Christoph Schmitz: Der niederländische Kunsthistoriker Dirk Hannema stellte 1938 der erstaunten Weltöffentlichkeit ein bisher unbekanntes Gemälde von Vermeer vor, die "Emmaus-Jünger". Hannema war damals Direktor des angesehenen Museums Boijmans in Rotterdam.
Nach dem Krieg, 1945, musste Hannema allerdings eingestehen, dass sein neuer Vermeer keiner war, sondern nur eine nicht einmal besonders gut gelungene Fälschung. Er musste seinen Direktorenposten räumen, auch, weil er mit den Nazis kollaboriert hatte. Daraufhin widmete er sich seiner eigenen Kunstsammlung. 30 Jahre später behauptete nun Hannema wieder, Großes entdeckt zu haben: vier echte Van Goghs, was ihm natürlich damals keiner glaubte - bis vor Kurzem. Hatte Hannema doch recht? Das habe ich meinen Kollegen Stefan Koldehoff gefragt.
Stefan Koldehoff: Wenigstens in einem Fall: Drei Bilder sind tatsächlich Fehlzuschreibungen, aber dieses vierte, die Ansicht einer Mühle auf dem Montmartre, der "Moulin de Blute-Fin", das ist tatsächlich ein echtes Van-Gogh-Gemälde. Das haben die einschlägig vorgeschulten Forscher im Van Gogh Museum in Amsterdam festgestellt und deren Wort ist Gottes Urteil. Das heißt, wenn die den Daumen heben, dann ist es auch wirklich ein Van Gogh.
Schmitz: Und warum hat man erst 35 Jahre später, nachdem Hannema diese Bilder erworben hatte, nun untersucht?
Koldehoff: Na ja, im Grunde haben Sie es schon erzählt: Es hat ihm einfach keiner geglaubt, als er 1974 damit aus Paris nach Holland, nach Hause kam. Er hatte die in einer kleinen Galerie für einige 1000 Francs erworben, und sein Ruf war aber in der Tat so ruiniert, dass niemand auch nur ernsthaft daran glauben wollte, dass es sich um einen echten Van Gogh handelt.
Schmitz: Und wer wollte jetzt daran glauben?
Koldehoff: Der Direktor eines kleinen Museums, des Museums De Fundatie in Zwolle, hat Teile der Privatsammlung Hannemas - Hannema selbst ist 1984 schon gestorben - jetzt zur Verwahrung bekommen und hat sich auch diese vier Bilder noch mal genau angeguckt und bei einem dann überlegt: Na, so ganz schlecht sieht es nicht aus, könnte man vielleicht noch mal untersuchen lassen.
Untersuchen heißt dann übrigens drei Punkte: Die Herkunft muss einigermaßen plausibel sein - das ist sie, denn van Gogh hat viel verschenkt, als er zwei Jahre in Paris bei seinem Bruder lebte und wenig dokumentiert. Zweitens technische Untersuchungen: Stimmen die Farben, stimmt der Malgrund? Und drittens auch stilkritisch: Ist das van Goghs Handschrift?
Schmitz: Und was macht nun das Amsterdamer Van Gogh Museum so sicher, dass es sich bei den Windmühlen von Montmartre um einen echten Van Gogh handelt?
Koldehoff: Es gibt Vergleichszeichnungen, unter anderem im Van Gogh Museum in einem Skizzenbuch des Malers, es gibt eine große Zeichnung in Washington in einer Sammlung, es gibt ein Gemälde haargenau desselben Motivs - dieser bunten Windmühle mit der Treppe davor, einem kleinen Ausflugslokal vorne rechts, diesen merkwürdig knorrigen Bäumen -, das ein Freund von ihm gemalt hat, und es ist bekannt, dass die beiden viel zusammen vor denselben Motiven gearbeitet haben.
Also, es ist natürlich immer nur ein Indizienbeweis, aber die Indizien, die sind eigentlich so schlagend, dass man zu dem Urteil gekommen ist.
Schmitz: Ein Frühwerk von welcher Qualität, was meinen Sie?
Koldehoff: Von eigentlich sehr guter Qualität und kunsthistorisch sehr interessant. Das Frühwerk war in Holland, da hat er immer dunkel, erdig, tonig gemalt, Bauernmotive. Er kommt dann 1886 nach Paris, lernt die Impressionisten kennen, ist befreundet mit Signac, Seurat, Toulouse-Lautrec und anderen, und merkt, hoppla, die malen völlig anders, die malen mit Farbe - und probiert es selbst aus. Und wie er das tut, wie er versucht, der Farbe Herr zu werden, das ist in diesem Bild wunderbar zu sehen.
Schmitz: Sind Sie auch der Meinung, dass das Bild echt ist?
Koldehoff: Ich glaube schon.
Schmitz: Wem gehört der neue Van Gogh denn nun?
Koldehoff: Tatsächlich der Stiftung Hannema, die die Bilder ans Museum in Zwolle gegeben hat und da wird es auch zu sehen sein. Man schätzt zwar, dass das Bild vier bis fünf Millionen Euro wert ist, aber an Verkauf denkt dort niemand.
Schmitz: Lohnt es sich, dieses Bild sich anzuschauen, eine Reise nun ins Museum zu wagen?
Koldehoff: Ob man extra dafür nach Zwolle fährt, das weiß ich nicht, aber auf dem Weg nach Amsterdam kann man ruhig mal Halt machen.
