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Neues Digitalradio nimmt Rücksicht auf analoge Empfänger

Telekommunikation. - Zu den bereits eingeführten Technologien für den digitalen Radioempfang DAB und DRM könnte sich bald eine weitere gesellen: "HD Radio" - High Definition Radio - verspricht großen keine Klangwunder, keine neue Programmvielfalt oder sparsamere Sender. Der entscheidende Vorteil dieser Sendetechnik aus den USA: Sie ist abwärtskompatibel. Rein analoge Radiogeräte empfangen also weiterhin ein Programm, sie können nur die digitalen Zusatzfunktionen nicht nutzen.

Von Sönke Gäthke |
    "In Band on Channel", kurz IBOC heißt das dem HD-Radio zugrunde liegende Verfahren, sinngemäß übersetzt: in einem Band, auf demselben Kanal. Das bedeutet, dass analoge und digitale Informationen gleichzeitig übertragen werden -- ein entschiedener Vorteil für alle Radionutzer, Sender wie Hörer, erklärt Markus Ruoss, Schweizer Radiobetreiber auf Reisen in den USA:

    " Das hat zur Konsequenz für den Nutzer, dass er auf dem gleichen Gerät die alten Programme hören kann, auf einem neuen Gerät rückwärtskompatibel auch die neuen Dienstleistungen und für den Veranstalter hat es den Riesenvorteil, dass er praktisch seine gesamten bestehenden Senderanlagen weiter benutzen kann."

    Bei den in Europa eingeführten Digitalradios DAB und DRM geht das nicht, für sie benötigen die Hörer neue Radios und die Stationen in der Regel neue Sender für neue Frequenzen.

    Das HD-Radio-System funktioniert mit einem Kniff: Auf UKW wie auf Mittelwelle senden Stationen nicht direkt nebeneinander, sondern halten immer ein bisschen Abstand im Frequenzspektrum. Das soll Störungen verhindern. Diesen so genannten Schutzabstand nutzen die Entwickler der US-Firma iBiquity für die Übertragung digitaler Daten. Parallel zum analogen Signal werden in den beiden Schutzabständen rechts und links auf UKW insgesamt 20 Datenkanäle übertragen, für Musik, Sprache und digitale Dienste wie den elektronischen Programmservice EPG.

    " Man addiert auf dem analogen UKW Träger ganz einfach links und rechts ein kleines Rucksäckchen, dort drin versteckt man die gleichen Programme und zusätzlichen Dienste in digitaler Form."

    Die IBOC-Signale sind in analogen Radios nicht zu hören - sie stören also nicht. Digital-Empfänger dagegen können die Daten entschlüsseln und nutzen - zum Beispiel um Störungen beim Empfang zu verhindern, den Klang zu verbessern oder neben dem Hauptkanal noch mehrere Unterprogramme auszustrahlen. Sollte das digitale Signal zu schlecht werden - etwa beim Autofahren, wenn der Wagen die Grenze des Sendebereichs langsam erreicht -- schaltet der Empfänger automatisch um auf analogen Empfang.

    Ob dieses Verfahren in Europa funktioniert, ist allerdings noch unklar. Denn es könnte sein, dass der Schutzabstand zwischen den Sender zu klein ist, erklärt Franz Prull von der KommAustria, der für die Digitalisierung des Rundfunks in Österreich verantwortlich ist.

    " In Amerika ist der Kanalraster doppelt so breit, dass heißt, es kommen in den Vereinigten Staaten nur Sender mit ungeradzahligen Kommastellen vor, 95,3, 95,5 und so weiter, 95,4 gibt's zum Beispiel dort nicht. Das heißt, die Sender sind doppelt so weit auseinander und daher besteht für das Signal, das da moduliert wird, auch mehr Platz."

    So benötigt das IBOC-Signal zweimal 70 Kilohertz, insgesamt also 140. In Europa dagegen stehen nur 100 Kilohertz zur Verfügung. Um das Signal trotzdem zu übertragen, müssten die Stationen ihren Sendepegel etwas leiser drehen. Dadurch würde das analoge Signal schmaler, und für die digitalen Wellen wäre genug Platz. Markus Ruoss hofft allerdings, dass das nicht nötig ist. Denn der Schutzabstand von 100 Kilohertz in Europa ist seiner Meinung nach nur eine theoretische Größe.

    " Nur in der Praxis sieht es natürlich anders aus, denn wenn die Sender zu nah an einander sind, dann stören sie sich eben auch analog. Und einer der wichtigen Aspekte, die wir in der Schweiz untersuchen, ist eben genau diese Spektrumsverträglichkeit in Europa auf unseren Verhältnissen nachzuweisen."

    Die Tests sollen im Juni beginnen und zwei Jahre dauern. Sind sie erfolgreich, könnte in Europa ab 2009 - neben DAB und DRM- das "HD Radio" als dritter Digitalradiostandard eingeführt werden.