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Neues aus der fränkischen Komödienwerkstatt

Seit über 30 Jahren stand "Schweig Bub" von Fitzgerald Kusz auf dem Spielplan des Nürnberger Staatstheaters. Dieses feiert derzeit sein frisch renoviertes Schauspielhaus mit einem Erst- und Uraufführungsmarathon. Dazu gehört auch Kusz' neues Stück "Lametta".

Von Bernd Noack |
    "Lametta" – oder korrekt fränkisch ausgesprochen, mit "ä" und weichem Doppel-"d", "Lamädda" – das Lametta also steht im neuen Dialekt-Stück von Fitzgerald Kusz für das Heimweh der glitzernd fadenscheinigen und besseren alten Zeit, in der ein Weihnachtsbaum noch nadelte und die Familie um ihn herum etwas Heiliges war.

    Längst aber diktieren Konsumzwänge das angestrengt feierliche Geschehen im Schlagschatten der Krippe, der mit dem Jesuskind und einem Hirten über die Jahre auch der tiefere Sinn verloren ging. Und was einmal Verwandtschaft war, ist heute nurmehr ein zusammengewürfelter Haufen mehrfach gewechselter Partner, die sich weder richtig kennen noch überhaupt riechen können.

    Denkbar schlechte Voraussetzungen für ein friedfertiges Weihnachtsfest. Und Kusz lässt auch gar keinen Zweifel daran aufkommen, dass er genau das allen vermiesen will. Er ist ja ein kleiner Meister im Aufspüren von Sollbruchstellen in Idyllen, und er schafft das auf hinterhältige Art. Denn an der Wärme des Dialekts verbrennt man sich bei ihm die Finger und die Seele gleich mit. Heimat hat bei ihm eine Sprache, aber die ist eben nur dem Klang nach poetisch, versöhnlich und vertraut. Die Mundart – zumal das Fränkische, dessen lautmalerischer Hinterfotzigkeit immer mehr Menschen in ganz Deutschland gerne auf den Leim zu gehen scheinen – die Mundart kann eben gnadenlos gerade durch ihre "ohrenscheinlich" geschmeidige Harmlosigkeit wie eine Maulschelle Freund und Feind zu Boden strecken.

    So sind die Komödien und vor allem die Gedichte von Kusz bisher fern aller stadelverlogenen Volkstümlichkeit tatsächlich bittertriste Tragödien aus des Volkes Alltag gewesen, die das Lachen nur zulassen, wenn man auch ein wenig zur Selbstbezichtigung fähig ist.

    In "Lametta" wollte Kusz diese Entlarvung kleinbürgerlicher Be- und Empfindlichkeiten auf die Christbaumspitze treiben. Aber es gelingt ihm nur in wenigen kleinen, schöngarstigen Sequenzen, als Ganzes ist das Stück nicht mehr als eine seltsam einfach gestrickte Homestory aus den Niederungen lichterkettenverhängter deutscher Wohnzimmer: süßer die Handys nie klingeln. Harmonien sind dazu da, dass sie zertrümmert werden, und im handlungsarmen Fortgang der gesegneten Feierlichkeiten wird gegen das obligatorische Schallplatten-Geschnulze von Peter Alexander mit aller Macht und Übertreibung die Katastrophe zelebriert.

    Der eilige Abend krankt aber auch an der unentschlossenen Regie von Frank Behnke, der die Oberflächlichkeit des Textes nimmt, wie sie ist. Es bleibt plump, wo man endlich das Groteske herbeisehnt, und es dehnt sich, wo alles unaufhaltsam in den Abgrund hinabstürzen sollte. Für all die Sehnsüchte und Einsamkeiten, für Feiertagsfrust und Gefühlsabstürze gibt es dann logischerweise nur noch einen Katalysator: Man greift zur Flasche und alles verblubbert in einer bodenständig trüben Sauf- und Kotzorgie, die schon jedes Familienfest kurz vor dem Erreichen der eigentlich unerträglichen Seichtigkeit des Scheins zuverlässig zur Strecke gebracht hat.

    Ob es "Lametta", wie Kusz` weitaus bösartigeres Konfirmationsdrama "Schweig Bub", auch zu Kultstatus bringen wird, bleibt abzuwarten. Bei der Premiere zumindest wirkte es eher harmlos wie ein überdrehtes Krippenspiel in spreizfränkischer Manier, das wohl durchaus seine unterhaltsame Berechtigung hat – aber doch wohl nur zur Weihnachtszeit.