Schmitz: Stefan Koldehoff über die Echtheit des Bildes der Mühle "de Blute-Fin" von van Gogh.
Nach dem Krieg, 1945, musste Hannema allerdings eingestehen, dass sein neuer Vermeer keiner war, sondern nur eine nicht einmal besonders gut gelungene Fälschung. Er musste seinen Direktorenposten räumen, auch, weil er mit den Nazis kollaboriert hatte. Daraufhin widmete er sich seiner eigenen Kunstsammlung. 30 Jahre später behauptete nun Hannema wieder, Großes entdeckt zu haben: vier echte Van Goghs, was ihm natürlich damals keiner glaubte - bis vor Kurzem. Hatte Hannema doch recht? Das habe ich meinen Kollegen Stefan Koldehoff gefragt.
Stefan Koldehoff: Wenigstens in einem Fall: Drei Bilder sind tatsächlich Fehlzuschreibungen, aber dieses vierte, die Ansicht einer Mühle auf dem Montmartre, der "Moulin de Blute-Fin", das ist tatsächlich ein echtes Van-Gogh-Gemälde. Das haben die einschlägig vorgeschulten Forscher im Van Gogh Museum in Amsterdam festgestellt und deren Wort ist Gottes Urteil. Das heißt, wenn die den Daumen heben, dann ist es auch wirklich ein Van Gogh.
Schmitz: Und warum hat man erst 35 Jahre später, nachdem Hannema diese Bilder erworben hatte, nun untersucht?
Koldehoff: Na ja, im Grunde haben Sie es schon erzählt: Es hat ihm einfach keiner geglaubt, als er 1974 damit aus Paris nach Holland, nach Hause kam. Er hatte die in einer kleinen Galerie für einige 1000 Francs erworben, und sein Ruf war aber in der Tat so ruiniert, dass niemand auch nur ernsthaft daran glauben wollte, dass es sich um einen echten Van Gogh handelt.
Schmitz: Und wer wollte jetzt daran glauben?
Koldehoff: Der Direktor eines kleinen Museums, des Museums De Fundatie in Zwolle, hat Teile der Privatsammlung Hannemas - Hannema selbst ist 1984 schon gestorben - jetzt zur Verwahrung bekommen und hat sich auch diese vier Bilder noch mal genau angeguckt und bei einem dann überlegt: Na, so ganz schlecht sieht es nicht aus, könnte man vielleicht noch mal untersuchen lassen.
Untersuchen heißt dann übrigens drei Punkte: Die Herkunft muss einigermaßen plausibel sein - das ist sie, denn van Gogh hat viel verschenkt, als er zwei Jahre in Paris bei seinem Bruder lebte und wenig dokumentiert. Zweitens technische Untersuchungen: Stimmen die Farben, stimmt der Malgrund? Und drittens auch stilkritisch: Ist das van Goghs Handschrift?
Schmitz: Und was macht nun das Amsterdamer Van Gogh Museum so sicher, dass es sich bei den Windmühlen von Montmartre um einen echten Van Gogh handelt?
Koldehoff: Es gibt Vergleichszeichnungen, unter anderem im Van Gogh Museum in einem Skizzenbuch des Malers, es gibt eine große Zeichnung in Washington in einer Sammlung, es gibt ein Gemälde haargenau desselben Motivs - dieser bunten Windmühle mit der Treppe davor, einem kleinen Ausflugslokal vorne rechts, diesen merkwürdig knorrigen Bäumen -, das ein Freund von ihm gemalt hat, und es ist bekannt, dass die beiden viel zusammen vor denselben Motiven gearbeitet haben.
Also, es ist natürlich immer nur ein Indizienbeweis, aber die Indizien, die sind eigentlich so schlagend, dass man zu dem Urteil gekommen ist.
Schmitz: Ein Frühwerk von welcher Qualität, was meinen Sie?
Koldehoff: Von eigentlich sehr guter Qualität und kunsthistorisch sehr interessant. Das Frühwerk war in Holland, da hat er immer dunkel, erdig, tonig gemalt, Bauernmotive. Er kommt dann 1886 nach Paris, lernt die Impressionisten kennen, ist befreundet mit Signac, Seurat, Toulouse-Lautrec und anderen, und merkt, hoppla, die malen völlig anders, die malen mit Farbe - und probiert es selbst aus. Und wie er das tut, wie er versucht, der Farbe Herr zu werden, das ist in diesem Bild wunderbar zu sehen.
Schmitz: Sind Sie auch der Meinung, dass das Bild echt ist?
Koldehoff: Ich glaube schon.
Schmitz: Wem gehört der neue Van Gogh denn nun?
Koldehoff: Tatsächlich der Stiftung Hannema, die die Bilder ans Museum in Zwolle gegeben hat und da wird es auch zu sehen sein. Man schätzt zwar, dass das Bild vier bis fünf Millionen Euro wert ist, aber an Verkauf denkt dort niemand.
Schmitz: Lohnt es sich, dieses Bild sich anzuschauen, eine Reise nun ins Museum zu wagen?
Koldehoff: Ob man extra dafür nach Zwolle fährt, das weiß ich nicht, aber auf dem Weg nach Amsterdam kann man ruhig mal Halt machen.
Schmitz: Stefan Koldehoff über die Echtheit des Bildes der Mühle "de Blute-Fin" von van Gogh.