich habe einfach das benutzt, was ich kriegen konnte"
    Ziehn: Ist denn Ihre Musik analoge Musik oder hat da auch schon das Digitale so ein bisschen Einzug gehalten?
    Zimmermann: Das ist ein Mix aus beidem. Ich meine, viele Sachen kommen zwischenzeitlich … Das ist jetzt die zweite Platte, wo viel das iPad zum Einsatz kommt, wo ich dann viele Synthie-Programme und sonst was drauf hab. Dazugekommen ist Text, auf der neuen Platte ja jetzt noch mal verstärkter. Aber ich gehe auch gar nicht mit solchen Beurteilungen vor, ob das digital oder analog ist oder sonst irgendwas. Ich mache das einfach. Da fahre ich am besten mit.
    Ziehn: Sie haben angefangen mit Synthesizern, bei denen das Preisschild so einigermaßen portemonnaie-freundlich ist, mit kleinen, günstigen, mit Spielzeugsynthesizern. Was hat Sie an diesen Geräten gereizt?
    Zimmermann: Dass man mit wenig Geld sich einfach einen ganz guten, nennen wir es mal "Maschinenpark", hinstellen konnte. Und oft waren das ja so kleine Pre-Set-Keyboards, die einem aber dann für kleines Geld direkt 100 neue Sounds boten – wovon natürlich nicht alle gut waren. Und ich mochte die Sounds auch von den Dingern, zu dem Zeitpunkt, Anfang der 90er, wo ich damit gearbeitet habe, passte das alles genau rein. Das war so genau der Habitus. Aber auch da … Das wurde ja immer alles als "Low-Fi" beschrieben et cetera, ich habe über so was nie nachgedacht. Ich habe einfach das benutzt, was ich kriegen konnte. Und die Etiketten kamen dann später dazu. Aber es war auch tatsächlich einfach eine Geldfrage.
    Die Arbeitsweise hat sich nicht verändert
    Ziehn: Hat sich das im Laufe der Jahre eigentlich, der vielen Jahre mittlerweile, verändert? Haben Sie mittlerweile einen riesigen Fuhrpark von kostspieligen Synthesizern?
    Zimmermann: Nee, eher weniger. Ich habe jetzt seit zehn Jahren, vermute ich mal, so einen Micron-Alesis-Synthesizer. Ich bin beim Kaufen von so Sachen eh nicht besonders gut, da hat mich dann Jan Werner von Mouse on Mars zum Beispiel dabei beraten. Geräte, die dann in etwas höhere preisliche Klassen gingen, da habe ich dann doch die Entscheidung lieber anderen überlassen, die wirklich Ahnung hatten. Und das passte dann auch immer, weil die wussten, was ich machte und was der nächste Schritt sein könnte. IPad ist, wie gesagt, dazugekommen jetzt und irgendwann bin ich halt von 8-Spur dann auf Computer umgestiegen. Ist für mich alles dieselbe Arbeitsweise, besser ist nur, man hat noch mehr Spuren, was ich auch dann streckenweise erheblich ausnutze, obwohl man das dann tatsächlich hört. Da ist jetzt der Alesis, da ist ein Midi-Keyboard, da ist das iPad – das war's.
    Ziehn: Ist das eine Umstellung, wenn man von so einem kleinen Casio, der ja wirklich noch eine Tastatur aus Plastik hat, dann irgendwann umstellt auf so virtuelle Geräte wie ein iPad, wo man das eben nicht mehr hat, zumindest nicht in so haptischer Form, zum Anfassen?
    Zimmermann: Das geht ja, das hat ja trotzdem eine imaginäre Tastatur, wo man mit dem Finger drüber gehen kann – ich mag ja so unglaublich gern Portamento-Effekte et cetera, wo man die Sounds schön schleifen lassen kann et cetera. Und das kann man da auch drauf machen. Das ist erst mal gewöhnungsbedürftig. Und ich habe da auch für Live - oder auch für zuhause -, hauptsächlich für Live, ein Midi-Keyboard dran, womit ich diese ganzen Sounds ja dann ansteuern kann und die dann spielen kann. Von daher: Es hat sich nicht viel verändert. Es ist einfach nur, das Equipment ist ein bisschen aktueller geworden, aber das ist halt auch nicht groß. Wie gesagt: Es minimiert sich auf einen Synthesizer, auf das iPad und ein Midi-Keyboard. Also, ich habe es nach wie vor klein gehalten. Nur die ganze Technik ist etwas moderner durch die Computeraufnahmen jetzt. Das ist aber alles. Aber ich habe gemerkt, dass das nichts verändert hat an der Arbeitsweise, letztendlich.
    "Das ist kein Dada"
    Ziehn: Und ein "Instrument" ist dazugekommen seit ein paar Alben, nämlich Ihre Stimme.
    Zimmermann: Ja.
    Ziehn: Früher haben Sie ausschließlich Instrumentalmusik gemacht, mittlerweile taucht Ihre Stimme ab und zu mal auf. Warum?
