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Neues Blutwäsche-Verfahren
Nanopartikel fangen Bakterien

In Deutschland sterben jährlich mehr als 50.000 Menschen an einer Blutvergiftung. Häufig wirken die als Therapie verabreichten Antibiotika nicht schnell genug. Schweizer Forscher arbeiten an einem Verfahren, das ganz ohne Antibiotika auskommen könnte. Die Krankheitserreger werden dabei mit Magneten aus dem Blut herausgezogen.

Von Lucian Haas | 23.01.2017
    Ein junger Patient an der Dialyse im Werner-Forßmann-Krankenhaus in Eberswalde
    Ein junger Patient an der Dialyse im Werner-Forßmann-Krankenhaus in Eberswalde (picture alliance / zb)
    "Die Sepsis wird oft durch Mikroorganismen verursacht, die sich im Blut befinden. Und der einfachste Weg zu einer wirkungsvollen Therapie ist die Entfernung dieser verursachenden Mikroorganismen aus dem Blut", sagt Inge Herrmann. Sie ist Biochemikerin an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA in St. Gallen in der Schweiz. Sie sucht nach neuen Möglichkeiten, Blutvergiftungen aufzuhalten. Bisher sind Antibiotika die Mittel der Wahl einer Sepsis-Therapie im Krankenhaus. Doch nicht immer schlagen die Wirkstoffe wie erwünscht und schnell genug an. Inge Herrmann setzt deshalb auf eine andere Idee - eine magnetische Blutwäsche:
    "Wir verwenden dazu ganz kleine magnetische Partikel, sogenannte Nanopartikel. Und an der Oberfläche haben die Moleküle gebunden, die dann an diese Bakterien binden können. Und die können dann mittels Magnetfeld abgetrennt werden."
    Im klinischen Alltag sähe das dann so aus: Bei Verdacht auf eine Sepsis wird ein Patient an eine Dialyse-Maschine zur Blutwäsche angeschlossen. Das aus dem Körper geleitete Blut wird mit kleinen Eisenpartikeln im Nanoformat versetzt. Die Eisenpartikel sind mit Antikörpern beschichtet, die sich ihrerseits an spezifische Strukturen der Zelloberfläche von Bakterien heften. Die Krankheitserreger bekommen so eine Art magnetischen Anker verpasst. Über ein Magnetfeld wird die Bakterienfracht dann noch in der Dialysemaschine aus dem Blutstrom gezogen, bevor das Blut – bakterienfrei – wieder zurück in den Körper des Patienten fließt. Soweit die Theorie. Reif für die Klinik ist das Verfahren noch lange nicht. Inge Herrmann:
    "Die Partikel müssen erst zugelassen werden, und es muss gezeigt werden, dass das ganze Verfahren sicher ist. Wir haben das bisher nur im Labor gemacht. Bis das in einem Patient gehen kann, müssen noch viele Sicherheitsabklärungen vor allem bezüglich Partikel gemacht werden."
    Alle eingesetzten Nanopartikel müssen wieder aus dem Blut entfernt werden
    Niemand möchte gerne, dass Nanopartikel in seinen Körper gelangen. Die möglichen Gesundheitsfolgen sind schwer abschätzbar. Also müssen die Forscher um Inge Herrmann nachweisen, dass bei der Blutwäsche alle eingesetzten magnetischen Nanopartikel auch sicher wieder aus dem Blut entfernt werden. Doch bei diesem Nachweis gibt es noch ein Problem.
    "Grundsätzlich ist es so, dass wir am Limit der analytischen Methoden sind. Wir können sagen, dass weniger als eine gewisse Menge Partikel verbleibt. Wir haben aber noch keine Methode gefunden, die sensitiv genug ist, um zu beweisen, dass kein einziges Partikel zurück in den Körper geht."
    Lange bevor die magnetische Blutwäsche bei einer echten Dialyse zum Einsatz kommen kann, könnte das Verfahren allerdings schon in klinischen Labors gute Dienste leisten. Etwa bei der Analyse kleinerer Blutproben, die nicht mehr zurück in den Patienten gelangen. Inge Herrmann:
    "Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass über die magnetische Blutreinigung Bakterien gebunden werden, und dann auch in der Diagnostik identifiziert werden können. Und dann kann wiederum die richtige antibiotische Substanz verabreicht werden."
    Bisher scheitern viele Sepsis-Therapien daran, dass nicht schnell genug das passende Antibiotikum gefunden wird. Anhand der magnetisch isolierten Krankheitserreger aus einer Blutprobe ließe sich das viel besser bestimmen. Diese Art der magnetischen Blutwäsche könnte schon in wenigen Jahren für Labors zur Verfügung stehen. Inge Herrmann sieht aber auch noch mehr Potenzial für diese Technik:
    "Ich denke, es ist eine sehr breit anwendbare Technologie. Es können auch andere Substanzen entfernt werden. Möglicherweise auch Viren oder Zellen oder kleine Moleküle, je nachdem welchen Antikörper man verwendet."