Auch Joachim Hoffmann, der Küster der katholischen Kirche von Bürstadt, hat sich Zeit seines Lebens mit der atomaren Gefahr konfrontiert gesehen:
Wir sind ja damit aufgewachsen, im Grunde genommen, damit. Also, ich bin Jahrgang 1961, kurz drauf wurde es ja dann gebaut. Man hat sich dran gewöhnt, aber die Angst ist irgendwie immer da.
Auch, dass der Kraftwerksbetreiber RWE den örtlichen Fußballclub VFB Bürstadt sponsert und das viele in Biblis arbeiten, hat im Dorf nicht alle beruhigen können.
Der Versuch, im nahegelegenen Atomkraftwerk einen Verantwortlichen als Gesprächspartner zu finden, scheitert. Die aktuellen Sicherheitsmängel im südhessischen Atomkraftwerk sind längst Chefsache. Aus der Essener Zentrale des RWE-Konzerns heraus versucht Firmensprecher Roger Kohlmann, zu beruhigen: Es habe niemals eine Gefahr für die Bevölkerung bestanden:
Nein, es gab überhaupt keinen Fall in Biblis, es gab keinen Störfall, und es gab auch kein Sicherheitsproblem. Auch mit der in Biblis vorhandenen Fläche hätten wir einen Kühlmittelverluststörfall jederzeit beherrscht. Von daher: Es gab zu keinem Zeitpunkt ein Sicherheitsrisiko.
Ralf Löffler kann über eine solche Aussage nur den Kopf schütteln. Der energiepolitische Sprecher des für Biblis zuständigen Kreisverbandes Bergstraße von Bündnis 90/ Die Grünen formuliert grundsätzliche Zweifel an der Seriosität des RWE:
Ich denke, gerade so ein Statement, dass, obwohl im sicherheitsrelevanten Teil genehmigungswidrig gebaut wurde, keine Gefahr besteht, zeigt umso mehr, dass der Betreiber, zumindest, wenn er diese Einstellung aufrechterhält, ein Sicherheitsrisiko an sich darstellt.
Schon 1992 hatte ein Leck im schwedischen Atomkraftwerk Barsebeck gezeigt: Ein Störfall im Notkühlsystem ist nicht ausgeschlossen. Dennoch dauerte es jahrelang, bis auch in Deutschland alle Atomkraftwerke auf die in Schweden aufgetretenen Mängel hin untersucht wurden. RWE-Sprecher Roger Kohlmann macht dafür zeitaufwendige Versuche verantwortlich, die auch 10 Jahre nach dem schwedischen Störfall nicht abgeschlossen waren:
Weil es sind wirklich Großversuche: Was geschieht bei einem Kühlmittelverlust-Störfall? Man hat also nicht das simple Leck von Barsebeck nachgestellt, sondern man hat einen maximalen Schaden angenommen und wie verhält sich dann die Anlage, wir groß ist der Abtrag von Isolierwolle, wie groß müssen dann die Siebansauggitter sein, um die Kühlung sicherzustellen?
Diese Fragen müssen jetzt in einem ganz neuen Genehmigungsverfahren beantwortet werden. Denn auch dem zuständigen CDU-Umweltministerium in Wiesbaden reichen die von RWE angekündigten Nachbesserungen, die für mehr Kühlwasser durch zusätzliche Rohre sorgen sollen, nicht mehr aus.
Das Ministerium hat angesichts der Sicherheitsmängel auch die zuständige Staatsanwaltschaft eingeschaltet . RWE will die neue Genehmigung für Biblis aber schon in dieser Woche beantragen, versichert Roger Kohlmann:
Es ist richtig, wir haben zur Zeit eine Abweichung in den Genehmigungsunterlagen. Wir prüfen gegenwärtig die Aktenlage, um dieses Defizit zu beseitigen.
Wann Biblis A wieder ans Netz gehen könnte, ist derzeit unklar. Sicher ist: Der aktuelle Stillstand wird jedoch auch die Laufzeit des Kraftwerkblocks verlängern, so will es der Atomkompromiss. In Bürstadt wird man also noch jahrelang im Schatten des Reaktors leben müssen. Kirchenküster Joachim Hoffmann hofft dabei vor allem, dass die offiziellen Evakuierungspläne niemals in Kraft treten müssen:
Es gibt Evakuierungspläne, die heißen für uns Bürstädter, wenn wir evakuiert werden, wir müssen nach Langen fahren, bei Darmstadt. Unser Evakuierungsweg geht aber nicht von hier aus über Lorch nach Langen, sondern an Biblis vorbei. Wie fahren näher am Atomkraftwerk vorbei, als wir dran wohnen, Und das ist unser offizieller Evakuierungsweg und dann fragt man sich manchmal, ist das noch normal...