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Neues Album "Food"
Kelis' kulinarische Köstlichkeiten

Bereits mit 20 stand Kelis in den Ranglisten der großen Musikmagazine weit oben. Sie heiratete die Rapgröße Nas - und ließ sich unmittelbar scheiden. Seitdem ist es still um die US-Künstlerin geworden. Nun legt sie - wieder hungrig auf Musik - ihr mittlerweile sechstes Album vor: "Food".

Kelis im Corsogespräch mit Amy Zayed | 23.04.2014
    Amy Zayed: Kelis Rogers, das neue Album verabschiedet sich vom tanzbaren Pop und klingt eher nach Soul, Funk und Rock. War das von Anfang an beabsichtigt?
    Kelis: Ich hasse es, mich zu wiederholen. Das langweilt mich! Selbst als ich damals eine Dance-Platte gemacht habe, war das zu der Zeit etwas Ungewöhnliches. Ich liebe Musik, und deshalb mache ich das, was sich gerade gut und richtig anfühlt! Zu versuchen so etwas zu erzwingen, funktioniert bei mir nicht. Ich weiß auch gar nicht, was gerade musikalisch um mich herum passiert. Es interessiert mich auch nicht! Ich möchte etwas Einzigartiges schaffen, aber vor allem, etwas, dass ich selbst liebe, und zu dem ich stehe.
    Zayed: Ich sehe eine klare Entwicklung in Ihrer Musik. Sowohl musikalisch, als auch textlich. Am Anfang haben wir Ihre harte Seite gesehen, vor der man zugegebenermaßen schon ein bisschen Angst hatte, dann kam die Sexbombe, die keine Scheu davor hatte, Sex in der Öffentlichkeit zu haben, wie im Song "In Public". Dann die Dance-Diva. Und jetzt auf diesem Album sehen wir eine erwachsene, reife, ganz normale Frau, die dankbar ist, für das, was sie hat. Haben Sie sich verändert oder sind das alles nur verschiedene Facetten, die Sie uns nach und nach gezeigt haben?
    Kelis: Diese Musik passiert ja parallel zu meinem normalen Leben. Ich glaube, die Leute vergessen das manchmal. Als ich meinen ersten Plattenvertrag unterschrieben habe, war ich gerade mal 17! Und natürlich klingt mein erstes Album eben wie das einer 17-Jährigen. So muss es doch auch sein! Ich entschuldige mich nicht, für das, was ich bin, denn all das macht mich doch aus! Es gab die "Milkshakes" und die "Bossys" und die "In Publics" und all das. Aber es gab auch immer andere Songs auf meinen Alben. Ich glaube, die Leute erinnern sich eben nur an diese Songs, weil sie damals etwas Einzigartiges waren, womit niemand gerechnet hat. Aber ich bin mittlerweile 15 Jahre in diesem Business. Das ist verrückt! Heutzutage ist kaum eine Frau so lange in diesem Geschäft, und es ist auch bei Gott nicht leicht! Ich bin 34 Jahre alt. Ich bin stolz auf mich! Ich klinge besser, als ich je geklungen habe, und ich glaube, das hört auch jeder.
    Zayed: Die neue Platte heißt ja "Food", also Essen. Ich weiß, dass Sie vor kurzem einen Kurs als Köchin abgeschlossen haben und das Kochen lieben. Aber seit wann ist das so, und was hat das alles mit der Platte zu tun?
    Kelis: Ich liebe es zu essen! Ich habe drei Schwestern, und als ich klein war, hatte meine Mutter eine Catering-Firma. Meine Schwestern sind alle in Gesundheitsberufen. Also war ich die einzige, die übrig blieb und nichts mit Medizin zu tun hatte. Und meine Mutter hat mich dann immer direkt mit eingebunden. Los wasch deine Hände, Kind! Mach Dich nützlich!, hieß es immer. Also habe ich sehr schnell gelernt, was Essen für Menschen bedeuten kann. Ich liebe Partys! Ich liebe es mit Menschen zusammen zu sein. Und bei einer guten Party gibt's halt immer etwas zu Essen. Sonst ist die Party nicht gut.
    Zayed: Und dabei gehen Sie soweit, sogar die Titel auf dem Album "Breakfast" oder "Friday Fish Fries" zu nennen?
    Kelis: Es war gar nicht so geplant. Während wir das Album aufgenommen haben, waren wir so beschäftigt mit Aufnahmen und Komponieren und Schreiben - und natürlich auch Essen! Es gehörte mit zum Entwicklungsprozess des Albums. Der Tontechniker hat dann für einen Track einen Arbeitstitel ausgewählt, der irgendwas mit dem zu tun hatte, was wir an dem Tag gegessen hatten, damit wir uns später daran erinnern konnten. Und dann hat man weitergearbeitet, und zwei Wochen später habe ich dann gesagt, kannst Du mir noch mal den Song "Gravy" oder "Cobbler" vorspielen? Da müssen wir noch was ändern... Und als es dann daran ging, das Album zu veröffentlichen, habe ich mir gedacht: Warum belassen wir die Namen nicht einfach so?
