Vor eineinhalb Jahren veröffentlichten die beiden polnischen Klavierschwestern Ana und Ines Walachowski eine ziemlich energisch eingetastete CD mit Arrangements Gershwin'scher Kompositionen. Nun hat das Piano Duo Genova & Dimitrov in ähnlicher Manier ein ähnliches Projekt am Markt lanciert. Motto: Das Imperium haut zurück. Und wie! Die Scheibe ist belegt mit Gershwin, Copland und Bernstein und trägt den Titel "America for Two", dabei dachte man doch, America sei forever und for Two sei der Tea. Man lernt eben nie aus.
Das Cover dieser CD ist eigentlich eine Verheißung: Es gibt eine Schwarzweißfotografie des großen ungarischen Foto-Poeten Paul Almasy wieder, der vor zwei Jahren in Frankreich im Alter von 97 Jahren starb. Doch mit den poetischen Seiten Amerikas haben Aglika Genova und Liuben Dimitrov offenbar wenig im Sinn. Sie gehen beinhart zur Sache: Präludium zum Nachmittag eines Wallstreet-Brokers:
Das Cover dieser CD ist eigentlich eine Verheißung: Es gibt eine Schwarzweißfotografie des großen ungarischen Foto-Poeten Paul Almasy wieder, der vor zwei Jahren in Frankreich im Alter von 97 Jahren starb. Doch mit den poetischen Seiten Amerikas haben Aglika Genova und Liuben Dimitrov offenbar wenig im Sinn. Sie gehen beinhart zur Sache: Präludium zum Nachmittag eines Wallstreet-Brokers:
- Musikbeispiel: George Gershwin/arr. Gregory Stone - Prelude Nr. 1
George Gershwin schrieb über diese Musik eigentlich den Titel "Preludes". Doch Gregory Stone arrangierte das für zwei großkalibrige Steinway Automatics, und die Filmszene zur Musik müsste schon ein Showdown sein, wo es mindestens um die Ehre der Prizzis geht, wenn nicht gar um die Geschäfte von Mr. und Mrs Smith. Ist überhaupt entfernt vorstellbar, daß George Gershwin so etwas mit unnachahmlicher Eleganz und mit einer gewissen federnden Lässigkeit gespielt haben könnte? Tempo rubato nicht als geklaute Zeit und gefälschte Bilanz, sondern als Ausdruck von Luxus und Überfluss? André Watts hat vor vielen Jahren die drei Preludes mit großer Liebenswürdigkeit, aber auch großem Respekt vor dem Komponisten eingespielt. Allerdings allein und nicht als großes Blow-up.
Natürlich gibt es für diesen Stil, der übrigens durchaus verbreitet ist, wahrhaft handfeste Gründe. Sie liegen in einer bestimmten Art der so genannten russischen Schule, vor allem in der gnadenlosen Weise, mit der grundsätzlich bei jedem Ton die Taste schier bis in den Stuhlboden gerammt wird. Für Unwägbares, für Ungenauigkeiten, für Charme bleibt da kein Raum. Stattdessen: Lächeln mit zusammengebissenen Zähnen! Kein Zweifel, daß die aggressive Perfektion, mit der hier im Teamwork Klavier exerziert wird, auch Faszination ausübt. Genova & Dimitrov wollen nach oben, und deswegen setzen sie hinter jeden Ton ein Ausrufezeichen, so wie der Modeschöpfer, der sie einkleidet, eines hinter seinen Namen setzt. Ups! denkt man - so hört sich Karriere an. Und alles ist so berechenbar....
Bei Leonard Bernstein und seinem Arrangement von Coplands "El Salón México" ist das nicht einmal völlig falsch. Lenny wollte damals auch nach oben, als er für Copland das Arrangement schrieb. Aber es ist eben doch nicht der ganze Lenny und schon gar nicht der ganze Copland:
- Musikbeispiel: Aaron Copland/ arr. Leonard Bernstein - El Salon México (Ausschnitt)
Ein Ausschnitt aus "El Salón México" von Aron Copland, bearbeitet von Leonard Bernstein und gespielt vom Klavierduo Genova & Dimitrov. Daneben finden sich als vielleicht wichtigstes Werk dieser CD die Symphonischen Tänze aus "West Side Story" von Leonard Bernstein in einem Arrangement von John Musto, und auch Genova & Dimitrov nutzen die Porgy-and-Bess-Fantasy in der Bearbeitung von Percy Grainger dazu, um Amerikas wahren Reichtum vor Ohren zu führen: Plenty of Nothing.
