Archiv


Neues Klima-Archiv?

Klimaforschung. - Die Rekonstruktion von vergangenen Klimaten ist ein notorisch schwieriges Unterfangen, und doch die Grundlage für Klimaprognosen. Wissenschaftler der Universität von Wisconsin haben jetzt die Möglichkeiten untersucht, die Perlmutt für die Rekonstruktion von Wassertiefe und Temperatur bietet.

Von Volker Mrasek |
    Das Perlboot, ein räuberisch lebender Tintenfisch; die Kalifornische Miesmuschel; das Rote Seeohr, eine als Delikatesse geschätzte Schneckenart; und – natürlich – die berühmte Perlmuschel. Das alles sind Meeresbewohner mit einem Gehäuse, dessen innere Schicht aus Perlmutt besteht. Pupa Gilbert hat sich das Biomineral dieser und weiterer Weichtier-Arten unter dem Mikroskop genauer angeschaut. Und dabei Bemerkenswertes festgestellt. Womöglich eignet sich Perlmutt als Thermometer und Drucksensor. Aus seiner Ultrastruktur lasse sich ablesen, bei welcher Außentemperatur und bei welchem Außendruck der Naturstoff gebildet worden sei, so die Physikprofessorin von der Universität von Wisconsin in den USA. Perlmutt besteht hauptsächlich aus Calciumcarbonat-Kristallen, also aus Kalk:

    "Unsere Methode erlaubt es uns, verschiedene Struktureigenschaften von Perlmutt zu untersuchen. Zum Beispiel die Stärke der einzelnen Calciumcarbonat-Stapel, die die Perlmutt-Schicht bilden. Und auch die innere Ordnung der Karbonat-Kristalle in den Stapeln – welche Winkel die Atombindungen im Kristallgitter haben. Dabei haben wir zwei auffällige Zusammenhänge gefunden: Die Dicke der Perlmutt-Stapel korreliert stark mit dem maximalen Druck und die Kristallordnung mit der maximalen Temperatur."

    Je höher der hydrostatische Druck, das heißt je größer die Wassertiefe, bei der Perlmutt von Weichtieren gebildet wird, desto dünner sind die Calciumcarbonat-Stapel. Und je höher die Wassertemperatur, desto größer ist die Unordnung im Kristallgitter. Das leitet Gilberts Arbeitsgruppe aus ihren Analysen ab – und zwar für praktisch alle untersuchten Muscheln, Schnecken und Tintenfische. Den Forschern standen Meßdaten aus den Lebensräumen der Tiere zur Verfügung. Das erlaubte ihnen den Vergleich mit den mikroskopischen Strukturmerkmalen des Perlmutts. Plakativ kann man also sagen: Schau Dir das Perlmutt einer Muschel an, und Du weißt, in welcher Wassertiefe sie lebte und wie warm es dort war! Gilbert:

    "Bisher haben wir das bloß an den Schalen heutiger Lebewesen beobachtet. Perlmutt findet sich aber auch bei Ammoniten, also bei fossilen Nautilus-Arten. Im Prinzip könnten wir auch an ihnen untersuchen, in welchen Tiefen und bei welchen Höchsttemperaturen sie lebten. Und das bis in Zeiten, die 500 Millionen Jahre zurückliegen."

    Paläoklimatologen arbeiten schon lange mit Ammoniten. Sie analysieren zum Beispiel das Verhältnis von Calcium und Magnesium in ihren Gehäusen. Oder sie messen den Gehalt bestimmter Sauerstoff-Isotopen in ihnen. Auch dadurch lassen sich historische Meerestemperaturen rekonstruieren. Mit der Perlmutt-Analyse ginge das viel exakter, wie Biophysikerin Gilbert erläutert:

    "Im Fall eines Ammoniten kann man mit den heutigen Verfahren zwar abschätzen, welche Temperaturen damals in seiner Umgebung herrschten. Man weiß aber nicht, wo er sich genau aufhielt. Direkt unter der Wasseroberfläche? Oder in 500 oder 1000 Metern Tiefe? Das macht aber einen großen Unterschied. Unsere Methode erlaubt es, den Druck und damit auch die Wassertiefe simultan zur Temperatur zu bestimmen."

    Sie habe bereits etliche Anfragen von Paläoklimatologen aus aller Welt, sagt Gilbert. Das Interesse an der Methode sei groß. Einen Haken hat die Sache aber noch. Das weiß auch ihre Entwicklerin: Die Ultrastruktur-Analyse wurde bisher nur an Perlmutt aus den Schalen heutiger Weichtiere getestet, aber noch nicht an Fossilien. Ob es sich bei den Relikten aus der Erdgeschichte genauso verhält, muss Pupa Gilbert erst noch zeigen. Entsprechende Studien seien aber schon in Vorbereitung. Erst wenn sie abgeschlossen sind, wird man sagen können, ob Perlmutt wirklich als Paläothermometer und -Tiefenmesser taugt.