    Zayed: Einer der Songs, die für mich auf dem Album herausstechen, ist "Bless The Telephone". Er klingt anders, als jedes andere Stück, das ich von Ihnen kenne. Einfach nur Sie und die Akustikgitarre! Fast klingt der Song wie ein Country-Song. Woher kam die Idee dazu?
    Kelis: Als ich beschlossen habe, dieses Lied wirklich aufzunehmen, fand ich die Idee perfekt. Ich konnte dieses Gefühl gar nicht besser einfangen, und wollte es auch genauso haben und nicht verändern. Ich hatte es im Kopf und dachte sofort: Es gibt gar keine bessere Art, dieses Gefühl auszudrücken. Ich finde die Idee großartig, dass wir in dieser unglaublich technisierten Welt leben, in der ich mich eigentlich überhaupt nicht zurechtfinde. Aber wir leben nun mal in dieser Welt voller Technik, und vergessen oft, wie einfach alles sein kann. Es ist so, dass wir vor uns hinleben, so unglaublich beschäftigt sind, so viel um uns herum passiert! Ich habe drei verschiedene Geschäfte, ich habe ein neues Album, das kurz vor der Veröffentlichung steht, ich habe ein Kind, ich habe einen Freund, und dabei bedarf es nur eines simplen Anrufs, um meinen gesamten Tag zu verändern! Die Tatsache, dass jemand plötzlich irgendwoher in meinem Leben auftauchen kann, und sagen kann: Hey, ich hab' gerade an dich gedacht, und wollte fragen, wie es Dir geht! Ich fand diese Vorstellung unglaublich romantisch.
    Zayed: Ich habe kürzlich einen Artikel über Sie gelesen, dass Sie sich für Frauenrechte einsetzen. Ist das etwas, was Ihnen besonders wichtig ist?
    Kelis: Ich bin mit drei Schwestern aufgewachsen, und ich habe eine sehr starke Mutter. Sie hat uns von Anfang an ermutigt, stark zu sein. Deshalb war mir auch lange Zeit gar nicht bewusst, wie wichtig dieses Thema tatsächlich ist. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, glaube ich, dass ich nicht den Drang hatte, Frauen besonders unterstützen zu müssen. Ich glaube nicht, dass es einen Grund gibt, warum sich Frauen nicht stark genug fühlen sollten. Es geht um die Perspektive, aus der man das Leben betrachtet. Als ich schwanger war, wurde mir klar, worum es für mich eigentlich ging. Als ich schwanger war dachte ich: Gott, mein Körper tut, wofür er geschaffen ist. Ich dachte, ich liebe Gott so sehr, weil er so ein perfektes Gleichgewicht geschaffen hat. Ich dachte: Männer regieren die Welt, weil es so sein muss. Sie müssen die Welt regieren. Denn wenn Frauen Leben schaffen und die Welt regieren könnten, wäre es nicht fair. Denn dann gäbe es ja gar keinen Sinn für die Männer! Ich fühle mich absolut okay in einer Welt, die von Männern regiert wird, denn egal was sie erreichen, was sie gewinnen, Pulitzerpreise, Nobelpreise, sie könnten Weltfrieden schaffen... Aber sie werden nie dieses Gefühl kennen, was die andere Seite kann: Menschen Leben geben! Es hat all die Zeit gedauert, um das zu verstehen! Ich bin so weiblich, wie ich sein kann, und ich liebe es!
    Zayed: Also zeigen Sie ihre Weiblichkeit lieber, als sie zu verstecken?
    Kelis: Ich verstehe das nicht: Dass eine Frau sich nicht die Beine rasiert und keinen Lippenstift trägt... das macht doch gar keinen Sinn! Das ist irgend so eine verzerrte Idee davon, was Stärke bedeutet. Ich sehe aus wie eine Frau und ich bin emotional wie eine Frau. Und besonders als Mutter entwickelt man besondere Instinkte. Und ich muss diesen Instinkten vertrauen. Ich muss mir selbst vertrauen! Ich erziehe diese Person, diesen kleinen Menschen, also muss die Antwort, die ich ihm auf seine Fragen gebe, die für mich einzig Richtige sein! Denn dieser Mensch verlässt sich auf mich als seine Mutter. Und daraus ziehe ich Kraft! Kraft aus dem, wofür wir Frauen geboren sind. Ich schätze Männer, und ich glaube, dass ihr Sinn im Leben ebenso einzigartig ist. Aber bei ihnen ist es vollkommen anders. Die Leute versuchen, uns miteinander zu vergleichen, aber eigentlich geht es doch darum, das zu erkennen, was uns verbindet, damit wir uns gegenseitig wertschätzen.
    Zayed: Trotz allem tun Sie ja nun viel mehr, als nur den Sinn ihres Lebens als Frau zu erfüllen: Sie regieren ihre kleine eigene Welt.
    Kelis: Es gehört alles zusammen. Wenn wir dieses Leben ernst nehmen und die Momente wertschätzen, die wir haben, um etwas Besonderes aus unserem Leben zu machen, finden wir eine Menge über uns selbst heraus - und hoffentlich mögen wir uns dann auch selbst besser leiden.