- Musikbeispiel: George Gershwin/ arr. Percy Grainger - Porgy and Bess Fantasy (Ausschnitt)
So viel zur neuen CD "America for Two" des Klavierduos Genova & Dimitrov, die bei cpo erschienen ist.
Ganz andere Musik findet sich auf der Scheibe, die Rolf Plagge für Aulos eingespielt hat. Da geht es um Kompositionen von Karol Szymanowski. Und der muss nun in der Tat neu entdeckt werden.
Es gab einmal eine hinreißende Pianistin, die sich leidenschaftlich für Szymanowski einsetzte: Felicija Blumental. Die Blumental hatte in Warschau studiert, hatte Szymanowski persönlich kennen gelernt, und sie spielte ihn später in Brasilien und England geistvoll, tief empfindend und gleichzeitig unsentimental, auch mit einer gewissen Leichtigkeit und vor allem mit wirklicher Noblesse. Rolf Plagge, dessen pianistische Kompetenz außer jedem Zweifel steht, nähert sich dem großen polnischen Komponisten, der 1937 in Lausanne starb, eher aus der Perspektive eines modernen Ravel-Interpreten, für den der "Gaspard de la Nuit" das Maß der Dinge ist. Plagges hart meißelnder Anschlag hat etwas Analytisches. Im Booklet-Text von Otto Hagedorn, in dem gelegentlich schon mal der Dativ dem Genetiv sein Tod ist, wird ausdrücklich auf Debussy und Ravel hingewiesen und auf den Einfluss, den beider Musik auf Szymanowski ausübte. Indes wurden Debussy und Ravel zu Zeiten Szymanowskis eben doch anders gespielt als heute; erinnert sei hier nur an den unvergessenen Walter Gieseking. Dennoch nimmt für Plagges Sicht ein, daß die komplexe Struktur der Kompositionen mit fast schmerzhafter Deutlichkeit zutage tritt - vorausgesetzt, man unterstellt, der Komponist habe solche Deutlichkeit intendiert. Auf der CD finden sich neben der rätselhaften Fantasie op. 14 und den von der klassischen Antike inspirierten Metopen op. 29, die Plagge quasi in das unbarmherzig gleißende Licht Griechenlands taucht, die 12 höchst gegensätzlichen Etüden op. 33 und die Masken op. 34. Der letztere Zyklus besteht aus den drei Stücken "Scheherazade", "Tantris der Narr" - Tantris als bekannte Umkehrung des Namens Tristan - und "Eine Don Juan-Serenade". Diese soll hier als Beispiel dienen, und es sei der Hinweis gestattet, daß, wenn Don Juan offenkundig als ein naher Verwandter des Scarbo auftritt, eine Serenade leicht zur nächtlichen Ruhestörung sich wandeln kann.
- Musikbeispiel: Karol Szymanowski – "Eine Don Juan-Serenade", op. 34,3
Das war die neue Platte im Deutschlandfunk. Zuletzt hörten Sie den Pianisten Rolf Plagge mit einem Ausschnitt aus seiner neuen Szymanowski-CD, die bei aulos erschienen ist, nämlich mit "Eine Don-Juan-Serenade" aus den "Masken" op. 34 von Karol Szymanowski. Außerdem ging es heute um die CD "America for Two" des Klavierduos Genova & Dimitrov, die bei cpo herausgekommen ist. Am Mikrofon bedankt sich Norbert Ely für Ihre Aufmerksamkeit.
CD 1:
Titel: "America for Two"
Ensemble: Piano Duo Genova & Dimitrov
Label: cpo
Labelcode: LC 8492
Bestell-Nr.: 777039-2
CD 2:
Titel: Karol Szymanowski - Klavierwerke Vol.2
Solist: Rolf Plagge, Klavier
Label: Aulos
Labelcode: LC 09081
Bestell-Nr.: 66144