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Neues "Klee"-Album
Intermezzo mit Coversongs

Vier Jahre sind seit dem letzten Studioalbum der Kölner Band Klee vergangen. Auf dem Weg zum eigentlich nächsten im kommenden Frühjahr überrascht die Gruppe jetzt mit einer CD. Sängerin Suzie Kerstgens sagt, auf der Platte sei zu fühlen, dass Klee das musikalische Köfferchen gepackt und in die Sommerferien gestartet sei.

Von Uta Steinwehr | 22.08.2015
    Die Band Klee
    Die Band Klee (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    "Hello again" schallt es aus den Lautsprechern. Aber es ist nicht die 1984er-Version von Howard Carpendale, sondern die von Klee. Bekannt ist die Kölner Band für Popmusik mit Elektroeinflüssen und philosophisch angehauchten Texten. Jetzt also sind sie zurück mit Coverversionen von Schlagern, arrangiert im Bossa-Nova-Stil. Was ist da passiert? Keine Ideen mehr? Suzie Kerstgens lacht und sagt: "Nein, uns gehen nicht die Ideen aus. Das war eine ganz spontane Idee während der Aufnahmen zum neuen Klee-Album. Diese Eskapade haben wir uns gegönnt und erlaubt."
    Kindheit geprägt von Schlagern
    Suzie Kerstgens und Sten Servaes, die beiden stecken hinter Klee. Beide sind Kinder der frühen 70er-Jahre. Also gar nicht unbedingt die Generation, für die Michael Holm oder Roy Black der große Schwarm waren. Aber Sängerin Suzie und Sten, der Mann an den Tasten, sind musikalisch mit ihnen aufgewachsen. "Meine Eltern waren leider nicht die, die Rolling Stones oder die Pink Floyd oder sowas gehört haben. Sie hatten Reinhard Mey zu Hause, den Liedermacher", sagt Kerstgens. Sie erzählt, samstagabends hätten sie mit der ganzen Familie vor den Unterhaltungssendungen gesessen. "Das war spektakulär, wenn da jemand aufgetreten ist. Die waren quasi wie Familienmitglieder, die saßen bei uns am Mittagstisch, also bildlich gesprochen."
    Neben den typischen Schlagern, die in den Festzelten der Republik laufen, sind auch Titel dabei, die vielleicht nicht jeder kennt, die aber bei Klee Erinnerungen hervorrufen. Servaes über den Song "Es geht eine Träne auf Reisen": "Der war auf den Urlaubskassetten meiner Eltern drauf. Wenn man in den Urlaub gefahren ist, lief dann sowas und das ist einem eben auch ganz vertraut."
    "Wir haben dem Lied vielleicht etwas Gutes getan"
    Klee wären aber nicht Klee, wenn dahinter nicht auch ein hintergründiges Konzept stecken würde. Punkt eins: Alle Coverversionen sind im Bossa-Nova-Stil. Servaes macht den Vergleich: "So ein Roy Black ist ja tatsächlich eher schmalzig und schwierig. Aber wenn ich das Lied in unserer Fassung höre, merkt man auf einmal, das ist ja ein schönes Lied und es ist gar nicht so peinlich und so schlimm. Und dann habe ich das Gefühl, wir haben dem Lied vielleicht sogar etwas Gutes getan."
    Geschlechtergrenzen in Frage stellen
    Punkt zwei des Konzepts: Auf dem Album sind nur Songs, die ursprünglich von Männern interpretiert wurden. Das hat Sängerin Suzie Kerstgens gekitzelt: "Das fand ich ganz spannend, wenn man das einfach mal als Frau singt, ohne den Text zu verändern. Wie sich das ganze Genderspezifische plötzlich von selbst auf den Kopf stellt. Das sind ja gute Kompositionen, eigentlich auch gute Texte, wenn man so ein bisschen die fettige Sahne so wegnimmt oder das Süffisante des Männergesangs. Das dreht alles um und das fand ich super."
