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Neues Album von Curtis Harding
Martial-Arts-Meister und Grashüpfer

Als Kind hat er im Gospelchor gesungen, dann spielte Curtis Harding in Punk- und Hip-Hop-Bands. Mit seinem Debütalbum begeisterte er Stars wie Iggy Pop und Jack White. Jetzt kommt der Nachfolger "Face your fear", für den er mit dem bekannten Produzenten Danger Mouse zusammengearbeitet hat.

Von Anke Behlert | 28.10.2017
    Der US-amerikanische Sänger Curtis Harding bei einem Konzert auf dem Lowlands Music Festival in Biddinghuizen, Niederlande am 21. August 2015.
    Der US-amerikanische Sänger Curtis Harding bei einem Konzert auf dem Lowlands Music Festival in Biddinghuizen, Niederlande. (picture alliance / dpa / Ferdy Damman)
    "Danger Mouse ist der Martial-Arts-Meister und wir sind die kleinen Grashüpfer. Ich habe ihn kennengelernt, als ich Background-Sänger bei Gnarls Barkley war. Er hat ein sehr gutes Ohr und einen ähnlichen Musikgeschmack wie ich und mein anderer Produzent Sam Cohen", erzählt der Musiker Curtis Harding, während er lässig mit schwarzer Lederjacke und gestreiftem Pulli bekleidet im Sessel sitzt und immer wieder am Kaffee nippt. Der gemeinsame Musikgeschmack war deshalb vorteilhaft, weil Harding ein Album aufnehmen wollte, das so klingt, als hätten alle seine musikalischen Helden daran mitgearbeitet. Das sind zum Beispiel Serge Gainsbourg, Al Green, die Rolling Stones und Lee Moses. Diese Einflüsse hat Harding mit Elementen seiner eigenen, vielfältigen musikalischen Vergangenheit kombiniert und daraus seine Version von Soulmusik gemacht.
    Stetige musikalische Veränderung
    Curtis Harding kommt aus Michigan, schon als Kind singt er im Gospelchor und spielt Schlagzeug. Später zieht er nach Atlanta, gründet eine Rap-Gruppe. In Atlanta lernt er das Hip-Hop-Duo Outkast kennen, dessen Songs er remixt. Für Cee-Lo Green arbeitet er als Background-Sänger und Songwriter, außerdem spielt er in einer Punkband. Als sein Debütalbum "Soul Power" 2014 erscheint, hat er also schon einen beachtlichen Weg hinter sich. Den empfindet Harding aber nicht als zu lang, sagt er.
    "Jeder einzelne Schritt war wichtig. Vor allem aber der erste - sich bewusst für die Musik zu entscheiden. Man darf nicht an sich zweifeln, man muss von ganzem Herzen an das glauben, was man tut. Und es darf auch keinen Plan B geben. Ich habe mich schon sehr früh dafür entschieden, Musiker zu werden, und alles, was ich seitdem gemacht habe, hat mir geholfen, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin."
    War sein Debüt "Soul Power" noch merklich vom Garagenrock geprägt, geht es auf "Face your fear" deutlich psychedelischer zu. Wahwah-Gitarren gesellen sich zu Synthesizern, Glockenspiel, Streicher- und Bläsersätzen und gehauchtem Background-Gesang. Eine klare, knackige Produktion lässt die Stücke strahlen und gibt ihnen einen einheitlichen Sound. Mithilfe von Danger Mouse und Sam Cohen hebt Curtis Harding seine vormals noch ungeschliffenen Songs auf die nächste Stufe. Der Titel "Face your fear" kommt von einem Song auf dem Album, den Harding eigentlich über einen immer wiederkehrenden Albtraum geschrieben hat. Man kann ihn aber auch auf andere Dinge übertragen, sagt er.
    "Ich habe das Album 'Face your fear' genannt, weil ich finde, dass das ein wichtiges Statement ist. Auch wenn es ein Klischee ist und sich einfach anhört, das ist es oftmals nicht! Zum Beispiel haben manche Leute Angst vorm Fliegen und besuchen deshalb ihre Familie nicht, weil die auf einem anderen Kontinent lebt. Aber es geht auch darum, was gerade in der Welt passiert. Es gibt soviel Hass, unter anderem deshalb, weil die Leute Angst vor dem haben, was sie nicht verstehen. Wenn man diese Angst überwindet und stattdessen versucht, Gemeinsamkeiten mit seinem Gegenüber zu finden, wäre die Welt ein bisschen besser."
    Soundtrack zum Weintrinken
    Hardings Songtexte greifen die gesellschaftskritische Interpretation des Albumtitels leider nicht auf. Stattdessen arbeitet er sich einmal mehr am Thema aller Themen ab - der Liebe. Daran ist an sich nichts Verwerfliches, aber Reime wie "I feel so blue / without you" klingen zu banal und nach Baukasten.
    In einem älteren Interview hat Curtis Harding ganz unbescheiden zu Protokoll gegeben, dass er nur Albumklassiker aufnehmen möchte. Darauf angesprochen wiegelt er ab, so großspurig sei das gar nicht gemeint.
    "Ich mag Alben, die man vom Anfang bis zum Ende durchhören kann und wo man nicht jeden zweiten Song überspringen muss. Dann trinkt man dazu ein Glas Wein und entspannt sich oder feiert mit Freunden. Solche Platten will ich auch machen und das meinte ich mit Albumklassiker. Also wenn man das schafft, macht man es richtig!"
    Als Soundtrack zum Weintrinken oder einer Party eignet sich "Face your fear" hervorragend. Auch wenn das Album wohl nicht als zeitloser Klassiker in die Popgeschichte eingehen wird, ist es doch ein gut gemachtes, unterhaltsames Stück Soulmusik.