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Neues Leben in der Lausitz

Kuhn: Na ja, der Vergleich ist vielleicht etwas gewagt. Aber ich denke, wir befinden uns in einer Region Deutschlands, in der es schwerer ist, etwas zu entwickeln, wo man vor allen Dingen nach Arbeitsplätzen lechzt, wo die Leute nicht von alleine hinziehen, hinzukommen, etwas mitmachen wollen, sondern wo sie eher abwarten, vor allen junge, aktive Leute abwandern. Und das ist schon für eine Entwicklung, die dringend notwendig ist, nicht besonders gut.

    Novy: Sie sind ja bis 2010 Leiter der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land. Im Schwung der ersten Zeit nach dem Mauerfall schienen ja gerade die deformierten Tagebaugebiete Südraum Leipzig und die Lausitz sehr geeignet, symbolhaft etwas ganz neues zu schaffen. Wenn die IBA das tun will, machen Sie das dann in Anlehnung an die kleinräumigen, kleinteiligen Konzepte der IBA Emscher Park im Ruhrgebiet, die das ja ganz gut geschafft hat?

    Kuhn: Ja natürlich hat die IBA Emscher Park im Ruhrgebiet als Vorbild gedient, obwohl wir sofort wussten, dass es nicht so sein wird, nicht so sein kann, wie bei der IBA Emscher Park, einem der urbansten Räume in Deutschland. Hier sind wir in einem eher ländlich geprägten Raum und das Thema Landschaft steht im Mittelpunkt. Natürlich spielt die Industriekultur, spielen die zukünftigen Seen – hier wird eine sehr große Seenlandschaft entstehen – eine große Rolle. Allerdings können wir diese leer gewordenen Industriehallen, manchmal sehr schöne Gebäude, nicht unbedingt mit Veranstaltungen, mit Menschen füllen, sondern wir müssen auf anderen Wegen versuchen, sie in die Landschaft und in ein neues Leben in der Lausitz zu integrieren.

    Novy: Wie soll das gehen, ohne Arbeit?

    Kuhn: Ja, wir wollen schon auch mit den Projekten der Internationalen Bauausstellung Arbeit schaffen. Zum Beispiel ist aus dieser großen, nicht mehr gebrauchten aber nicht mehr ganz neuen Vorderbrücke - 500 Meter lang, 74 Meter hoch - ein riesiges Besucherbergwerk entstanden. Eine riesige Licht-Klang-Installation zieht bereits sehr viele Menschen an und der alltäglichen Aufwand – man muss da nichts heizen, und so weiter – ist recht gering. In der Gemeinde Lichterfeld sind dadurch zum Beispiel wieder 16 Arbeitsplätze entstanden, es ist wieder Stolz entstanden und eine Hoffnung. Also es wird Möglichkeiten geben, eher viele kleine Möglichkeiten, die sich vernetzen und die aber dieser gesamten Landschaft vielleicht ein neues Netz bringen.

    Novy: Wie eigenständig ist das Ganze? Wovon lebt die IBA?

    Kuhn: Natürlich ist es so, dass diese Bergbausanierung nicht aus eigener Kraft des Ostens leistbar wäre. Das ist eine Aufgabe des Bundes, aber was dann kommt, dass muss tatsächlich aus eigener Kraft dazu kommen und das müssen Dinge sein, die sich selbst tragen, die also nicht subventioniert werden. Diesbezüglich gebe ich dem Artikel recht, auf den Sie angespielt haben, dass hier mehr Eigeninitiative, auch mehr Mentalität zum Unternehmertum, meinetwegen zu einem Bürgertum entstehen muss. Das könnte mit dem einen oder anderen Projekt der IBA in der Lausitz entstehen, aber man braucht dazu zuerst eine Grundvoraussetzung und dann ist es so, dass alle unsere Projekte gewinnbringend sein müssen und das haben wir auch geschafft. Es wird schon so sein, dass es erst einmal kleine Zellen sind und das daraus dann aber auch eben eine größere Aufbruchsstimmung entstehen kann.

    Novy: Es wird im Westen immer behauptet, im Osten würde nur gejammert. Sie sind im Osten. Wird da nur gejammert in Ihrer Umgebung?

    Kuhn: Es wäre jetzt falsch, wenn ich jetzt sagen würde, da wird überhaupt nicht gejammert, aber wenn es eine Chance, einen Lichtblick gibt, dann sehe ich auch viele Leute, die da zupacken. Und diesen Lichtblick, diese Möglichkeit muss man schaffen und dann erkennt man auch, wo die neuen Chancen, auch die neuen Geschäfte, das neue Unternehmertum liegen kann. Das würde mir sehr am Herzen liegen.