    Das Spiel mit Geschlechtergrenzen entspricht gefühlt dem momentanen Zeitgeist: Gleichberechtigung, Perspektiven wechseln, Klischees hinterfragen. Als Beispiel nennt Suzie Kerstgens die männlich geprägte Sprache in Udo Lindenbergs "Ich lieb' dich überhaupt nicht mehr". Dort heißt es : "Wenn ich manchmal nachts nicht schlafen kann, geh ich in die Kneipe und sauf mir einen an." – "Diese Worte würde eine Frau glaube ich so nicht schreiben," sagt Suzie Kerstgens. "Man würde sagen 'Wenn ich manchmal nachts nicht schlafen kann, mach' ich das Fenster auf und schaue mir die Sterne an' oder irgendwie sowas eher Romantisches. Im Jahr 2015 ist es aber doch möglich, ich kann ja als Frau auch nicht schlafen können und in die Kneipe gehen und mir einen Drink bestellen. Damit bin ich ja nicht komischer."
    In sechs Wochen zum fertigen Album
    Dieses fast schon musiksoziologische Konzept für das Album ist spontan entstanden. Klee spielten zunächst einmal für eine Limonadenwerbung eine neue Version von Howard Carpendales "Hello again" ein. Im Studio haben sie ein bisschen herumgespielt, mit Bossa Nova experimentiert und die Idee war geboren. Die Plattenfirma sagte: Wenn ihr das in den nächsten zwei Wochen hinkriegt, dann machen wir da noch ein Album draus, erinnert sich Sten Servaes. Nach kurzem Überlegen die Entscheidung: "Das haben die Kollegen ja damals auch geschafft, Beatles und Co. haben auch ein Album innerhalb einer Woche aufgenommen. Man muss ja nicht immer zwei Monate im Studio sein." Zwischen der Idee und dem fertigen Album lagen nur sechs Wochen.
    Ein Album mit Schwachstellen
    Das Timing hätte besser sein können. Um die CD als Sommeralbum zu verkaufen, dafür ist es Mitte August fast zu spät. Zwölf Titel im Bossa-Nova-Stil – wer mehr auf die Melodie als auf die Texte hört, dem kann es doch ein wenig eintönig vorkommen. Klar, die Songs haben Ohrwurmpotenzial. Doch gerade bei den bekannteren Stücken drängeln sich – ungefragt wohlbemerkt – eher die Oldies als die Coverversionen in den Kopf. Sten Servaes erwidert: "Es ist ein Risiko mit dem Album, gar keine Frage, weil man eben nicht genau weiß, wie die Rezeption sein wird, aber wir hatten Spaß, die Lieder aufzunehmen."
    "Das ist nicht Klee"
    Klee wäre allerdings nicht die erste Gruppe, deren Fans der frühen Stunden lieber bei den alten Alben bleiben. Bei Facebook machen sich die Klee-Freunde schon Luft:
    "Auweia! Bitte macht wieder eure eigenen Sachen!! Meine Enttäuschung ist groß"
    "Das ist nicht Klee."
    "Wenn es binnen zehn Jahren erreicht wird, von einer wundervollen Band zu einer musikalischen Grenzbelastung zu werden, muss auch dann der Hut gezogen werden. Chapeau!"
    "Mit dieser Platte habt ihr eure Seele verkauft. Ich bin tief traurig."
    "Ich hoffe irgendwie, ihr habt wirklich Spaß und macht es nicht des Geldes wegen."
    Scheitern ist Teil des Lebens
    "Das ist das gute Recht eines Fans ist, dass er enttäuscht ist", sagt Servaes. Er verteidigt den Schritt zu dem Album: "Das nehmen wir uns einfach heraus als Künstler, dass wir die Freiheit haben, das so zu gestalten, dass wir nicht unsere Karriere nach einem Drehbuch planen. Wir haben auch keine Berater, die uns zureden: 'Ihr müsst das so und so machen'. Gott sei Dank!" Suzie Kerstgens ergänzt: "Man kann damit auch scheitern oder hinfallen oder ins Fettnäpfchen treten oder die Pfütze." Scheitern gehöre zum Leben dazu.
    Auch wenn dieses Album anders ist als das, was man bisher von Klee hören konnte, so steckt doch viel Persönlichkeit und eine emotionale Geschichte dahinter. Und wem dieser musikalische Exkurs nicht zusagt: Suzie Kerstgens und Sten Servaes arbeiten schon an einem neuen Album. Im kommenden Frühjahr heißt es dann "Hello again" mit neuen Songs von Klee.