    Zimmermann: Das war ja schon auf dem vorletzten Album, "Vorausbauende Beschauung", da habe ich damit angefangen, da waren das dann zwei Stücke, weil … keine Ahnung. Man war auch an einem Punkt angekommen, okay, das hast Du jetzt instrumental alles unglaublich ausgedrückt, ganz auf den Mund gefallen bist Du auch nicht. Und dann habe ich das ausprobiert bei zwei Stücken. Das ging da schon okay, das ging ganz gut. Ich hatte dann zum Beispiel auch Andreas Dorau zur Seite, der auch ein guter Freund ist, dem ich das dann mal geschickt habe. Der dann selbst, als Texter und Musiker, der singt, der nickte das dann ab, das geht schon okay et cetera. Und da dachte ich, okay. Weil, meine bessere Hälfte hat sich mit Händen und Füßen gewehrt, dass da Stimme reinkommt, hat das alles angezweifelt. Gott sei Dank haben alle anderen dann gesagt: Lass den Jo mal machen, das ist schon alles okay. Und zwischenzeitlich ist das auch okay. Das brachte ein schönes neues Element rein, wo man sich dann ausdrücken konnte.
    Was ich aber von mir weise, weil das oft gesagt wird: Das ist kein Dada, was ich da mache, definitiv nicht. Das ist einfach das Zeug, wie ich mit Worten da umgehe, wenn man die Titel der Platten auch sieht et cetera. Das ist vielleicht sogar noch ein bisschen näher am Leben, weil das ja schon zum größten Teil verständliche Sachen sind, vielleicht etwas in irgendeiner Unfug-Nachbarschaft oder so. Aber es ist definitiv kein Dada, es ist keine Anti-Kunst oder sonst irgendwas. Es ist einfach das, wie ich mit Worten umgehe. Aber das findet für mich nicht tatsächlich statt.
    Ziehn: Ich glaube tatsächlich, dass dieses Dada, das Wort sich so ein bisschen verselbständigt hat für alles, was ein bisschen nach Nonsens aussieht. Und Sie haben halt Titel wie "Kandierter Jammerlochlappen" oder "Restwasserstreitgebettel". Sind Sie der deutschen Sprache auch manchmal so ein bisschen dankbar, dass man mit der Sprache so wundervolle ellenlange Komposita bauen kann?
    Zimmermann: Absolut. Es macht ja auch einen irrsinnigen Spaß, ich habe das ja vorher auch schon gemacht, mit Zeichnungen: Die waren nie größer als DinA5 – und hatten immer endlos lange Titel. Aber das macht mir einen irrsinnigen Spaß, dieses Zeug zu konstruieren. Bei den Stücken ist es halt so, dass ich die immer wieder höre und denke, was ich darin glaube zu hören – und dann kommen diese Titel auch zustande. Ich baue die dann zusammen. Und bei den Texten … Ich merke das zwischenzeitlich sehr gut, wenn ich merke,"da kann gut Text rein", oder "Da kann kein Text rein". Und dann gucke ich, was das werden kann. Und dass das oft ein bisschen auch am Absurden et cetera langschlängert, das liegt dann wohl schon an mir, weil der Hang dahin dann doch etwas größer ist.
    "Die Kontakte sind nach wie vor da"
    Ziehn: Vor ziemlich genau 20 Jahren wurde von der internationalen Musikpresse der "Sound of Cologne" ausgerufen – elektronische Musik aus Köln war auf einmal so eine Riesensache. Wie gucken Sie auf diese Zeit zurück?
    Zimmermann: (seufzt) O Gott. Nee, war eine super Zeit, "Sound of Cologne" und bla. Ich habe das auch da wieder damals nicht so empfunden, vielleicht weil man auch Teil dessen war. Aber es war eine tolle Zeit, die 90er. Zumindest, wenn man sie überlebt hat, weil das war auch in jeglicher anderer Hinsicht eine sehr intensive Zeit. Aber das war super, da ist viel passiert. Das Ende der 90er war ja dann auch fast … Oder, die beginnenden 2000er, da sind ja alle nach Berlin gezogen. Das war dann nicht mehr so lustig.
    Ziehn: Es gab natürlich damals auch ganz viel Zusammenarbeit dieser Kölner Musiker: Mouse On Mars, Sie, dieser Kosmos um Label und Plattenladen A-Musik, der sich der – im weitesten Sinne – experimentellen Musik verschrieben hat. Ist das immer noch so, so ein fester Trupp von Leute, die sich unterstützen oder zusammenarbeiten? Oder hat sich das schon so ein bisschen ausgedünnt?
    Zimmermann: Zu A-Musik habe ich nach wie vor gute Kontakte, Georg (Odijk), Frank (Dommert), wenn ich in dem Laden bin. Klar, die neue Platte ist schon die zweite, die in Hamburg rauskommt, da verteilt sich das auch noch mal. Man hat jetzt eher ein Vernetzung mit Leuten außerhalb von Köln. Klar, ein Teil der Musiker ist auch noch in Köln, aber zwischenzeitlich hat sich das einfach breiter gestreut, da ist man nicht nur hier in diesem Naschtöpfchen Köln unterwegs. Aber die Kontakte sind nach wie vor da. Es sind viele Freundschaften – lange und alte, die auch aufrecht erhalten werden – und es gibt auch immer hin und wieder irgendwelche Zusammenarbeiten. Aber es ist doch nationaler geworden, wenn nicht sogar internationaler und nicht mehr so auf Köln fixiert.
    Schlammpeiziger können Sie am 14.02. in Berlin, am 16.02. in Hamburg und am 24.02. in Köln live sehen. Das neue Album "Damenbartblick auf Pregnant Hill" erscheint am 19. Januar.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.