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Neues Alicia Keys Album
"Boom, hier bin ich!"

Zuletzt machte Alicia Keys Schlagzeilen, indem sie sich ganz ohne Schminke auf Fotos und in der Öffentlichkeit sehen ließ. Jetzt singt sie auch wieder Ungeschminktes - auf dem Album "Here", das schon mit ihrem berühmten Debüt "Songs In A Minor" verglichen wird. Für Occupy Wall Street, gegen Donald Trump - und immer wieder über New York.

Von Marcel Anders | 05.11.2016
    Alicia Keys live bei der NBC Today Show Summer Concert Series auf dem Rockefeller Plaza. New York, 02.09.2016
    Alicia Keys live bei der NBC Today Show Summer Concert Series 2016 in New York (imago / Future Image)
    "Eine Menge Leute sagen: Alicia, das fühlt sich an wie der Vorläufer zu deinem ersten Album." Und ich halte das ist eine gute Einschätzung. Denn für mich ist es ein Liebesbrief an New York. Es enthält so viel von dieser Stadt und von den unterschiedlichen Dingen, die mich beeinflusst haben. Die mich zu der Frau und Künstlerin gemacht haben, die ich heute bin. Und die meine Sicht auf die Welt und meinen Musikgeschmack geprägt haben. Insofern könnte es sein, dass dieses Album den Leuten hilft, mich besser zu verstehen."
    Teamwork statt Einzelarbeit
    In den letzten 15 Jahren hat sich Alicia Keys oft auf etwas reduziert gefühlt, was sie nicht sein will. Sei es eine reine Pop- oder R&B-Künstlerin oder eine permanente Grenzgängerin zwischen Film, Musik und Mode. Was zuletzt für einen Sättigungseffekt und für rückläufige Umsätze sorgte. Ihre Reaktion: Ein Management-Wechsel und ein neuer Arbeitsansatz. Statt alleine im stillen Kämmerlein zu komponieren, versucht sie es nun mit Teamwork. Etwa mit ihrem Mann Swiss Beatz oder den Machern von The Weeknd.
    "Es fing mit einer Vierergruppe an, die auch den Hauptteil der Musik geschrieben hat. Anschließend habe ich das Ergebnis mit einer weiteren Gruppe aus drei oder vier Leuten bearbeitet. Was ein sehr konzentriertes und gemeinschaftliches Vorgehen war. Wir haben uns getroffen und regelrecht zusammen gelebt. Wir haben miteinander geredet, gearbeitet und gegessen."
    Ein Ansatz, bei dem viele aktuelle Probleme und Themen erörtert wurden. Etwa die laxen Waffengesetze und die grassierende Polizeigewalt in den USA, die laut Alicia auf dem oberflächlichen Schubladendenken basieren, das uns soziale Netzwerke eintrichtern. Durch sie tendieren wir dazu, Menschen vorschnell zu stereotypisieren – etwa als Bedrohung oder Gefahr. Was zu falschen und oft tödlichen Reaktionen führt. Und Alicia genauso wütend macht wie fragwürdige Schönheitsideale und das allgegenwärtige Streben nach Perfektion. Das sei nicht Menschlich, sagt sie, und setzt selbst nur noch selten auf Glitzer, Glamour und Make-up.
    "Ich habe mich über die Jahre oft verändert, weil ich einen neuen Sound oder Stil ausgelotet habe. Und wir haben ja alle das Recht, zu wachsen und zu erkennen, wo wir hingehören. Insofern ist es interessant, wie die Leute auf meinen Make-up-Verzicht reagieren. Denn letztlich geht es gar nicht so sehr ums Äußere. Sondern der Punkt ist herauszufinden, wer du bist, sich damit wohl zu fühlen und stolz darauf zu sein. Nach dem Motto: "Boom, hier bin ich." Was immer für diesen Effekt sorgt – tut es."
    Menschlichkeit beweisen
    Sich nichts aufdrängen lassen. Individualität und Stärke zeigen. Sich auf den gesunden Menschenverstand berufen und Menschlichkeit beweisen – das ist die Botschaft, die Alicia mit 16 starken Songs zwischen Jazz, Soul und R&B vermitteln will. Sich mal opulent, mal minimalistisch, mal avantgardistisch gibt. Und eine Woche vor der US-Präsidentschaftswahl noch unentschlossene oder politikverdrossene Wähler zu mobilisieren versucht. Denn einen Sieger namens Trump dürfe es nicht geben. Er widerspräche dem Spirit von New York wie den USA.
    "Mir ist unbegreiflich, wie jemand nicht wertzuschätzen weiß, wofür Amerika steht. Nämlich für dieses große Zusammenkommen, diesen Schmelztiegel aller Menschen, dieser Ort, an dem jeder die Möglichkeit hat, das Meiste aus seinem Potential zu machen – egal, wo man geboren wurde. Das ist ein wunderbarer Traum. Und dass Trump das nicht versteht, ist einfach enttäuschend."
    Hoffnung für die Zukunft
    Auch, wenn die Zeit – so Alicia - hart und das Lebensgefühl trist ist: Sie hat durchaus Hoffnung für die Zukunft. Sei es, weil die Occupy Wall Street-Bewegung viele Jugendliche mobilisiert hat, weil sich Widerstand gegen die ultrakonservativen Ideale der Tea Party regt und weil sich langfristig doch einiges ändern könnte – zum Demokratischen, zum Liberalen und Besseren. Der Schlüssel, so Alicia, sei umdenken und hinterfragen.
    "Ich habe das Gefühl, dass da draußen wahnsinnig viel passiert und die Leute wieder anfangen miteinander zu reden, Veränderungen auf den Weg zu bringen und ehrlicher zueinander zu sein. Was eine schwierige Sache für uns Menschen ist. Eben sich objektiv anzuschauen, was da passiert, und dann anders zu reagieren als man es gelernt und bislang als richtig empfunden hat. Da stellt sich die Frage: "Was fühlt ihr da? Was schießt euch durch den Kopf? Was passiert hier? Also in uns und um uns herum? Was denken wir?""