Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Neues Düngegesetz
Schäden durch Phosphor vernachlässigt

Schon seit Jahrzehnten kämpft Deutschland mit einem Phosphorüberschuss auf Äckern und in den Gewässern - während weltweit die Reserven knapp werden. Eine ausgewogene Bilanz der Agrarbetriebe wäre also dringend erforderlich. Doch im neuen Düngegesetz wird das wichtige Element Phosphor nicht wirklich berücksichtigt.

Von Annette Eversberg | 29.12.2017
    Düngen mit Gülle auf einem Feld bei Bremen
    Wer chemisch herstellten Mineraldünger oder Gülle auf Äckern ausbringt, ohne den tatsächlichen Nährstoffbedarf von Boden und Pflanzen zu prüfen, kann Grundwasser, Bäche, Flüsse und Meere wortwörtlich versauen (dpa / picture alliance / Ingo Wagner)
    Die Überdüngung der Gewässer mit Phosphor ist in Deutschland besorgniserregend. Für Dr. Henry Reyer vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf sind es die weltweit schwindenden Phosphorreserven nicht minder.
    "Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die Phosphorreserven, die derzeit verfügbar sind, in etwa 50 Jahren aufgebraucht sind. Es gibt kein Bakterium auf der Erde, es gibt keinen Menschen, der ohne Phosphor leben kann."
    Deutschland und Europa sind noch immer von Phosphoreinfuhren abhängig: Aus den USA oder China, aber auch aus politisch instabilen Regionen wie Marokko und Westsahara oder Tunesien. Dort wird Rohphosphor im Bergbauverfahren abgebaut. Der größte Abnehmer ist die Landwirtschaft. Denn aus Phosphor gewinnt man Phosphat als Dünger für den Ackerbau. Ohne Phosphor im Kraftfutter gäbe es keine schnell wachsenden Mastschweine und Hochleistungsmilchkühe, die täglich bis zu 100 Litern Milch geben.
    Kreislaufwirtschaft verhindert Phosphorüberschüsse
    Ökolandwirte halten dagegen bewusst nur so viele Tiere, wie sie auch Äcker zur Verfügung haben, um den eigenen Mist und Gülle sinnvoll auszubringen und die Felder im richtigen Maß mit Phosphor und Phosphat zu versorgen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Problem der Phosphorüberschüsse werden in der neuen Stoffstrombilanzverordnung nicht genügend beachtet, kritisiert der Kieler Agrarprofessor und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Friedhelm Taube.
    "Im Augenblick ist es jetzt so, dass man einen Saldo formuliert hat bei Phosphor laut Düngeverordnung, der heißt gut 4 kg pro Hektar als Überschuss, die nur zulässig sind. Wir haben aber tatsächlich in Tierhaltungsregionen häufig Phosphor-Überschüsse, wenn wir richtig rechnen würden mit der neuen Bilanzierungsmethode, wo dann eher 20 bis 30 kg rauskommen."
    Damit gelangt weiter viel zu viel Phosphor auf Felder, die sowieso schon übersättigt sind. Kontrollen und Sanktionen sieht die neue Stoffstrombilanzverordnung nicht vor. Der Deutsche Bauernverband kritisiert trotz der Ausnahmen dennoch die neue Verordnung als zu weitreichend. Umweltbeauftragter Eberhard Hartelt:
    "Hier war meines Erachtens der Versuch, über die Stoffstrombilanzdiskussion für manche Bereiche die Düngerverordnung, die sehr umstritten war, nachträglich zu verschärfen."
    Weniger Phosphor an Tiere verfüttern
    Allerdings trägt neben den Toiletten- und Waschabwässern die Landwirtschaft mit immerhin 60 Prozent zur Überdüngung der Gewässer mit Phosphor bei. Fütterungsexperten wie Martin Pries von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen versuchen deshalb, die Phosphorfütterung von Milchkühen zu überdenken.
    "Bei den Kalkulationen, die wir bisher unterstellt haben für die Nährstoffausscheidungen, ist mit Gehalten von 4,1 bis 4,2 Gramm Phosphor je Kilogramm Trockenmasse gerechnet worden, der Bedarf der Tiere ist aber etwas niedriger. Und an der Stelle werden wir die Kalkulation der Nährstoffausscheidungen noch mal anpassen sollen."
    Die Dummerstorfer Nutztierbiologen sehen auch in der Schweinezucht Möglichkeiten, mit weniger Phosphor auszukommen. Henry Reyer:
    "Wir nutzen bestimmte genetische Marker, also bestimmte Sequenzen im Erbgut, die uns sagen, dieses Tier hat das Potenzial, besser Phosphor verwerten zu können."
    Phosphor aus Klärschlamm recyclen
    Zuständig für Gülle, Mist und die Stoffstrombilanz ist federführend das Bundeslandeswirtschaftsministerium unter dem CSU-Politiker Christian Schmidt. Barbara Hendricks hat ihrerseits die Zuständigkeit für Klärschlämme, aus denen sich ebenfalls Phosphor gewinnen lässt. Die neue Klärschlammverordnung vom Oktober 2017 hat durch Ausbau von Klärwerken die Weichen dafür gestellt, Phosphor stärker zu recyceln. Das Umweltbundesamt hatte schon 2015 errechnet, dass der Bedarf an Dünger in Deutschland damit ohne weiteres gedeckt werden könne. Der Deutsche Bauernverband hat die Klärschlammverordnung ausdrücklich begrüßt.
    Phosphor in Flüssen noch problematischer als Nitrat

    Fiele die Stoffstrombilanz der Agrarbetriebe also ausgewogen aus, würde dies auch der Verknappung der weltweiten Phosphorreserven entgegen wirken, und den Gewässern bis hin zu Nord- und Ostsee käme das extrem zugute, sagt Professor Friedhelm Taube.
    "Zum Zweiten ist es so, dass Phosphor in Bezug auf Eutrophierungspotenziale in Flüssen und Meeren um den Faktor zehn problematischer ist, als es bei Nitrat der Fall ist. Und dort haben wir auch entsprechende Verpflichtungen unterschrieben seitens Deutschland im Rahmen der Meeresstrategierichtlinie, die Einträge von Phosphat in die Meere deutlich zu reduzieren. Und vor diesem Hintergrund ist der Druck nicht nur beim Nitrat da, die Verluste zu reduzieren, sondern eben auch beim Phosphor."

    Agrarwissenschaftler Taube plädiert letztlich für einen virtuellen Gesamt-Gemischtbetrieb, bei dem Ackerbaubetriebe in Deutschland den Phosphor über die Gülle erhalten, den die viehhaltenden Betriebe zu viel haben. Ein Vorschlag, der in die Stoffstrombilanzverordnung nicht aufgenommen wurde.