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Neues Gang-Of-Four-Album
Düstere Grundstimmung, aneckende Riffs

Die britische Band Gang Of Four hat in den späten 70er-Jahren den Sound des Post-Punks entscheidend mitgeprägt. Nun erscheint das neue Album "What Happens Next" - und dabei ist auch eine gewichtige deutsche Stimme zu hören.

Von Christian Lehner | 21.02.2015
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    Gitarrist Andy Gill hat auch Herbert Grönemeyer als Sänger gewonnen. (dpa / Oliver Berg)
    Na? Haben Sie sie erkannt diese Stimme? Wenn nicht: auf dem neuen Gang-Of-Four-Album gibt es auch eine deutschsprachige Version von diesem Song. Jetzt sollte es aber klappen mit der Identifizierung.
    Genau! Ruhrpott-Blues trifft Post Punk aus Leeds. Herbert Grönemeyer ist eine der Gaststimmen auf dem neuen Gang-Of-Four-Album "What Happens Next". Die Zusammenarbeit mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, doch Andy Gill und Herbert Grönemeyer verbindet eine langjährige Freundschaft. Grönemeyer hat überdies das letzte Gang-Of-Four-Album "Content" auf seinem Label "Grönland Records" veröffentlicht. Gang-Of-Four-Gründer und Gitarrist Andy Gill schätzt jedoch nicht nur Grönemeyers Freundschaft:
    "In seinen Songs steckt viel Schmerz und Angst. Wenn er singt, wird er zum Song. Es ist das Einlassen auf die Emotion, das im krassen Gegensatz zum – wie heißt das noch mal – deutschen Schlager steht. Es ist nicht kitschig, es ist nicht falsch, es sind keine gefakten Emotionen. Das ist alles echt."
    Vorreiter des Post-Punks
    Ende der 70iger-Jahre ist die Punk-Revolution in England nach einer kurzen, intensiven Zeit auch schon wieder vorbei. Die Sex Pistols sind Geschichte. Die nachfolgende Generation lehnt den Rock'n'Roll-Chauvinismus des Punks ab. Post-Punk nennt sich die neue Schule. Rockmusik wird aus der Tradition gelöst. Kunststudenten kreuzen Weltmusik und Funk-Bässe mit schneidenden Gitarrenriffs und politischen Konzepten. Die Bands heißen PIL, Wire oder eben Gang Of Four. Die Band um Sänger Jon King und Andy Gill formiert sich sich 1977 in der mittelenglischen Stadt Leeds.
    "Rockklischees wie Mädchen, Gitarren oder Autos interessierten uns nicht. Wenn man das alles ausgelassen hat, galt man damals schon als intellektuell oder politisch. Dabei verstanden wir uns einfach nur als Beobachter einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft."
    Die ersten drei Gang-Of-Four-Alben "Entertainment", "Solid Gold" und "Songs Of The Free" gelten als Meilensteine des Post-Punk-Genres. 1982, während der Zeit des Falklandkrieges zwischen Großbritannien und Argentinien, boykottierte die BBC den spöttischen Antimilitarismussong "I Love A Man In A Uniform".
    Gang Of Four waren immer zu unbequem und subversiv für die Pop-Charts. 1983 löst sich die Band auf. Es folgen Jahre der Wiedervereinigungen und wechselnden Bandbesetzungen. Formationen wie Franz Ferdinand oder die Red Hot Chili Peppers zählen Gang of Four zu ihren größten Einflüssen. Der markante Stil hat sich bis heute gehalten. Die Rhythmussektion zielt auf die Tanzbeine während das Gitarrenspiel von Andy Gill Schneisen in die Harmonien schlägt.
    "Meine Gitarrenriffs klingen irgendwie kaputt, so, als ob sie Mühe hätten, sich aus dem Lautsprecher zu lösen. Es ist ein Gegenentwurf zum Spiel von Gitarristen wie etwa Eric Clapton, der einfach nur smooth sein will. Ich sende Morsecodes, die auf dem Weg zu deinem Gehör kollabieren. Musik soll doch Fragen stellen und dich anregen, Dinge möglicherweise etwas anders zu sehen."
    Erstmals ohne Sänger Jon King
    "What Happens Next" ist der Titel des neuen Gang-Of-Four-Albums. Es ist eine Frage, die sich Andy Gill selbst stellt. Erstmals seit der Bandgründung fehlt Sänger Jon King, der sich in Zukunft voll und ganz seiner Arbeit als Werber und Medienberater widmen möchte. Die Gesangsparts übernehmen Gäste wie Herbert Grönemeyer oder Alison Mosshart von der Band The Kills.
    "Der Titel "What Happens Next" ist klar im Hier und Jetzt verankert und richtet der Blick nach vorne. Ich kann jetzt Dinge machen, die ich schon immer probieren wollte, zum Beispiel mit anderen Sängern zusammenarbeiten und so weiter. Das wäre unter Jon nicht so einfach gegangen. Ich sehe das positiv."
    In den Texten nehmen Gang Of Four einmal mehr die Position von Beobachtern ein. Die Abnahme der sozialen Wärme im England unter Margaret Thatcher ist dem allgemeinen Gefühl der Entsolidarisierung des Einzelnen gewichen.
    "Im ersten Song "Where The Nightingale Sings" geht es um den Mythos der Dorfgemeinschaft. Wie sie sich als Gegenpol zur Anonymität der Großstadt versteht. Doch von dieser heilen Welt der funktionierenden Community, dem Gemeinschaftsgefühl und der Nachbarschaftshilfe ist es nicht weit zur Ablehnung des Fremden und der Vielfalt. Ganz Europa wird derzeit von einer Welle der Fremdenfeindlichkeit ergriffen. Wie immer ist Angst der Nährboden für diese Geisteshaltung. Darum geht es in einigen Songs auf dem neuen Album."
    Die Gang Of Four ist zur Einmannbande geworden. Die Grundstimmung ist weiterhin düster, die Riffs ecken noch immer an. Ob Andy Gill weitermachen wird, entscheidet sich wohl nach der anstehenden Tour zum Album. Die Welt sorgt einstweilen dafür, dass er immer noch genug zu beobachten hat.